Am Mittwoch haben die Wirtschaftsweisen ihr Jahresgutachten vorgelegt. Darin bewerten sie die wirtschaftlichen Maßnahmen der Regierung in der Corona-Pandemie als Erfolg. Sie empfehlen sogar, die Schuldenbremse auszusetzen. Der DGB begrüßt diesen Vorschlag, fordert aber ein längeres Aussetzen sowie grundlegende Reformen.
DGB/Abdul Razak Latif/123rf.com
Am Mittwoch haben die Wirtschaftsweisen im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) ihr Jahresgutachten vorgelegt. Sie bewerten die Maßnahmen der Regierung – Kurzarbeit, Unternehmenshilfen, Konjunkturprogramm – im Großen und Ganzen als Erfolg.
Der SVR – der früher oft eine irrationale Angst vor Staatsschulden verbreitete – lobt dieses Mal sogar richtigerweise explizit, dass die Schuldenbremse auch 2021 ausgesetzt bleiben soll. Er empfiehlt, dass eher Schulden mit langer Laufzeit (z.B. 30 Jahre) gemacht werden, um sich die Niedrigzinsen langfristig zu sichern. Er diskutiert auch verschiedene Maßnahmen zum Umgang mit der Staatsverschuldung.
Beispiel Tilgungsplan: Der Bundestag hatte beschlossen, coronabedingt aufgenommene Schulden, die über das von der Schuldenbremse erlaubte Maß hinausgehen, bis 2042 in gleichbleibenden Beträgen zu tilgen. Für den Bundeshaushalt 2021 ließe sich das noch ändern (siehe Grafik). Der SVR betont jetzt zum einen, dass dieser konkrete Zeitplan gar nicht nötig wäre, denn: „Die Vorgaben zum Tilgungsplan im Grundgesetz fordern lediglich einen angemessenen Tilgungszeitraum. Es gibt keine weiteren formalen Anforderungen an die Ausgestaltung.“
Gleichzeitig zeigt der Rat auf, dass der beschlossene Tilgungsplan künftige Krisen verschärfen („prozyklisch wirken“) kann, weil jedes Jahr der gleiche Betrag getilgt wird, anstatt die jeweilige spezifische konjunkturelle Situation in den Blick zu nehmen. Leider kann sich der Rat nicht zu der einfachen und sinnvollen Empfehlung durchringen, die Tilgungspläne auf einen noch viel längeren Zeitraum auszudehnen, um das Problem zu lösen.
DGB /Quelle: BMF, Eigene Berechnungen
Der SVR hat offenbar auch erkannt, dass ein frühzeitiges Inkrafttreten der ausgesetzten Schuldenbremse ab 2022 den Aufschwung gefährden kann. Er empfiehlt entsprechend, eine mehrjährige Übergangsphase einzuführen, in der die Schuldenbremse die erlaubte Kreditaufnahme und die Handlungsfähigkeit des Staates zunächst weniger stark einschränkt.
Zwischen den Zeilen lässt sich dem Jahresbericht des SVR also durchaus die korrekte Erkenntnis entnehmen, dass die geplante Rückkehr zur Schuldenbremse zu Konsolidierungsdruck und damit wirtschaftlichen Problemen führt. Bedauerlich ist allerdings, dass die Mehrheit des Rates sich nicht dazu durchringt, ein längeres Aussetzen der Schuldenbremse und deren grundlegende Reform zu fordern.
Außerdem müsste der Rat viel stärker vor einem öffentlichen Spar- und Konsolidierungskurs warnen. Allein der Sachverständige Achim Truger macht das in seinem Minderheitenvotum. Die Mehrheit des Rates diskutiert stattdessen völlig verfrüht konkrete Vorschläge zum Ausstieg aus der lockeren Geld- und Fiskalpolitik und zum Einstieg in eine Haushaltskonsolidierung. Dabei behauptet sie auch noch – auf Grundlage einer einseitigen Auswahl an ökonomischen Fachartikeln – dass eine Konsolidierung über staatliche Ausgabenkürzungen „wachstumsfreundlicher“ sei, als etwaige Steuererhöhungen.
Der Internationale Währungsfonds war jüngst zu ganz anderen Ergebnissen gekommen. Für den DGB steht fest: Zunächst ist erstmal überhaupt keine Konsolidierung angebracht, die Politik darf wirtschaftliche Erholungen nicht durch Kürzungen bremsen.