Die Mindestlohnkommission evaluiert die Höhe des Mindestlohnes und beschließt eventuell notwendige Anpassungen. Neues beratendes Mitglied ist der Makroökonom Prof. Tom Krebs. In einem Kurzinterview beantwortet er drei Fragen zu seiner zukünftigen Arbeit und stellt sich vor.
DGB
Tom Krebs
Ich denke, das ist ein wichtiger und überfälliger Schritt. Eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro würde für viele Beschäftigte – vornehmlich Frauen und Ostdeutsche – eine erhebliche Lohnerhöhung bedeuten. Zudem kann ein höherer Mindestlohn auch die Wachstumspotenziale stärken, denn er verschiebt die Beschäftigung weg von Niedriglohnarbeit hin zu Jobs mit höherer Produktivität.
Manchmal ist der Einwand zu hören, dass ein höherer Mindestlohn Arbeitsplätze koste und die Inflation antreibe. Eine Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro könnte demnach vielen Menschen indirekt schaden und neue Ungerechtigkeit schaffen. Ich halte ein solches Szenario für unwahrscheinlich, auch wenn es kurzfristig zu moderaten Preissteigerungen und Anpassungen auf dem Arbeitsmarkt kommen könnte. Mittel- bis langfristig ist die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro nicht nur gute Sozialpolitik, sondern auch wirtschaftspolitisch vernünftig.
Ich erwarte eine kollegiale Zusammenarbeit im Sinne des deutschen Modells der Sozialpartnerschaft. Es wird natürliche unterschiedliche Positionen und Meinungen geben, aber am Ende wird hoffentlich dabei ein Ergebnis herauskommen, das die Gesellschaft als Ganzes voranbringt.
Konkret würde ich mir wünschen, dass die MLK auch in der öffentlichen Debatte die drei gesetzlich verankerten Ziele gleichwertig behandelt. Das heißt, wir sollten nicht nur die zwei Ziele „angemessener Mindestschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ und „keine Gefährdung der Beschäftigung“ diskutieren, sondern immer wieder betonen, dass der Mindestlohn ein drittes Ziel hat: Dazu beizutragen, faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen zu ermöglichen. Besonders in der öffentlichen Debatte kommt dieser Aspekt zu kurz.
Ich glaube, zwei Forschungsfragen sollten künftig verstärkt untersucht werden. Zum Ersten die Frage, wie der Mehrwert der bestehenden Beschäftigungsverhältnisse zwischen Lohnzahlung und Gewinnen aufgeteilt wird. Die Antwort auf diese Frage bestimmt unter anderem den Effekt des Mindestlohns auf die Beschäftigung und Produktivität. Zum Zweiten sollte ausführlicher analysiert werden, inwieweit die Auswirkungen des Mindestlohns auf den Arbeitsmarkt von der Konjunktur bzw. der Auslastung der Produktionskapazitäten abhängen. Zur Beantwortung dieser Fragen bietet sich als Methode die Simulationsanalyse auf Basis empirisch und theoretisch fundierter Modelle an.
Tom Krebs ist Professor für Makroökonomik an der Universität Mannheim und akademischer Direktor am Forum New Economy. Vor seinem Wechsel an die Universität Mannheim hat er in den USA geforscht und an den Fakultäten der Brown Universität, Columbia Universität und der Universität von Illinois gelehrt. Er hat Physik an der Universität Hamburg studiert (Diplom) und in Volkswirtschaftslehre an der Columbia Universität promoviert.
In seiner Forschung untersucht Tom Krebs die Auswirkungen von Wirtschaftskrisen und Wirtschaftspolitik auf Wachstum, Ungleichheit und die Lebensqualität der Menschen. Seine Forschungsergebnisse wurden in führenden akademischen Zeitschriften veröffentlicht und häufig in den Medien diskutiert. Tom Krebs war der erste Gastprofessor am Bundesministerium der Finanzen 2019-2020. Zudem war er als wirtschaftspolitischer Berater am Internationalen Währungsfonds, an der Weltbank und der amerikanischen Zentralbank in Minneapolis tätig.