Deutscher Gewerkschaftsbund

19.09.2018

L20 Gipfel in Argentinien – ein Gipfeltreffen und ein Land in der Krise

Gut ein Jahr nachdem der G20-Gipfel in Hamburg von massiven Protesten begleitet wurde, fanden vom 4. bis 7. September der L20 Gewerkschaftsgipfel und im Anschluss die Arbeitsministerkonferenz in Mendoza, Argentinien statt. Das Land steht bereits seit Juli 2018 in Verhandlungen mit dem IWF, da sich die Finanzsysteme am Rande des Kollapses bewegen. Zuletzt verlor der argentinische Peso beträchtlich an Wert, was zusätzlichen Druck ausübt und bei den Argentiniern düstere Erinnerungen an die Krise von 2001/2002 weckt.

Zwei goldene Würfe liegen auf einem Papier mit der Abbildung eines im Sinkflug befindlichen Börsenkurses

Colourbox.de

Beim L20 Gipfel bzw. Arbeitsministertreffen wurde die Situation des Landes auf bizarre Weise dadurch deutlich, dass der Arbeitsminister wenige Tage zuvor nicht nur seinen Ministerposten verlor sondern das ganze Ministerium dem Produktionsministerium unterstellt wurde. Die Zusammenlegung der 22 Ministerien auf 10 sollte als Signal der Macri-Regierung an den IWF gelten um zu zeigen, dass man die Sparmaßnahmen ernst nehme.

Beim Arbeitsministertreffen konnte man sich erwartungsgemäß nur auf wenig Konkretes bzw. Neues einigen. Das von der argentinischen G20-Präsidentschaft gewählte Themenfeld der Arbeit der Zukunft galt zunächst als vielversprechend, da man sich erhoffte, dieses Thema zum ersten Mal aus der Perspektive eines Schwellenlandes zu betrachten. Zudem fand erstmals ein gemeinsames Treffen der Arbeits- und Bildungsminister statt, um die Herausforderungen der Digitalisierung für Aus- und Weiterbildung zu diskutieren, die unbestritten existieren. Leider blieb die erhoffte Konkretisierung in der Arbeitsministererklärung aus, wie genau die Bildung der Zukunft aussehen muss, um Chancengleichheit zu gewährleisten und Teilhabe für alle zu ermöglichen.

Beim L20 Gipfel diskutierten Gewerkschafter unter anderem Digitalisierung, Klimawandel, Migration und Flucht, und den schwindenden Multilateralismus – Probleme, die ohne internationale Kooperation nicht zu bewältigen sind. Dennoch blieben die Debatten weitestgehend an der Oberfläche und im nationalen Kontext verhaftet. Einmal mehr zeigt sich, dass die Krise des Multilateralismus auch eine gewerkschaftliche Dimension beinhaltet und dass man Schwierigkeiten hat, in der L20 Erklärung klare Anforderungen an die Politik zu stellen und sich zuweilen auf Allgemeinplätzen tummelt. Dabei könnte der L20 Gipfel durchaus einen wichtigen Beitrag zur Positionsfindung zwischen den Gewerkschaften der Gruppe der 20 und zur Prioritätensetzung auf Gewerkschaftsebene leisten – auch über G20 hinaus.

Die zukünftige Ausrichtung der internationalen Gewerkschaftsbewegung wird sich Anfang Dezember beim IGB Kongress entscheiden, wenn mehr als 1000 Delegierte aus aller Welt in Kopenhagen zusammenkommen, um genau darüber zu diskutieren.

Auf Regierungsebene scheint es, als ob es erst einer erneuten globalen Finanzkrise bedarf, um ernstzunehmendes Interesse an einem gehaltvollen Konsens zu wecken – eine nationale Finanzkrise des Gastgeberlandes reicht dazu offensichtlich nicht. Auch die Tatsache, dass die argentinische Regierung ein eigenständiges Arbeitsministerium für entbehrlich hält und im G20 Prozess versucht, Infrastrukturfinanzierungen als Investitionsform an den Finanzmärkten zu etablieren und damit Privatisierung durch Private-Public-Partnerships voranzutreiben, lässt wenig Hoffnung auf eine kurzfristige Trendwende zu.

Offen ist derzeit, wer beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der G20 Ende November/Anfang Dezember in Buenos Aires erscheinen wird. Zehn Jahre nach dem Beginn der Finanzkrise gerät das Konstrukt der G20 als Forum gemeinsamen Agenda-Settings für eine faire Gestaltung der Globalisierung zunehmend in Gefahr.

Carolin Vollmann und Alexander Niessen, DGB BVV


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