Deutscher Gewerkschaftsbund

02.12.2010

Aufsichtsrat des Monats 11/10: Es kommt anders als man denkt

Timo Lage; Aufsichtsrat bei Gigaset Communications GmbH

Timo Lage; Vorsitzender des Gesamtbetriebrats und Aufsichtsrat der Gigaset Communications GmbH. Foto: Privat

Aufsichtsrat des Monats November ist Timo Lage. Der 32-jährige gelernte Industrieelektroniker vertritt die Interessen der ArbeitnehmerInnen bei Gigaset Communications GmbH – einem global agierenden Hersteller schnurloser Telefone. Als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats und Betriebsratsmitglied am Standort Bocholt ist ihm ganz wichtig: „Im Aufsichtsrat geht es nicht darum, gegen etwas zu sein, sondern zu zeigen, wie man es besser machen kann.“ Die Beschäftigten sollen über alle Entscheidung in den Gremien aufgeklärt werden. Was das bedeutet, erklärt Lage im aktuellen Fragebogen zur DGB-Aktion „Aufsichtsrat des Monats“.

1. Wenn es keine mitbestimmten Aufsichtsräte gäbe, müsste man sie erfinden, weil…

gerade die betrieblichen Erfahrungen der Arbeitsnehmervertreterinnen und Arbeitnehmervertreter ein wichtiger Bestandteil bei Entscheidungen im Aufsichtsrat sein müssen. Bei vielen und vor allem gravierenden Maßnahmen können so auch die Folgen für die Beschäftigten in die Beratungen mit einfließen und berücksichtigt werden. In einem Aufsichtsrat mit Drittel-Beteiligung, wie in unserem Unternehmen, kommt es darum ganz besonders auf frühzeitige und umfassende Information an.

2. Wenn Sie einen Aspekt des deutschen Mitbestimmungsmodells weltweit einführen dürften: Welcher wäre das – und warum?

Die paritätische Mitbestimmung wie sie in der Montanmitbestimmung vorgesehen ist. Diese gewährleistet, dass sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf „gleicher Augenhöhe“ begegnen können.

3. Wenn die Arbeitnehmerseite nicht aus betrieblichen und externen VertreterInnen zusammengesetzt wäre – was würde dem Aufsichtsrat fehlen

Ganz eindeutig würde ein solcher Aufsichtsrat mit eingeschränktem Blickfeld arbeiten. Betrieblicher und externer Sachverstand deckt wichtige Bereiche ab, die für zukunftsfähige Entscheidungen von zentraler Bedeutung sind.

4. Was war bisher Ihr größter Erfolg, den Sie gemeinsam im Aufsichtsrat durchsetzen konnten?

Da wir erst seit gut einem Jahr in dieser Form existieren, war ein erster großer Meilenstein, dass uns das Unternehmen nun ein monatliches Reporting garantiert und sich bisher auch daran gehalten hat. Damit haben wir als Arbeitnehmervertreter regelmäßige, gesicherte Informationen über anstehende Themen und Entscheidungen.

5. …und was das größte Ärgernis im Laufe Ihrer Aufsichtsratstätigkeit?

Zum einen ist bei der Konstituierung des Aufsichtsrates nicht alles so gelaufen, wie wir es uns vorgestellt haben. Beim Verkauf einer Sparte fühlten wir uns nicht ausreichend informiert und in die Beratung einbezogen. Auch wenn diese Entscheidung im Nachhinein Sinn gemacht hat, so hätten wir hierbei gerne ein Wort mitgesprochen. Denn dabei ging es vorrangig um die Interessen aller Beschäftigten. Wir hatten den Eindruck, dass die Anteilseignervertreter nach dem Motto verfahren sind: „Mit der Drittel-Beteiligung können die ja eh nichts machen.“

6. Mit Blick auf Europa und die Globalisierung: Muss sich die Arbeit der Aufsichtsräte noch weiter internationalisieren?

Ganz entschieden ja. Denn es muss verhindert werden, dass Standorte und Beschäftigte in verschiedenen Ländern gegeneinander ausgespielt werden. Gerade wenn beispielsweise die Gründung eines Euro-Betriebsrates nicht möglich ist, muss die Stimme der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Aufsichtsrat gehört werden. Informationen von allen betroffenen Standorten müssen Arbeitnehmervertretern zugänglich gemacht werden.

7. Der Aufsichtsrat unterstützt gute und sozial verantwortungsvolle Unternehmensführung, indem…

wir zurzeit erstmal damit beschäftigt sind, die sozialen Errungenschaften aus der Vergangenheit zu schützen. Denn vieles stammt noch aus der Zeit, als unser Unternehmen noch Bestandteil des Siemens-Konzerns war.

8. Wer reagiert am positivsten auf Ihre Arbeit im Aufsichtsrat, wer weniger positiv?

Kritisch wird unsere Beteiligung von den Shareholdern gesehen – da bin ich mir sicher. Allerdings sieht die Geschäftsführung unser Mitwirken zusehends positiv. Die realisieren, dass wir an einer Weiterentwicklung des Unternehmens ernsthaft interessiert sind. Auf unsere Kolleginnen und Kollegen bezogen will ich vor allem durch Transparenz für noch mehr Akzeptanz sorgen, soweit möglich im Rahmen der Verschwiegenheitspflicht des Aufsichtsrats. Da wir erst seit einem Jahr bestehen, ist den Beschäftigten noch nicht ganz klar, was im Aufsichtsrat läuft. Das heißt: Ich will bei wichtigen Themen und Entscheidungen meine Position darstellen.

9. Das Wort, das in Vorbesprechungen der Arbeitnehmervertreter vor Aufsichtsratssitzungen am häufigsten fällt, ist…

„Die Informationen liegen uns nicht vollständig und nicht rechtzeitig vor.“

10. Action, Komödie, Tragödie, Krimi, Liebesfilm – welches Genre beschreibt Ihren Aufsichtsrat am besten? Und welchen Titel hätte ein Film über das Gremium?

Es hat was von einem Krimi, mit manchmal komödiantischen Zwischentönen. Denn dreimal ist bisher der Aufsichtsrat neu zusammengestellt worden. In den Medien wird zurzeit spekuliert, ob unser Unternehmen in eine AG umgewandelt wird. Passender Titel momentan: „Es kommt anders, als man denkt“.


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