Von Anfang März bis Ende Mai 2018 sind alle Beschäftigten in Betrieben mit fünf oder mehr Beschäftigten zu den Betriebsratswahlen aufgerufen. Für die Gewählten geht es anschließend darum, den digitalen Wandel in Bahnen zu lenken und den Generationenwechsel in den eigenen Reihen einzuleiten.
Seit Monaten sind EVG, NGG, GEW, IG BAU, IG BCE, ver.di und IG Metall dabei, ihre Mitglieder auf die Betriebsratswahl 2018 vorzubereiten. Auch im Internet steigt das Interesse an der Wahl deutlich. Laut Google Trends, einem Datenportal des Suchmaschinen-Konzerns, steigen die Suchanfragen zur Betriebsratswahl seit September deutlich an. Besonders häufig wird laut Google nach den Begriffen Termin, Wahlvorstand, Wahlordnung, Listenwahl, Fristen und Ablauf gesucht. Ein gutes Zeichen, dass die Betriebsratswahlen auch 2018 wieder ein großes Thema in den Unternehmen sein werden. Mit einer Wahlbeteiligung von 76,9 Prozent lag die letzte Betriebsratswahl 2014 noch vor der Bundestagswahl 2017 mit 76,2 Prozent.
Mit einer Image-Kampagne wollen DGB und Gewerkschaften im kommenden Jahr für eine hohe Wahlbeteiligung und mehr Betriebsräte werben. Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann betont: „Betriebsräte sichern gute und faire Arbeitsbedingungen und schützen die Beschäftigten zum Beispiel vor Vorgesetzen, die auch nach Feierabend Erreichbarkeit von ihren Leuten fordern. Das wollen wir mit unserer Kampagne deutlich machen.“ Betriebsräte seien zudem ein entscheidender Standortvorteil – für die Unternehmen und die gesamte Volkswirtschaft.
Studien belegen unter anderem die positiven Effekte der betrieblichen Mitbestimmung: Firmen mit Betriebsräten sind innovativer und fördern die Weiterbildung der Beschäftigten. Das sei angesichts der Digitalisierung in der Arbeitswelt dringend geboten. „Die Belegschaften müssen Schritt halten mit dem rasanten digitalen Wandel, der in vielen Unternehmen stattfindet. Darum brauchen wir mehr Betriebsräte in allen Branchen“, fordert Hoffmann.
In vielen Bereichen ist die Digitalisierung bereits Realität. Nicht nur in großen Unternehmen werden interne soziale Netzwerke eingeführt, Produktion und Vertrieb digitalisiert und ganze Arbeitsprozesse in kleine Aufträge zerlegt und über Plattformen an externe Gig-WorkerInnen – häufig Programmierer, Datenanalysten oder Grafik-Designer – vergeben.
Die Zweite Vorsitzende der IG Metall Christiane Benner hat auf der Engineering- und IT-Tagung der IG Metall Anfang November deutlich gemacht, worum es Gewerkschaften und Betriebsräte geht: „Unsere Herausforderungen sind dabei in erster Linie Beschäftigung zu sichern, eine Zunahme bei der Arbeitsbelastung zu vermeiden, passende Softwareergonomie, einen hinreichenden Datenschutz, vor allem aber notwendige Qualifizierung für die Beschäftigten durchzusetzen“.
Betriebsräte gestalten längst mit. In vielen Unternehmen gibt es bereits innovative Betriebsvereinbarungen etwa für E-Learning, der Arbeit in der Cloud oder agiles Arbeiten – also einer schnellen, teamübergreifenden und kundenorientierten Arbeitsweise. Benner betont: „Digitalisierung hat gleichzeitig emanzipatorisches Potential, agiles Arbeiten schafft dafür Möglichkeiten. Unsere Betriebsvereinbarungen, die diese neuartigen Prozesse regeln, verbinden deshalb Schutz- und Gestaltungsaspekte.“
"Ich würde mich freuen, wenn Betriebsratsarbeit weiblicher würde, wenn Frauen, also mehr Frauen als bisher für den Betriebsrat kandidieren."
Michaela Rosenberger, NGG-Vorsitzende
Bei Daimler zum Beispiel gibt es eine Betriebsvereinbarung zur „Schwarmarbeit“ – einer Form des agilen Arbeitens. Darin ist unter anderem geregelt, dass alle mitmachen dürfen, aber keiner muss. Beschäftigte, die vorübergehend in „Schwärmen“ oder „Inkubatoren“ – also kleinen digitalen Testlaboren – arbeiten, werden von ihrer eigentlichen Funktion freigestellt. Die IG Metall sei offen für flexible und auch agile Arbeitsformen. „Sie sind aber nur erfolgreich, wenn eine neue Beteiligungskultur entsteht und eine zeitgemäße Unternehmensführung vorhanden ist. Das heißt auch: Nichts geht ohne Betriebsrätinnen, Betriebsräte und die IG Metall.“
Neben den großen Industriekonzernen mit etablierten Betriebsratsstrukturen will die IG Metall auch in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) sowie in Handwerksbetrieben für mehr betriebliche Mitbestimmung kämpfen. Vor allem in kleinen, inhabergeführten Betrieben ist es für die MitarbeiterInnen oft schwer, einen Betriebsrat zu gründen.
Ralf Kutzner, im geschäftsführenden Vorstand der IG Metall zuständig für den Bereich, kündigt an: „Die IG Metall wird bei den kommenden Betriebsratswahlen in kleinen und mittleren Unternehmen sowie im Handwerk ordentlich Druck machen.“ Gerade im Mittelstand sei eine positive Mitbestimmungskultur dringend notwendig. „Nur mit starken Betriebsräten und gut organisierten Belegschaften können wir eine höhere Tarifbindung durchsetzen und halten.“ Diese wiederum sorgt dafür, dass KMU und Handwerk für den Fachkräftenachwuchs attraktiver werden.
"Unsere EVG-Betriebsräte nutzen ihre Gestaltungsmacht, die sie angesichts überzeugender Mehrheiten haben, um Vereinbarungen mit den Arbeitgebern zu treffen, die den Interessen der Beschäftigten in den jeweiligen Betrieben Rechnung tragen. Damit punkten wir bei der Wahl."
EVG-Vize Klaus-Dieter Hommel
Der demografische Wandel macht auch vor den Betriebsräten nicht halt. Zahlen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts zeigen, dass fast 60 Prozent der aktuell amtierenden Betriebsräte älter als 50 Jahre sind. Gerade einmal 12,3 Prozent sind unter 40 Jahren (s. Grafik). In vielen Betrieben zeichnet sich spätestens bei der Wahl im Jahr 2022 ein Generationenwechsel ab.
Um dem Nachwuchs genügend Zeit zu bieten, in die Aufgabe hineinzuwachsen, sollte die kommende Wahl genutzt werden, um potenzielle NachfolgerInnen aufzubauen, rät Kerstin Jerchel, Leiterin des Bereichs Mitbestimmung beim ver.di-Bundesvorstand. „Gerade jüngere Beschäftigte sollten gezielt angesprochen werden, um sich für Ihre Interessen aktiv einsetzen. Sie können von der Erfahrung älterer Mitglieder im Betriebsrat, die in den kommenden vier Jahren in den Ruhestand gehen, profitieren.“ Um den Generationenwechsel aktiv mitzugestalten, sei es daher sinnvoll, wenn sich bei der Wahl 2018 Jüngere für eine Kandidatur entscheiden. „Je früher, desto besser“, betont Jerchel. Die rechtzeitige Ansprache von KandidatInnen gilt dabei neben der Suche nach Betriebsrats-Nachwuchs auch für die Mitglieder des Wahlvorstands und für die Vertrauensleute, die in vielen großen Betrieben die Wahlen vorbereiten.
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Potenzial, um Nachwuchs zu gewinnen, gibt es. Auswertungen des WSI zeigen, dass vor allem Frauen, befristet Beschäftigte und MigrantInnen in den Betriebsräten unterrepräsentiert sind. In diesen Gruppen gilt es gezielt Beschäftigte anzusprechen und ihr Engagement zu fördern. So könnte in der kommenden Amtsperiode ein Zeichen gesetzt werden, wenn der Anteil der weiblichen Betriebsratsvorsitzenden steigen würde. Lediglich jeder vierte Betriebsrat hat bisher eine Frau als Vorsitzende. Selbst in weiblich-dominierten Gremien ist dies eher selten der Fall, stellen die ForscherInnen des WSI fest. Die NGG-Vorsitzende Michaela Rosenberger betont: "Ich würde mich freuen, wenn Betriebsratsarbeit weiblicher würde, wenn Frauen, also mehr Frauen als bisher für den Betriebsrat kandidieren."
Ins Auge fällt zudem der geringe Anteil von befristet Beschäftigten in Betriebsräten. Dabei setzen immer mehr Unternehmen auf befristete Verträge. In Betrieben, in denen jede/r Zweite befristet ist, sind gerade einmal 13 Prozent dieser Gruppe im Betriebsrat vertreten. Besonders problematisch: Arbeitgeber setzen die Befristungen ein, um Menschen an der Kandidatur für einen Betriebsrat zu hindern. Zeigt ein/e ArbeitnehmerIn Interesse zu kandidieren, wird der Vertrag nicht verlängert. Folglich verzichten viele Befristete auf betriebliches Engagement.
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