Deutscher Gewerkschaftsbund

28.09.2018
DGB-Verteilungsbericht 2018

Löhne, Mieten, Steuern - Schieflage beseitigen!

Die Wirtschaft brummt, der Wohlstand wächst - aber nicht für alle. Trotz der guten Konjunktur gibt es in Deutschland immer mehr Einkommens- und Vermögensschwache. Der DGB-Verteilungsbericht zeigt, wie sich die extreme Ungleichheit in den letzten Jahren entwickelt hat und welche Probleme sie schafft - zum Beispiel auf dem Wohnungsmarkt.

Männlcihe Hand mit mehreren Stapeln Münzen

DGB/Papan Saenkutrueang/123rf.com

"Trotz guter wirtschaftlicher Lage geht die Schere zwischen Einkommen und Vermögen immer weiter auseinander. Das hat viel mit der jahrelangen Umverteilung von unten nach oben zu tun. Ungleichheit schadet aber Wirtschaft und Gesellschaft gleichermaßen, weil sie den sozialen Kitt bröckeln lässt", erklärt DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. "Deshalb müssen wir etwas gegen Ungleichheit tun, sie ist nicht in Stein gemeißelt."

"Höchste Zeit für Investitionsoffensive"

"Wir brauchen Jobs mit anständigen Löhnen, guten Arbeitsbedingungen und fairer Mitbestimmung", so Körzell. "Ein gerechteres Steuersystem sollte sehr hohe Einkommen und Vermögen stärker in die Pflicht nehmen. Außerdem brauchen wir eine neue Wohnpolitik. Viele Arbeitnehmer können sich in vielen Städten schlichtweg keine Wohnung mehr leisten und müssen immer weiter pendeln. Damit muss Schluss sein: Es ist höchste Zeit für eine Investitionsoffensive in den sozialen und bezahlbaren Wohnungsbau."


DGB Verteilungsbericht 2018 - Die zentralen Ergebnisse

  • Gesamtwirtschaftliche Lohnposition: Lohnquote bewegt sich seitwärts

    • Im Jahr 2017 betrug der Anteil der Arbeitnehmerentgelte gemessen am Volkseinkommen 68,8%. Damit bewegt sich die Lohnquote seit einigen Jahren seitwärts, liegt jedoch unterhalb des Niveaus der Jahrtausendwende.
    • In den meisten industrialisierten Ländern sinkt die Lohnquote im langfristigen Trend.
    • Die nominalen Bruttolöhne stiegen im Jahr 2017 mit einem Plus von 2,7% stärker als im Vorjahr.
    • Allerdings konnte der neutrale Verteilungsspielraum im Jahr 2017 nicht ganz ausgeschöpft werden (- 0,2%). Dies lag in erster Linie an einer im Vergleich zu den Vorjahren anziehenden Preisentwicklung (1,8%).
    • Seit dem Jahr 2010 konnte der Verteilungsspielraum im Durchschnitt hingegen gesamtwirtschaftlich ausgeschöpft werden, was die negative Entwicklung zuvor allerdings bisher noch nicht ausgleicht.
  • Arbeitseinkommen: Leichte Reallohnzuwächse

    • Seit dem Jahr 2000 wuchsen die nominalen Bruttolöhne im Jahresdurchschnitt um 1,9%, seit dem Jahr 2010 um 2,7%.
    • Die realen Bruttolöhne stiegen im letzten Jahr um 0,9% und damit etwas schwächer als in den Jahren zuvor. Seit der Jahrtausendwende entwickelten sie sich durchschnittlich nur um 0,4%, seit 2010 um 1,4%.
    • Eine ähnliche Entwicklung ist bei den realen Nettolöhnen zu verzeichnen. Sie stiegen 2017 um 0,7%, seit dem Jahr 2000 im Jahresdurchschnitt um 0,4%.
    • Im internationalen Vergleich rangiert Deutschland bei der realen Einkommensentwicklung im unteren Mittelfeld.
    • Für das letzte Jahr 2017 ergibt sich eine leicht positive Lohndrift (0,3%), d. h., die gesamtwirtschaftlichen Effektivlöhne stiegen etwas stärker als die Tariflöhne.
    • Das durchschnittliche Tarifniveau ostdeutscher Beschäftigter belief sich im Jahr 2017 auf 97,5% des westdeutschen Niveaus. Größere innerdeutsche Abweichungen sind allerdings bei den Effektivlöhnen zu verzeichnen. Durchschnittlich verdient ein/e Beschäftigte/r im Ostteil des Landes 83% des westdeutschen Lohnniveaus. Damit stagniert die Ost-West Angleichung de facto seit 20 Jahren.
    • Die Lohnangleichung zwischen Ost und West ist von Branche zu Branche recht unterschiedlich. Während Beschäftigte in Erziehung und Unterricht nahezu ähnliche Einkommen generieren, sind die Verdienstunterschiede im Verarbeitenden Gewerbe am größten.
  • Kapitaleinkommen: Nach wie vor auf hohem Niveau

    • Die Unternehmens- und Vermögenseinkommen stiegen seit der Jahrtausendwende mit jahresdurchschnittlich 3,3% stärker als die Arbeitnehmerentgelte (+2,4%). Dies führt unweigerlich dazu, dass die relative Bedeutung der Unternehmens- und Vermögenseinkommen für das Volkseinkommen stetig zunimmt. Am aktuellen Rand zeichnet sich hingegen eine entgegengesetzte Entwicklung ab, mit stärker steigenden Arbeitnehmerentgelten als Unternehmens- und Vermögenseinkommen.
    • Das Volkseinkommen wuchs seit dem Jahr 2000 im Mittel um 2,7%.
    • Real entwickelten sich die Kapitaleinkommen in den letzten 17 Jahren um 38%, die Arbeitnehmerentgelte hingegen nur um 17% und das Volkseinkommen um 23%.
    • Die Einkommen der Kapitalgesellschaften entwickelten sich recht unterschiedlich und entsprechend des Konjunkturverlaufes. Seit dem Jahr 2000 vermehrten sich ihre Gewinne durchschnittlich um 3,7%, wenngleich die Gewinne seit 2010 etwas zurückgingen.
    • Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften erzielten in den vergangenen Jahren durchschnittlich höhere Gewinne bzw. geringere Verluste als finanzielle Kapitalgesellschaften. Letztere hatten insbesondere mit den Turbulenzen an den internationalen Finanz- und Kapitalmärkten zu kämpfen.
    • Die Unternehmensgewinne der privaten Haushalte entwickelten sich seit dem Jahr 2000 mit +2,8% im Durchschnitt geringer als die der Kapitalgesellschaften. Allerdings konnten die Betriebsüberschüsse der privaten Haushalte in den letzten Jahren etwas stärker zulegen.
    • Die Vermögenseinkommen der privaten Haushalte wuchsen im Mittel um 1,7% seit dem Jahr 2000.
  • Einkommensverteilung: Unterschiede zwischen den Geschlechtern sehr hoch

    • Die Einkommensungleichheit in Deutschland bewegt sich auf einem hohen Niveau.
    • Die 20% Einkommensärmeren mussten seit Anfang der 1990er Jahre reale Einkommensverluste hinnehmen, während das reichste Zehntel reale Einkommenszuwächse von 30% erhielt.
    • Die Einkommensarmut ist kein Randphänomen, sondern es stellt ein gesamtgesellschaftliches Problem dar. Derzeit gilt jede/r Sechste als einkommensarm.
    • Besonders Frauen sowie junge und ältere Menschen weisen ein höheres Risiko auf, in Armut zu geraten. Das Armutsrisiko fällt je nach Bundesland recht unterschiedlich aus. Das höchste Armutsrisiko gibt es in Bremen, das geringste in Baden-Württemberg.
    • Auf der anderen Seite der Einkommensspirale sieht die Gegenwart hingegen rosig aus. Ein Dax-Vorstandsvorsitzender bezog im Jahr 2017 durchschnittlich das 85fache eines/-r Unternehmensmitarbeiters/-in. Der Gesamtvorstand eines DAX-Unternehmen konnte im Jahr 2017 durchschnittlich das 68fache eines Unternehmensmitarbeiters erzielen. Unter den DAX-Unternehmen gibt es große Unterschiede.
    • Im internationalen Vergleich liegt Deutschland bei der Einkommensverteilung im Mittelfeld. Die einkommensreichsten 10% versammeln rund 23% der Gesamteinkommen.
    • In den neuen Bundesländern sind die Einkommen im Vergleich zu den alten Bundesländern gerechter verteilt.
    • Die Verdienstlücke zwischen Frauen und Männern (Gender Pay Gap) ist in Deutschland, auch im internationalen Vergleich, sehr hoch. Frauen verdienen im Schnitt rund 21% weniger als ihre männlichen Kollegen. Die Verdienstunterschiede fallen je nach Branche unterschiedlich und mit steigenden Tätigkeitsanforderungen höher aus.
    • Die geschlechtsspezifische Verdienstlücke hat auch Auswirkungen auf die Alterssicherung. Ein geringes Einkommen während des Erwerbslebens führt auch zu geringeren Rentenansprüchen im Alter. Die Rentenlücke, Gender Pension Gap, ist hierzulande unter den OECD-Staaten am größten. Demnach beziehen Frauen im Durchschnitt ein um 46% geringeres Alterseinkommen, inklusive betriebliche und private Sicherung, als männliche Rentner.
  • Vermögensverteilung: Extrem ungleich

    • Das gesamte Nettovermögen in Deutschland ist seit der Jahrtausendwende um 75% gewachsen.
    • Die Vermögen sind in Deutschland extrem ungleich verteilt. Die reichsten 10% der Bevölkerung verfügen über 65%, das wohlhabendste 1% über 32% des Gesamtnettovermögens. Am anderen Ende der Vermögensverteilung besitzen 50% der Bevölkerung gerade einmal 2,4% des Gesamtvermögens. 30% der Erwachsenen haben so gut wie kein Vermögen oder haben gar Schulden.
    • Die Vermögenskonzentration und -ungleichheit in Deutschland ist im internationalen Vergleich sehr groß. Hierzulande besitzen die vermögendsten 1% so viel wie 88,2% der Bundesbürger/-innen.
    • Seit dem Jahr 2000 ist die Ungleichheit der Vermögen, gemessen am Gini-Koeffizient, um knapp 16% gestiegen.
    • Die vermögensten 10% in Deutschland verfügen über mehr als das 27fache der vermögensärmeren Hälfte.
    • Ungleichheit ist ein globales Problem. Weltweit verfügen 36 Millionen oder 0,7% der erwachsenen Bevölkerung über fast die Hälfte des gesamten globalen Vermögens, hingegen drei Viertel der erwachsenen Weltbevölkerung oder 3,5 Milliarden Menschen lediglich über 2,7%.
    • Insbesondere die Gruppe der Reichen und Superreichen konnte ihr Vermögen stetig mehren. Die Zahl der Millionäre und ihr aggregiertes Vermögen rangiert auf einem historischen Allzeithoch, in allen Teilen der Welt. In Europa besitzen rund 4,5 Millionen Menschen über 14,7 Billionen US-Dollar.
    • Die Zahl der sehr reichen Personen nimmt im Zeitverlauf zu. Unter 100.000 Bundesbürger/-innen gibt es durchschnittlich 10,7 Personen mit einem Vermögen von mehr als 50 Millionen US-Dollar. Ein/e Arbeitnehmer/-in mit einem durchschnittlichen Nettojahreseinkommen müsste für dieses Vermögen insgesamt 2.200 Jahre unentwegt arbeiten, ohne in der Zeit auch nur einen Cent ausgeben zu dürfen.
    • Das Aufkommen aus vermögensbezogenen Steuern ist in der Bundesrepublik sehr gering. Lediglich 2,9% des Gesamtsteueraufkommens werden aus vermögensbezogenen Steuerarten generiert. Deutschland befindet sich damit im internationalen Ranking in der Schlussgruppe.
    • Würde Deutschland ein Aufkommen aus vermögensbezogener Besteuerung des OECD-Durchschnitts generieren, ergäben sich für den Fiskus jährliche Steuermehreinnahmen von 33 Milliarden Euro.
  • Wohnungspolitik ist auch Verteilungspolitik: Enormer Bedarf an sozialem Wohnungsbau

    • Die Verteilung materieller Ressourcen spiegelt sich auch in der Wohnungssituation wider.
    • Während auf der einen Seite der Bau von Eigentumswohnungen und Luxuswohnungen boomt, werden auf der anderen Seite immer mehr Sozialwohnungen in Wohneigentum umgewandelt.
    • Deutschlandweit fehlen 800.000 Wohnungen, vor allem Sozialwohnungen.
    • Etwa 40% aller Haushalte müssen hierzulande mehr als 30% ihres Einkommens für die Miete aufwenden, fast 20% zahlen mehr als 40% ihres Einkommens für die Miete.
    • Besonders geringe Einkommen weisen eine hohe Mietbelastung auf. Während Haushalte mit weniger als 10% Mietbelastung über durchschnittlich mehr als 2.000 Euro pro Person verfügen, sind es bei Haushalten mit einer Belastung durch die Miete von 40-45% rund 730 Euro.

Der komplette Report mit allen Ergebnissen, Grafiken und Forderungen an die Politik zum Download:

DGB Verteilungsbericht 2018: Löhne, Mieten, Steuern - Schieflage beseitigen! (PDF, 1 MB)

Die Wirtschaft brummt, der Wohlstand wächst - aber nicht für alle. Trotz der guten Konjunktur gibt es in Deutschland immer mehr Einkommens- und Vermögensschwache. Der DGB Verteilungsbericht zeigt, wie sich die extreme Ungleichheit in den letzten Jahren entwickelt hat und welche Probleme sie schafft - zum Beispiel auf dem Wohnungsmarkt. DGB Bundesvorstand, Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik, September 2018.


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