Deutscher Gewerkschaftsbund

24.11.2014
klartext 36/2014

Mindestlohn: Schlupflöcher bei Kontrollen schließen

Eine Verordnung des Bundesfinanzministeriums könnte es einigen Arbeitgebern ermöglichen, den Mindestlohn zu umgehen, weil die Arbeitszeit der Beschäftigten laut Verordnung nur ungenau erfasst werden muss. Und bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit fehlen weiterhin Stellen für eine effektive Kontrolle des gesetzlichen Mindestlohns. Diese Schlupflöcher müssen geschlossen werden. Der DGB-klartext.

Stell Dir vor, das Mindestlohngesetz tritt in Kraft und keiner kann’s kontrollieren. So schlimm muss es nicht kommen. Dennoch: Vorsicht ist geboten. Denn schon der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass das Vorenthalten von Arbeitslohn kein seltenes Delikt ist, wie die Grafik zeigt.

Grafik Verurteilungen Lohndelikte

Beschäftigte um ihren Lohn zu prellen ist kein Kavaliersdelikt: Laut §266a des Strafgesetzbuches ist "Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt" eine Straftat, die mit bis zu fünf Jahren Gefängnis geahndet werden kann. Die Statistik zeigt: In 2012 wurden von den rund 14.700 polizeilich bekannten Fällen rund 6.700 Täter vor Gericht verurteilt. Rund 5.700 erhielten Geldstrafen, rund 1.000 sogar Freiheitsstrafen. Quelle: Bundestagsdrucksache 18/1219 (Daten: 2012); Grafik: DGB

Arbeitszeiterfassung: Verordnung des Finanzministeriums öffnet Schlupfloch

Hier geht es um die Pflicht der Arbeitgeber, die Arbeitszeit zu erfassen. Das Gesetz sieht zu den Dokumentationspflichten vor, dass in Branchen, die anfällig für Verstöße sind, die Arbeitszeit von Beschäftigten genau aufgezeichnet werden muss. Zur Aufzeichnungspflicht gehören das „Datum“ sowie die genaue Uhrzeit des „Beginns“ und des „Endes“ der Tätigkeit. Zwei Jahre sollen diese Unterlagen aufbewahrt werden – für etwaige Kontrollen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll. Der Hintergrund: Es soll garantiert werden, dass wirklich für 60 Minuten mindestens 8,50 Euro gezahlt werden und die Arbeitsstunde nicht auf einmal 70 Minuten hat.

Hier lauert eine Gefahr: Bei Berufen mit „ausschließlicher mobiler Tätigkeit“ wie etwa bei der Straßenreinigung oder der Personenbeförderung soll laut einer Verordnung aus dem Bundesfinanzministerium nun nur noch die Gesamtdauer der Arbeitszeit aufgeschrieben werden. Kein Anfang, kein Ende, einfach die bloße Stundenzahl. Begründung: Die genaue Zeiterfassung bei diesen Tätigkeiten sei zu kompliziert. Die Gefahr dabei: Arbeitgeber können künftig gerade so viele Stunden aufschreiben, dass der Mindestlohn dabei herauskommt. Dass die Arbeitnehmer womöglich tatsächlich viel länger arbeiten, als sie für 8,50 Euro brutto müssten – wer will das dann noch kontrollieren? Der DGB besteht auf exakte und prüfbare Vorschriften. In jedem Fall ist es aber extrem wichtig, dass jeder Arbeitnehmer sich seine Arbeitszeiten selbst exakt notiert: Von wann bis wann habe ich was gemacht?

Zusätzliche Mindestlohn-Kontrolleure müssen schnell eingestellt werden

Doch das ist nur eine Sorge, die die Gewerkschaften beim Thema effektive Kontrollen des Mindestlohngesetzes umtreibt. Dann wären da noch die zusätzlich versprochenen Beschäftigten bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll, die auch die Einhaltung des Mindestlohnes überwacht. Um 1.600 Stellen sollen die Kontrolleure aufgestockt werden, hatte Bundesarbeitsministerin Nahles versprochen. Und die sind auch bitter nötig, schließlich arbeitet die Finanzkontrolle schon heute an der Belastungsgrenze. Von 6.500 Stellen bundesweit sind etwa 600 unbesetzt! Und ab 1. Januar 2015, wenn das Mindestlohngesetz in Kraft tritt, müssen mal eben Betriebe mit knapp vier Millionen Beschäftigten, die dann Anspruch auf den Mindestlohn haben, zusätzlich kontrolliert werden.

Aber die Verstärkung soll noch jahrelang auf sich warten lassen! Schließlich fallen qualifizierte Kontrolleure nicht vom Himmel. Sie müssen mindestens zwei Jahre lang ausgebildet werden. Hier tut Tempo Not!

Den Arbeitgebern muss klar sein, dass Verstöße gegen das Gesetz mit bis zu 500.000 Euro geahndet werden. Und Ansprüche von Arbeitnehmern können auch noch drei Jahre rückwirkend geltend gemacht werden.


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