Ganz Europa blickt nach Großbritannien und das politische Chaos, das mit der Brexit-Entscheidung vor einem Jahr begann und nun einen weiteren Höhepunkt mit der Parlamentswahl vom 8. Juni gefunden hat. Zu der allgemeinen politischen Unsicherheit, kommt für GewerkschafterInnen die Frage hinzu, was der Brexit für die europäische Mitbestimmung bedeutet.
Banksy
Am 29. März 2017 hat die britische Premierministerin Theresa May das Austrittsgesuch in Brüssel eingereicht. Ab diesem Zeitpunkt bleiben zwei Jahre Zeit, um den britischen Austritt aus der EU zu verhandeln. Eine Situation ohne historisches Vorbild. Während die britische Regierung kurz nach dem Brexit-Votum am 23. Juni 2016 noch versichert hatte, sie wolle den Zugang zum europäischen Binnenmarkt wahren, schwenkte May zuletzt auf den Kurs eines „harten Brexit“ um. Dieser würde einen kompletten EU-Ausstieg Großbritanniens (GB) bedeuten.
Doch nicht nur politisch stellt sich die Frage „wie weiter?“. Auch im Bereich der Mitbestimmung gibt es offene Fragen – so bei Europäischen Betriebsräten (EBR), die nach britischem Recht gegründet wurden und für die britischen EBR-Mitglieder. Zunächst gilt: bis zum endgültigen Austritt ist das Vereinigte Königreich EU-Mitglied und es gilt weiterhin EU-Recht. Im Anschluss ist eine Übergangsphase denkbar. Wie es danach weitergeht, hängt davon ab, welchen Weg Großbritannien wählt und welchen Status es nach dem Austritt haben wird. Denkbar sind folgende Optionen:
In diesem Szenario ändert sich relativ wenig für Großbritannien. Norwegen ist kein EU-Mitglied, aber Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), für den die EBR-Richtlinie gilt. Falls das Vereinigte Königreich diese Möglichkeit wählt, würde bestehendes EBR-Recht weiterhin unverändert gelten.
Die Schweiz ist kein EU-Mitglied und auch nicht im EWR. Sie hat über bilaterale Abkommen Zugang zum EU-Binnenmarkt. Die EBR-Richtlinie gilt hier nicht automatisch und die Schweiz hat sie auch nicht in nationales Recht übernommen.
DGB
Rechtliche Grundlage für die Gründung von Europäischen Betriebsräten ist die EBR-Richtlinie vom 22. September 1994, die am 6. Mai 2009 novelliert wurde. Danach kann in Unternehmen mit mehr als 1000 ArbeitnehmerInnen ein EBR gegründet werden, wenn von den Beschäftigten mindestens 150 in zwei Ländern tätig sind. Seit 1994 wurden rund 1000 Eurobetriebsräte gegründet, in denen rund 20 000 Delegierte aktiv sind, die mehr als 17 Millionen Beschäftigte vertreten.
Kommt es zum „harten Brexit“, hat Großbritannien keinen Zugang mehr zum EU-Binnenmarkt. Dann gilt auch EU-Recht nicht mehr. Wenn ein EBR nach dem Recht eines anderen Mitgliedsstaates gegründet wurde, besteht er dennoch weiter – selbst wenn der Firmen-Sitz im Vereinigten Königreich liegt. Bei EBR-Vereinbarungen, die nach britischem Recht geschlossen wurden, ist derzeit noch offen, wie es weitergeht. Diese Gremien wurden auf der Grundlage einer EU-Richtlinie gegründet, die in britisches Recht umgesetzt wurde. Es liegt an der britischen Regierung, zu entscheiden, inwiefern sie diese Regelungen beibehält oder aufhebt. Für britische EBR-Mitglieder gibt es im Falle eines harten Brexit keine Garantie, weiterhin im EBR vertreten zu sein. So müsste für die betroffenen KollegInnen – wie auch im Falle der Schweiz – individuell mit der Unternehmensleitung verhandelt werden. Bestehende EBRs – mit britischen Mitgliedern oder nach britischem Recht gegründet – sollten also dringend handeln. Sie müssen ihre EBR-Vereinbarungen – am besten bis März 2019 – nachbessern, so dass die britischen Mitglieder bleiben können, und entscheiden, auf welchem anderen, europäischen Länderrecht sie zukünftig basieren wollen.
Am 7. Mai wurde Emmanuel Macron zum französischen Präsidenten gewählt. Bei den Parlamentswahlen Anfang Juni erhielt die von ihm gegründete Partei La République En Marche von den WählerInnen ein klares Mandat: Sie erreichte die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung. Doch was will Macron und wie finden die französischen Gewerkschaften das?
Während Macron in der Außen- und Europapolitik positive Signale sendet, stehen seine innenpolitischen Reformen unter neoliberalen Vorzeichen. Bisher hat er drei Reformvorhaben vorgestellt: eine Arbeitsmarktreform, eine Arbeitslosenversicherungsreform und eine Rentenreform. Macron spricht davon den „sozialen Dialog“ zu „vereinfachen“.
Die französischen Gewerkschaften schlagen Alarm: Es drohen eine Schwächung der Branchentarifverträge zugunsten von Tarifverhandlungen auf betrieblicher Ebene. Gleichzeitig ist eine Lockerung der Arbeitszeitregelungen und mehr Flexibilität für die Unternehmen vorgesehen. Zudem hat Macron angekündigt, die Steuern und Sozialabgaben für Unternehmen zu senken.
Die Gewerkschaft Force Ouvrière (FO) lehnt das Gesetzesvorhaben klar ab. Die Confédération générale du travail (CGT) spricht vom „schlechtesten Szenario für die ArbeitnehmerInnen“. Laurent Berger, Generalsekretär der CFDT, sagte die Reformen seien nur möglich, wenn sie zugunsten der ArbeitnehmerInnen gestaltet seien. „Ab sofort müssen wir über neue Rechte für die Beschäftigten sprechen“, so Berger.