Deutscher Gewerkschaftsbund

18.02.2019

Grundrente: Ein guter Vorschlag für ein gutes Stück gesellschaftliche Gerechtigkeit

Der Bundesarbeitsminister hat einen Vorschlag zur Grundrente vorgelegt. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern nun die schnelle Umsetzung des Modells ohne Änderungen. Kritiker sehen durch diese Grundrente ohne die Überprüfung der persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse neue gesellschaftliche Ungerechtigkeiten drohen. Doch ihre Argumente sind bei genauem Hinsehen nicht haltbar.

Männlcihe Hand mit mehreren Stapeln Münzen

DGB/Papan Saenkutrueang/123rf.com

Mit der Grundrente hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) einen Vorschlag vorgelegt, den der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften unterstützen. Die Grundrente soll bekommen, wer mindestens 35 Jahre Beiträge gezahlt, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat. Die Rente wird dann um bis zu 448 Euro erhöht, abhängig von der Höhe der eigenen Beiträge. Wer im Mittel der 35 Jahre mindestens 40 Prozent des durchschnittlichen Lohns hatte, hat dann eine Rente von 896 Euro. Beschäftigten die viele Jahre zu geringen Löhnen arbeiten mussten sollen am Ende nicht in die Grundsicherung fallen, sondern eine ausreichende gesetzliche Rente ohne Bedürftigkeitsprüfung bekommen. Ergänzend soll das Wohngeld verbessert werden, damit die Rente auch bei höheren Wohnkosten noch ausreichend ist.

Nicht nur aus den anderen Parteien kommt Kritik. Die Grundrente nach 35 Beitragsjahren ohne Bedürftigkeitsprüfung schaffe neue gesellschaftliche Ungerechtigkeiten, weil viele Menschen sie unberechtigerweise bekommen könnten. Überdies sei ungerecht, wieso jemand, der oder die nur 34 Jahre eingezahlt hat, die Grundrente nicht bekommt. Doch trotz vielfacher Wiederholung werden diese Kritiken nicht richtiger. Die Grundrente setzt nicht an der Bedürftigkeit an, sondern gewährt pauschalierend eine Anerkennung für lange Beitragszeiten und für die Lebensleistung. Die Gründe, warum Menschen in Teilzeit oder zu niedrigen Löhnen arbeiten, sind vielfältig. Das muss bei einem Instrument wie der Grundrente berücksichtigt werden. Die Anerkennung der Lebensleistung beginnt nicht bei der Grundsicherung und darf nicht daran gemessen werden, ob jemand ein bisschen mehr Geld im Haushalt hat, als ein politisch festgelegtes Existenzminimum vorschreibt.

Zudem treffe die Bedürftigkeitsprüfung in erster Linie reiche Haushalte und helfe Missbrauch und damit Ungerechtigkeit zu vermeiden, so ein weiteres Argument der KritikerInnen. Das Gegenteil ist der Fall.

Ein Mann hat 45 Jahren lang durchschnittlich rund 3200 im Monat verdient. Er bekommt eine Rente von 1.285 Euro ausgezahlt. Er lebt mit einer Frau zusammen, die ein Kind erzogen hat und noch 35 Jahre für monatlich 1000 Euro arbeiten gegangen ist. Sie bekommt 395 Euro Rente. Zusammen haben sie 1.680 Euro. Bei einer Miete von 700 Euro haben sie 220 Euro mehr als das Existenzminimum. An einer Bedürftigkeitsprüfung, wie die Kritiker sie fordern, würden sie scheitern und ihr Alterseinkommen würde trotz jahrzehntelanger Arbeit nicht erhöht. Im Vorschlag von Heil bekäme das Paar eine rund 300 Euro höhere Rente ausgezahlt. Von derlei Beispielen dürften weit mehr Menschen betroffen sein, als die vielgenannten „Arztgattinnen“.

Von der Grundrente nach Heils Modell wären rund drei Millionen Menschen betroffen, rund zwei Millionen davon Frauen. Nach einer Bedürftigkeitsprüfung wie beschrieben nur rund 130.000 Menschen. Was soll daran gerechter sein?

Eine weitere Kritik lautet, dass es ungerecht sei, wenn jemand 34 Jahre einzahlt habe und keine Grundrente bekomme. Doch auch das ist nicht haltbar. Denn rund 75 Prozent der AltersrenterInnen mit weniger als 35 Beitragsjahren erreichen keine 30 Beitragsjahre. Von „knapp verpasst“ kann also bei der Mehrheit der Betroffenen keine Rede sein. Zudem: Würden weniger Beitragsjahre zur Grundrente reichen, käme am Ende weniger als das Existenzminimum heraus. Nach dem Modell von Hubertus Heil soll die Rente bei denjenigen erhöht werden, die im Durchschnitt 35 Jahre lang mindestens 0,2 und höchstens 0,8 Entgeltpunkte erworben haben. Aus beispielsweise 30 Beitragsjahren ergibt sich danach eine ausgezahlte Rente von 684 Euro im Monat; deutlich weniger als die Grundrente. Ein deutlich reduzierte Wartezeit würde also die Kosten für die Grundrente nach oben treiben und überdies den Betroffenen kaum noch helfen.

Fazit: Die Grundrente erreicht zwei Ziele. Sie bewahrt den Grundgedanken der Rentenversicherung: Wer mehr eingezahlt, bekommt auch mehr. Und die Verantwortung für aus Niedriglöhnen oder unfreiwilliger Teilzeit resultierenden Armutsrenten liegt in erheblichem Maße bei den Unternehmen und der gesamten Gesellschaft. Deshalb ist eine Finanzierung der Grundrente aus Steuermitteln richtig und gerecht. Das Modell von Hubertus Heil ist ein gut durchdachter Vorschlag. Er muss nun schnell umgesetzt werden.


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