Deutscher Gewerkschaftsbund

19.09.2018

Für ein soziales und demokratisches Europa – Anforderungen des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften an die Parteien zur Europawahl 2019

Am 26. Mai 2019 finden in Deutschland die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Bei diesen Wahlen geht es um eine Richtungsentscheidung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften rufen ihre Mitglieder und alle Bürgerinnen und Bürger dazu auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen.

Eine hohe Wahlbeteiligung kann die politischen Kräfte stärken, die sich für ein soziales und demokratisches Europa einsetzen. Neoliberale, rechtspopulistische, nationalistische und faschistische Kräfte dagegen wollen Europa schwächen. Die großen Herausforderungen unserer Zeit lassen sich nur gemeinsam im Sinne der Beschäftigten gestalten. Kein EU-Mitgliedstaat, nicht einmal Deutschland, bringt das notwendige weltpolitische Gewicht auf die Waagschale, um sie im nationalen Alleingang wirksam zu gestalten.

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften wollen eine Europäische Union des sozialen Fortschritts, die die Menschen beschützt und ermächtigt. Ein starkes soziales Europa ist im Interesse aller Beschäftigten. Der Vorrang sozialer Grundrechte vor den Binnenmarktfreiheiten muss endlich durch eine Soziale Fortschrittsklausel Eingang in die EU-Verträge finden. Die Alternative ist eine weithin ungezügelte Entfesselung der Marktkräfte, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa gegeneinander in Konkurrenz um die niedrigsten Löhne und Sozialstandards stellt. Dies gilt es entschlossen zu bekämpfen.

Blauer Buntstift auf Wahlzettel neben Kreuz

Colourbox

Derzeit bereiten die politischen Parteien in Deutschland ihre Parteitage in diesem Herbst und Winter vor, die von programmatischen Debatten über die Zukunft Europas und der Aufstellung der Kandidatenlisten für die Europawahl geprägt sein werden. Dazu verabschiedete der DGB Bundesvorstand Anfang September ein Papier, das die detaillierten gewerkschaftlichen Anforderungen an die Parteien zur Europawahl enthält. Dieses Papier wird in den kommenden Wochen und Monaten ergänzt werden durch eine gemeinsame Kampagne von DGB und Mitgliedsgewerkschaften im Vorfeld der Wahlen, die die wichtigsten Gewerkschaftsanliegen in Wortbildern und Slogans vermitteln soll, u.a. mit grafisch aufbereiteten Faktenblättern.

Vier Themenschwerpunkte stellt der DGB in den Mittelpunkt seiner Anforderungen an die politischen Parteien.

1. Das soziale Europa stärken

Ein soziales Europa ist eines der Gründungsversprechen der Europäischen Union. Zu einem europäischen Sozialmodell zählt für den DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften eine Europapolitik, die gute Arbeit und faire Löhne garantiert, gesetzlich und tarifvertraglich geregelte Arbeitsbedingungen ohne Ausnahmen zum Schutz der Beschäftigten, eine faire grenzüberschreitende Mobilität von Beschäftigten, starke Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und ihrer Interessensvertreter, ein hohes Niveau an sozialem Schutz zur Absicherung der großen Lebensrisiken und die Bereitstellung gemeinwohlorientierter öffentlicher Dienstleistungen. Die Proklamation der Europäischen Säule Sozialer Rechte im November 2017 durch die Europäischen Institutionen und die Mitgliedstaaten sollte die EU auf einen sozialeren Kurs bringen. Jetzt gilt es, die Soziale Säule umzusetzen – mit rechtsverbindlichen Maßnahmen und der notwendigen finanziellen Ausstattung, die im Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 ihren Niederschlag finden muss.

2. Für einen Kurswechsel in der europäischen Wirtschaftspolitik

Niemand in der Europäischen Union darf wirtschaftlich und sozial abgehängt werden. Darum ist es notwendig, die EU-Staaten zurück auf den Pfad der Aufwärtskonvergenz zu bringen. Hierfür ist ein Kurswechsel in der europäischen Wirtschafts- und Sozialpolitik erforderlich.

Die grundlegenden Webfehler der Europäischen Währungsunion (EWU) sind auf dem Höhepunkt der Finanzkrise offen zu Tage getreten. Diese gilt es nun zu beheben, bevor die nächste Krise kommt. Die geldpolitischen Interventionen der Europäischen Zentralbank haben den Euro bis heute am Leben erhalten, die deutsche Volkswirtschaft hat davon am stärksten profitiert. Doch dies reicht auf die Dauer nicht aus. Um die gemeinsame Währung und Europa längerfristig zu stabilisieren, muss die EWU zu einer echten Wirtschaftsunion ausgebaut werden. Dazu zählt der Umbau des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM in einen echten Europäischen Währungsfonds, der in der Lage ist, Zahlungsbilanzkrisen abzuwehren, wie sie 2010ff v.a. in Südeuropa zu verzeichnen waren. Zweitens bedarf es einer expansiveren und stärker koordinierten Fiskalpolitik, d.h. ein diskretionäres Politikinstrument, zur Stabilisierung und Förderung von Investitionen. Die Nettoinvestitionsquote der Eurozone ist seit Jahren negativ, d.h., die Europäer konsumieren ihren öffentlichen Vermögensstock anstatt ihn zu modernisieren. Den zukünftigen Generationen wird somit absehbar ein riesiger Schuldenberg aufgezwungen, wenn heute versäumt wird, zu investieren. Drittens und nicht zuletzt hat die Krise zu Tage gefördert, dass der Wirtschaftspolitik der Eurozone ein automatischer Stabilisator fehlt, der bei regional steigender Arbeitslosigkeit das Nachfrageniveau der EWU aufrechterhält und geeignet ist, eine stabile und gleichförmige Entwicklung der Mitgliedstaaten und eine Angleichung der verschiedenen Konjunkturzyklen zu erreichen. Ein zusätzliches Eurozonenbudget, eine Investitionsstabilisierungsfunktion und eine europäische Arbeitslosen-Rückversicherung, die nicht beitragsfinanziert ist und die nationalen Arbeitslosenversicherungssysteme nicht antastet, können insgesamt diese Stabilisierungsfunktion übernehmen. Ein Budget für die Eurozone muss demokratisch von den Parlamentariern der Eurozone im EP kontrolliert werden. Wenn Arbeitslosigkeit und ein hoher Beschäftigungsgrad zu zentralen Kennziffern der europäischen Wirtschaftspolitik werden und nicht mehr ausschließlich Preisstabilität, ist der notwendige Paradigmenwechsel eingeleitet.

3. Faire Globalisierung schaffen

Eine faire Globalisierung heißt für den DGB: internationale Arbeits-, Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutz-standards regulieren das Geschehen auf den Kapital-, Güter- und Dienstleistungsmärkten. Diese Standards müssen durch die EU weiterentwickelt und besser durchgesetzt werden. Der DGB fordert, Handelsabkommen so auszugestalten, dass sie einen gerechteren Welthandel befördern und Dumpingwettbewerb verhindern. Regeln des Investorenschutzes, die ausländischen Investoren zusätzliche materielle Rechtsansprüche und Klagemöglichkeiten geben und diese damit tendenziell in die Lage versetzen, staatliche Regulierung im Gastland unter Druck zu setzen, dürfen nicht Bestandteile der EU-Handelspolitik sein. Der neoliberale Deregulierungswettbewerb auf den globalen Finanz-, Dienstleistungs- und Gütermärkten schadet den Interessen der Beschäftigten weltweit. Der DGB fordert eine gerechtere EU-Handelspolitik, die den Dumpingwettbewerb unterbindet. Der universelle Zugang zu Bildung und Dienstleistungen der Daseinsvorsorge muss Vorrang erhalten vor einer Liberalisierung des Marktes und dem Abbau von Regulierungen. Öffentliche Dienstleistungen dürfen nicht zu handelbaren Gütern und müssen daher von den Handelsabkommen der EU ausgenommen werden.

4. Die europäische Flüchtlingspolitik gerecht und solidarisch gestalten

Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften setzen sich für ein weltoffenes und solidarisches Europa ein. Ein solches Europa muss Menschen, die vor Krieg oder Bürgerkrieg fliehen oder in ihrer Heimat wegen ihrer politi-schen Überzeugungen, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit verfolgt werden, Schutz bieten. Das Grundrecht auf Asyl und die Einhaltung der UN-Flüchtlingskonvention sind für uns unantastbar. Was wir deshalb brauchen, ist ein EU-weites solidarisches System zur Aufnahme und Integration von Geflüchteten, statt einer europäischen Flüchtlingspolitik, die zunehmend auf Abschottung setzt. Wir wollen ein Europa, das sich glaubwürdig dafür einsetzt, Fluchtursachen zu bekämpfen – kein Europa, das Flüchtlinge bekämpft!

Andreas Botsch, DGB-BVV


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