Eine sehr große Mehrheit der Deutschen hält auch zweieinhalb Jahre nach Einführung des gesetzlichen Mindestlohns die Lohnuntergrenze für richtig. Selbst eine große Mehrheit der Anhänger von Union und FDP ist für den Mindestlohn. Das ergab eine repräsentative Umfrage im Auftrag des DGB.
DGB/Simone M. Neumann
Auch zweieinhalb Jahre nach Einführung des gesetzlichen Mindestlohns ist die Zustimmung zum Mindestlohn weiterhin hoch.
Eine mit 85 Prozent sehr große Mehrheit der Deutschen hält die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns für richtig. Das ergibt eine repräsentative Umfrage von infratest dimap* im Auftrag des DGB. Auch 83 Prozent AnhängerInnen der Unionsparteien und 82 Prozent der FDP-AnhängerInnen unterstützen den Mindestlohn.
*Im Zeitraum vom 04. bis 06. Juli 2017 wurden 1006 Wahlberechtigte ab 18 Jahren in computergestützten Telefoninterviews befragt.
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Bei der Zustimmung zum gesetzlichen Mindestlohn gab es Verschiebungen unter den Partei-AnhängerInnen: Am höchsten ist die Zustimmungsrate zur Einführung des gesetzlichen Mindestlohns jetzt unter AnhängerInnen der Grünen (96%, 2015: 91%), gefolgt von AnhängerInnen der Partei DIE LINKE (89%, 2015: 92 %) und denen der SPD (85%, 2015: 94%). Aber auch 83% der AnhängerInnen von CDU und CSU finden den gesetzlichen Mindestlohn richtig (2015:79%). Und selbst unter den AnhängerInnen der FDP unterstützen inzwischen 82% die gesetzliche Lohnuntergrenze – ein Plus von 19 Prozentpunkten im Vergleich zu 2015.
Die praktischen Erfahrungen mit dem im Januar 2015 eingeführten gesetzlichen Mindestlohn haben also nicht zu einer verringerten Zustimmung in der Bevölkerung geführt. Die Zustimmungsrate von 85 Prozent entspricht in etwa der von März 2015.
Deutlich mehr als die Hälfte lehnt Ausnahmeregelungen etwa für Langzeitarbeitslose oder Minderjährige beim Mindestlohn ab. Die Kritiker überwiegen bei den Anhängerschaften der Linken, Grünen und SPD. Dagegen bewerten insbesondere AnhängerInnen der FDP mit 58% die Ausnahmeregelungen als angemessen. Bei den Unionsanhängern halten sich Kritiker und Fürsprecher die Waage.
"Es ist erfreulich, dass der Mindestlohn nun auch von einer steigenden Zahl der FDP- sowie CDU/CSU- Anhänger positiv gesehen wird. Allerdings scheint die Akzeptanz insbesondere bei den FDP-Anhängern stark ver-knüpft zu sein mit den Möglichkeiten, bestimmte Personengruppen vom Mindestlohn auszunehmen", so DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Der DGB lehnt Mindestlohn-Ausnahmen weiterhin ab.
Verstöße gegen den Mindestlohn scheinen seit der letzten Umfrage 2015 deutlich zugenommen zu haben. 21 Prozent der Befragten (und damit sechs Prozent mehr als bei einer gleichlautenden Umfrage von März 2015) kennen Personen, die von Mindestlohnumgehungen betroffen sind. Drei Prozent leiden unmittelbar selbst darunter.
Für "äußerst bedenklich" hält Körzell die Tatsache, dass fast ein Viertel der Befragten entweder von Mindestlohnumgehungen wissen oder selbst betroffen sind. "Bei den Kontrollen muss dringend umgesteuert werden. Die Kontrollen reichen derzeit einfach nicht aus, um den schwarzen Schafen unter den Arbeitgebern deutlich zu machen, dass Mindestlohnverstöße keine Bagatellen sind und entsprechend sanktioniert werden. Das Personal der Finanzkontrolle Schwarzarbeit muss endlich auf 10.000 Stellen aufgestockt werden, wie wir es schon lange fordern. Kleinere Betriebe, gerade im Gastronomiebereich sowie im Einzelhandel, müssen verstärkt ins Visier genommen werden. Aber auch im Baubereich ist der Handlungsbedarf groß: Die Kontrollen der Bau-Branchenmindestlöhne sind massiv eingebrochen - damit haben die Umgehungsfälle zugenommen."
Auch deshalb sei es "unverantwortlich, wenn die Union jetzt des Mindestlohngesetz aufweichen will", wie sie es in ihrem Wahlprogramm angekündigt hat. "Ohne detaillierte und tägliche Arbeitszeitaufzeichnung werden die Kontrollen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit massiv erschwert. Das ist geradezu eine Einladung an die Arbeitgeber, beim Mindestlohn zu tricksen. Das ist vor allem bitter für die Beschäftigten, bedeutet Einnahmeausfälle für die Sozialkassen und schadet auch den Arbeitgebern die sich an Gesetze halten und den Mindestlohn korrekt zahlen", so Körzell. "Was die Union da will, hat letztlich Wettbewerbsverzerrungen zur Folge. Das ist vollkommen inakzeptabel."
"Das Gebot der Stunde muss sein, die neue Regelung für die Fleischindustrie auf alle Wirtschaftszweige zu übertragen: Danach sind Anfang und Ende der täglichen Arbeitszeit täglich aufzuschreiben. Nur so sind effektive Kontrollen und die Eindämmung der Mindestlohnverstöße möglich", so Körzell weiter.
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Eine Studie von infratest dimap im Auftrag des DGB Juli 2017