Der Software-Einzelhändler GameStop wurde zum Spielball für die Finanzmärkte. Mächtige Hedgefonds haben gegen das angeschlagene Unternehmen gewettet und wollten ordentlich Kasse machen. Zahlreiche Kleinanleger haben sich dem entgegengestellt und die Mächtigen ins Wanken gebracht. Der Fall zeigt, wie sehr unser Finanzsystem zu einem Casino verkommen ist.
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Es klingt wie „David gegen Goliath“, was sich aktuell auf den Finanzmärkten abspielt: Auf der einen Seite Kleinanleger, auf der anderen Seite mächtige Hedgefonds. Zum Spielball wurden die Aktien des Software-Einzelhändlers GameStop (14.000 Mitarbeiter weltweit, 200 Filialen allein in Deutschland).
In den vergangenen Jahren liefen dessen Geschäfte nicht so gut – auch aufgrund der Online-Konkurrenz. Das rief institutionelle Investoren auf den Plan, allen voran Hedgefonds, die auf einen Niedergang des Unternehmens wetteten und mit Leerverkäufen ordentlich Kasse machen wollten. Die finanzielle Macht dieser Fonds ist enorm. Das verwaltete Vermögen beläuft sich auf über 3,1 Billionen US-Dollar (siehe Abbildung).
Bei Leerverkäufen leihen sich Investoren Wertpapiere und verkaufen sie sofort wieder. Fallen die Kurse zu einem bestimmen Stichtag, können die Papiere für weniger Geld zurückgekauft und dem ursprünglichen Verleiher zurückgegeben werden. Die Spanne zwischen Verkaufs- und Rückkaufspreis ist der Gewinn. Steigen die Kurse allerdings, bricht das spekulative Kartenhaus zusammen.
So war es jetzt im Fall GameStop. Denn zahlreiche internetaffine Kleinanleger riefen über soziale Netzwerke dazu auf, mittels Finanz-Plattformen Aktien von GameStop zu kaufen, um damit den Kurs nach oben zu treiben und den Hedgefonds so ein Schnippchen zu schlagen. Im Laufe der Zeit entwickelte sich ein digitaler Flashmob, bei dem mehr und mehr Personen Aktien kauften.
Folge: Der Aktienkurs von GameStop stieg seit Jahresbeginn von 15 Euro auf zwischenzeitlich über 400 Euro. Der Handel florierte so sehr, dass die Plattformen kurzzeitig den Handel aussetzen – zum Ärger vieler Nutzer. Nun geraten die Hedgefonds, die ja eigentlich auf sinkende Kurse spekuliert haben, in finanzielle Schieflage. Besonders der Fonds Melvin Capital hat sich ordentlich verzockt. Der Ausgang dieses Vabanque-Spiels ist noch ungewiss. Doch GameStop ist wohl kein Einzelfall. Das Modell des orchestrierten Aktienkaufes durch Kleinanleger könnte Schule machen.
DGB / Quelle: Statista
Interessant ist: Börsenprofis wurden im Kontext der Kleinanleger-Revolte bei GameStop nicht müde zu betonen, dass die zeitweilig hohen Kurse, nicht „von Fundamentaldaten“ (also der realen wirtschaftlichen Lage des Einzelhändlers) gedeckt seien. Genau das ist aber nichts Neues und wohl eher die Regel als die Ausnahme an den Finanzmärkten.
Insofern illustriert das Spektakel vor allem, wie stark unser Finanzsystem zu einem Casino verkommen ist. Oft genug folgen die Börsenkurse eher einem prozyklischen Herdenverhalten als einer an realen Maßstäben orientierten Bewertung. Ob sie dabei von einem mächtigen Zocker-Fonds oder vielen kleinen Einzelinvestoren getrieben werden, ist eher Nebensache. Es ist klar: Finanzmärkte sind keine „effizienten Märkte“.
Fakt ist: Die Spekulation an den Börsen kann auch die reale Wirtschaft bedrohen. Insbesondere, weil viele Banken eng mit dem sogenannten Schattenbankensektor (Hedgefonds etc.) vernetzt sind. Deshalb braucht es eine umfassende Regulierung aller Bereiche der Finanzmärkte. Auch ein Verbot von ungedeckten Leerverkäufen gehört dazu, denn diese Geschäfte stiften keinen volkswirtschaftlichen Nutzen, sondern sind reine Wettspiele.