Deutscher Gewerkschaftsbund

27.06.2018

OPZZ-Kongress: "Polen braucht eine Lohnerhöhung"

Unter dem Motto "Polen braucht eine Lohnerhöhung" fand vom 24.-25. Mai 2018 der Kongress des größten Dachverbandes der polnischen Gewerkschaften Ogólnopolskie Porozumienie Związków Zawodowych (OPZZ) in Warschau statt. Präsident Jan Guz, der seit 2004 im Amt ist, wurde wiedergewählt und betonte in seiner Grundsatzrede die Notwendigkeit von Lohnerhöhungen, denn Polen sei kein Billiglohnland.

Karte mit Lupe über Polen ausgerichtet

DGB/Naruedom Yaempongsa/123RF.com

OPZZ ist der größte Dachverband der polnischen Gewerkschaften. Vom 24.05. bis 25.05.2018 fand der Kongress in Warschau statt. Zu dem Motto, das wohl in vielen Mitgliedstaaten der Europäischen Union unter den Nägeln brennt, kamen 46 internationale Gäste aus 28 Ländern, sowie Vertreterinnen und Vertreter des Europäischen Gewerkschaftsbundes und des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses.

OPZZ – Struktur und politische Bedeutung

Der Ogólnopolskie Porozumienie Związków Zawodowych (OPZZ; zu Deutsch „Gesamtpolnischer Gewerkschaftsverband“) wurde am 24. November 1984 auf der Grundlage des Gesetzes über Gewerkschaften vom 8. Oktober 1982 gegründet.

Aufgrund der Konflikte mit Solidarność (NSZZ) dauerte seine Anerkennung in der internationalen Gewerkschaftsbewegung noch bis in die 2000er Jahre. Dabei ging es teils um das Verhältnis zu Staat und politischen Parteien, teils um die Frage, wem das Vermögen der alten Gewerkschaften zugesprochen werden sollte.

Inzwischen ist OPZZ international in der Gewerkschaftsbewegung angekommen und Mitglied von EGB, IGB und PERC; er arbeitet in ILO und EWSA mit; seine Mitgliedsorganisationen sind in den gewerkschaftlichen Branchenverbänden und europäisch in den IGRen vertreten.

Ihm gehören derzeit 86 Betriebs- bzw. Branchengewerkschaften an, die in sieben Branchen gegliedert sind:

  • Bergbau und Energie
  • Industrie (der jüngste, aus Zusammenschlüssen hervorgegangen)
  • Erziehung (der größte)
  • Öffentliche Dienste
  • Holz und Bau
  • Transport
  • Handel, Dienstleistungen, Kultur.

Größte einzelne Mitgliedsorganisation ist die ZNP (Lehrer), gefolgt von der Postgewerkschaft.

Regional ist die OPZZ in allen 16 Wojwodschaften vertreten und in den meisten Powiatschen. Die Regionaleinheiten sind satzungsgemäß auch dadurch stark, dass sie die Mitgliedsbeiträge einziehen und an die Zentrale abführen. Es gibt drei Satzungsorgane: Kongress, Rat, Präsidium.

  • Der Kongress bestimmt die Politik und wählt sowohl den Präsidenten als auch den Vorsitzenden der Revisionskommission. Jan Guz ist seit 2004 Präsident.
  • Der Rat ist die Exekutive zwischen den alle vier Jahre stattfindenden Kongressen. Dort sind die Mitglieds-Gewerkschaften proportional zu ihrer Mitgliederstärke vertreten. Er trifft sich maximal drei Mal im Jahr.
  • Das Präsidium setzt die Politik des Rates um und trifft sich höchstens alle zwei Monate. Präsident und die gewählten Vize-Präsidenten setzen die Alltags-Politik um: Vertretung nach innen und außen, gegenüber Staatsorganen, politischen Parteien, Unternehmerverbänden usw.

OPZZ ist in den tripartiten Organen des polnischen Sozialen Dialogs auf allen regionalen Ebenen vertreten.

Jan Guz – Die Grundsatzrede des wiedergewählten Präsidenten

Jan Guz, seit 2004 Präsident des OPZZ wurde mit 199 von 219 abgegebenen Stimmen wiedergewählt.

In seiner Grundsatzrede betonte er die Notwendigkeit von Lohnerhöhungen. Polen sei kein Billiglohnland. Die OPZZ unterstützt (in Polen) die Gewerkschaft der ukrainischen Beschäftigten. Ein weiteres wichtiges Zukunftsthema wird die Bekämpfung der Altersarmut sein. Gegen den drastischen Mitgliederschwund, der auch auf die strukturelle Transformation der polnischen Wirtschaft zurückzuführen ist, fordert er das Recht von Beschäftigten mit „junk contracts“, also in prekären Arbeitsverhältnissen, Gewerkschaften beitreten zu dürfen. Im Unterschied zu anderen Gewerkschaftsorganisationen fordert die OPZZ keine “benefits“, soziale Wohltaten, sondern Lohnerhöhungen. Die gute Kooperation mit der Arbeitsinspektion wird hervorgehoben - die aber strukturell nicht ausreichend ausgestattet ist. Zum sozialen Dialog: Die Qualität des sozialen Dialoges hängt auch von der Qualität der Gesprächspartner ab…

Diskussion mit den Parteien: Der Vertreter der Post-Sozialisten begann sein Statement mit einer Entschuldigung für die Fehler der Vergangenheit, unter gemäßigtem Beifall. Der Vertreter der Bauernpartei (Volkspartei) erhielt teils lebhaften Beifall und zeichnete sich vorwiegend durch Unbefangenheit aus. Diese beiden sprachen sich für Lohnerhöhungen und Verbesserungen bei den Renten aus. Der Vertreter der Liberal-Demokraten (Tusk-Partei) sieht die Rolle der Gewerkschaften darin, dass sie zum Funktionieren von Markt-Mechanismen beitragen sollen.

Die Satzungsdiskussion, obgleich breit vorbereitet, gestaltete sich unerwartet konfliktreich. Letztendlich konnte die Rolle der Zentrale etwas gestärkt werden: die Mitgliedsbeiträge werden künftig zentral eingezogen und aufgeteilt.

Zusammenfassung: OPZZ ist ein solider Ansprechpartner für Polen – allerdings bedarf seine Rolle innerhalb der Diskussion der Visigrad-Gewerkschaften weiterer Klärung.

Doro Zinke (DGB)


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