Deutscher Gewerkschaftsbund

20.02.2020
DGB-Initiative

"Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch"

Gewalt gegen Beschäftigte muss ein Ende haben

Gewalt gegen Beschäftigte im Dienst der Gesellschaft nimmt zu, in Jobcentern, in Kliniken, auf der Straße. Bereits mehr als zwei Drittel wurden erst kürzlich beleidigt oder sogar angegriffen. Eine neue DGB-Kampagne will das ändern.

4,74 Millionen Menschen im öffentlichen Dienst sorgen dafür, dass unser Alltag funktioniert, oft Tag und Nacht, 24/7. In einer aktuellen Umfrage im Auftrag des DGB sagten 67 Prozent der Befragten, sie seien in den vergangenen beiden Jahren Opfer von Respektlosigkeit und Gewalt geworden. 57 Prozent gaben an, dass die Gewalt zugenommen hat. Die Übergriffe reichen von Beleidigungen bis zur Bedrohung mit Waffen.

Die Ursachen müssen in den Fokus, meint Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende: „Die Beschäftigen im öffentlichen Bereich sind oftmals die Blitzableiter für Versäumnisse der Politik. Kein freier Termin auf dem Amt, fehlende Kitaplätze, verspätete Züge bei der Bahn – in den letzten Jahren wurde der öffentliche Bereich regelrecht kaputtgespart.“ Der DGB will das ändern und zudem das Bewusstsein für das Problem schärfen. Denn jeder Übergriff ist einer zu viel.

DGB-Initiative gegen Gewalt und Aggressivität

Der DGB startete dazu am 19. Februar eine breite, wirkungsstarke Initiative mit einer deutschlandweiten Plakatierung und Infoveranstaltungen. Die Motive sind einprägsam. Ein Busfahrer, eine Polizistin, ein Feuerwehrmann, eine Krankenschwester und weitere Beschäftigte zeigen Respektlosigkeiten sowie Gewalt in ihrer Arbeitswelt auf und erinnern die BetrachterInnen: „Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch“.

Die Initiative richtet sich an die breite Öffentlichkeit, aber auch an ArbeitgeberInnen, um Missstände zu beseitigen. Die Initiative soll zusätzlich konkrete Hilfestellungen bieten: Mit guter Prävention, Schutzmaßnahmen und Nachsorge sind viele Situationen vermeidbar und können von Betroffenen bewältigt werden. Hierzu wird eine zentrale Anlaufstelle geschaffen, die Infomaterial, Dienstvereinbarungen, Strategien und Beispiele guter Praxis bündelt.


Plakatmotive der DGB-Initiative "Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch!"


Gewalt gegen Beschäftigte muss ein Ende haben

Gewalt hat viele Dimensionen und reicht von Beleidigungen über Bedrohungen bis zu Verletzungen. Der DGB fordert einen öffentlichen Bewusstseinswandel, mehr Personal, sensiblere Führungskräfte, gute Schulungen und nicht zuletzt mehr Investitionen, damit Gewalt gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes und privatisierten Sektors ein Ende hat.

Immer häufiger werden Beschäftigte im Dienst der Gesellschaft Opfer von Aggressionen und Angriffen. Insbesondere PolizistInnen sind betroffen. Mit über 79.000 Angriffen auf Polizeibeamte gab es 2018 so viele Übergriffe wie nie zuvor.

 

Gewalt

Plötzlich flog ein Pflasterstein

Die Berichte von Betroffenen sind erschreckend und zeigen wie weit Gewalttätigkeiten inzwischen gehen. “Wenige Meter neben mir lockerten ein paar der Männer schwere Pflastersteine aus dem Boden. Ehe ich begriff, was geschah, flog ein Stein auf mich zu. Ich konnte den Kopf gerade noch zur Seite ziehen, sonst wäre ich heute nicht mehr hier“, berichtet Christian Greiser, Mitarbeiter im Ordnungsdienst, darüber, wie eine Standardkontrolle plötzlich eskalierte. Auch Michael Teutsch, Kraftfahrer bei der Berliner Stadtreinigung, erzählt, dass mittlerweile jeder Kollege auf dem Betriebshof schon einmal beleidigt wurde. Er selbst wurde bereits mit einem Fleischmesser bedroht. Maike Neumann ist Polizistin und stellt fest „Es ist nicht mein Job, mich permanent beleidigen zu lassen!“ Sie wurde angegriffen und in den Oberschenkel gebissen.

Was heißt Gewalt am Arbeitsplatz?

Gewalt hat viele Dimensionen. Als Gewalt am Arbeitsplatz gilt nach einer Definition der gesetzlichen Unfallversicherung und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) jede Handlung, Begebenheit oder vom angemessenen Benehmen abweichendes Verhalten, durch die eine Person schwer beleidigt, bedroht, verletzt oder verwundet wird.
Gewalttätige Handlungen sind nicht vorhersehbar. Es gibt jedoch Faktoren, die das Risiko für einen Übergriff verstärken. Besonders betroffen sind alle Organisationen mit Publikumsverkehr oder Außendienst. Gefährdet sind MitarbeiterInnen, die mit Waren, Bargeld oder Wertsachen umgehen, Einzelarbeitsplätze haben und Kontakt mit Personen mit Erkrankungen haben, die mit erhöhter Aggressivität einhergehen oder die unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen stehen. Mit Schwierigkeiten konfrontiert sind Beschäftigte, die in Situationen arbeiten, bei denen viele Menschen zusammenkommen wie im Zugabteil. Auch Beschäftigte, die in schlecht organisierten Unternehmen oder Behörden tätig sind, sind besonders betroffen.
Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet Arbeitgeber die Beschäftigten während ihrer Arbeit zu schützen. Liegt eine Gefährdung vor, müssen laut dem Arbeitsschutzgesetz Maßnahmen ergriffen werden. Leider sieht die Praxis oft anders aus.

Folgen von Gewalt

Schwindender gesellschaftlicher Zusammenhalt

In der aktuellen DGB-Umfrage gaben 92 Prozent der Befragten an, dass es ihrer Meinung nach in der Gesellschaft teilweise an Respekt gegenüber anderen Menschen mangelt. Der Frust am Staat oder dem System wird an Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ausgelebt, meinten 86,2 Prozent der Befragten. Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende, sieht die Ursachen der zunehmenden Gewalt in aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen: „Wir haben als Gewerkschaften immer wieder davor gewarnt, dass es für die Gesellschaft nicht ohne Folgen bleibt, wenn Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge gestrichen, eingeschränkt, privatisiert oder gebührenpflichtig werden. Wir haben immer wieder davor gewarnt, Personal einzusparen und notwendige Investitionen in Gebäude, Ausrüstung und Weiterbildung zu unterlassen. Die Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst und privatisierten Dienstleistungssektor ist, da bin ich mir sicher, auch ein Symptom des schwindenden gesellschaftlichen Zusammenhalts und als Folge eines zu schlanken Staats zu bewerten.“ Zur DGB-Webseite www.dgb.de/mensch

Das Video zur DGB-Initiative "Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch!"



Was muss sich ändern?

Die Forderungen des DGB und seiner Gewerkschaften:

1. Verlässliche Zahlen zu Übergriffen

2. Ein öffentlicher Bewusstseinswandel

3. Mehr Personal und bessere Ausstattung

4. Schulungen und Gesundheitsmanagement

5. Führungskräfte sensibilisieren zum Thema Gewalt

6. Mehr Investitionen in Infrastruktur und Daseinsvorsorge

Ratgeber: Prävention, Risikobewertung und Co.

Wer hilft? AnsprechpartnerInnen für Betroffene, ArbeitgeberInnen und Personal-/Betriebsräte gibt es in jeder Gewerkschaft, bei den Unfallkassen und bei der Polizei. Adressen und weitere Informationen bietet auch die neue Broschüre des DGB „Wider die Normalisierung!“

  1. Strukturen schaffen und Verantwortlichkeiten benennen
    Ausgangspunkt sollte ein Steuerungsgremium sein und die Klärung, wer für was verantwortlich ist.
  2. Ziele setzen
    Konkrete Ziele anhand der Leitfrage „Was soll sich in zwei Jahren verändert haben?“ müssen festgelegt und messbar sein.
  3. Analyse mit Überblick über die Gefährdungslage
    Mögliche Formen von Gewalt und entsprechende Situationen sollten identifiziert werden.
  4. Risikobewertung mit Einordnung der Vorkommnisse in Gefährdungsstufen
    Die Einstufung von Risiken kann gut mit Hilfe des sog. Aachener Modells erfolgen.
  5. Bewerten bestehender Präventionsmaßnahmen
    Bestehende Maßnahmen, deren Erfolge und Bereiche, in denen Maßnahmen fehlen sollten identifiziert sein.
  6. Maßnahmen ableiten und umsetzen
    Aus der Analyse und der Risikobewertung ergeben sich Handlungsansätze.
  7. Wirksamkeit prüfen und verbessern
    Gewaltprävention muss immer wieder angepasst werden an sich verändernde Rahmenbedingungen.

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