Deutscher Gewerkschaftsbund

Von Amtsangemessenheit bis Zulagenwesen

28.05.2015
Beamtenmagazin 05/2015 – Titel

Richter-Besoldung: Gerechtes Einkommen per Gerichtsurteil?

Bundesverfassungsgericht urteilt über Alimentation

Das Bundesverfassungsgericht hat am 5. Mai dieses Jahres verkündet, nach welchen Kriterien sich die Amtsangemessenheit der Alimentation der Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte bemisst und wann diese als evident unzureichend anzusehen ist. Das Urteil könnte auch für die Beamtenbesoldung mehr Klarheit bringen.

Dem Bundesverfassungsgericht lagen sieben Verfahren zur Entscheidung vor, die die Frage der Amtsangemessenheit der R1- sowie R3- Besoldung zum Gegenstand hatten. Die Kläger, die aus Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz kamen, hielten ihre Bezüge für mit dem in Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz (GG) verankerten Alimentationsgebot unvereinbar. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte diese Rechtsauffassung im Falle der Kläger aus Sachsen-Anhalt (Az. 2 BvL 17/09 u. a.). Neben einer umfassenden Begründungspflicht des Gesetzgebers legte das Gericht in drei Prüfungsschritten fest, nach welchen Kriterien die Amtsangemessenheit der Alimentation zu bewerten ist.

Beamtenmagazin 05/2015 - Titel zur Richter-Besoldung

DGB Beamtenmagazin 05/2015

Schritt 1: Die Einzelbetrachtung

„Ob der Gesetzgeber seiner Pflicht zur Anpassung der Alimentierung an die allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse bei der Fortschreibung der Besoldungshöhe nachkommt, zeigt sich vielmehr erst anhand einer Gegenüberstellung der Besoldungsentwicklung einerseits mit verschiedenen Vergleichsgrößen andererseits über einen aussagekräftigen Zeitraum hinweg“, heißt es in der Urteilsbegründung.

Als Vergleichsgrößen benennt das Bundesverfassungsgericht fünf Parameter. Weisen von diesen mindestens drei auf eine verfassungswidrige Unteralimentation hin, so sei im Prüfungsschritt 2 eine Gesamtabwägung vorzunehmen.

Parameter 1 – Tarifergebnisse im öffentlichen Dienst

Eine zu betrachtende Vergleichsgröße sei laut Gericht die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst. Ergebe ein Vergleich der Besoldungsentwicklung mit dieser eine deutliche Differenz, weise dies auf eine evident unzureichende Besoldung hin. Eine strikte Parallelität beider sei demnach nicht erforderlich. Vielmehr liege eine deutlich sichtbare Abkopplung der Besoldungs- von der Tarifentwicklung in der Regel dann vor, wenn die Differenz mindestens 5 Prozent betrage. Bei der dabei zu berücksichtigenden Zeitspanne müsse zum einen ausgehend vom fraglichen Zeitpunkt der Zeitraum der zurückliegenden 15 Jahre betrachtet werden. Zudem habe man einen gleichlangen Zeitraum, der fünf Jahre vor dem zuvor genannten beginnt. Stellt sich also die Frage, ob die Besoldung im Jahr 2015 gegen das in Art. 33 Abs. 5 GG verankerte Alimentationsprinzip verstößt, dann wäre die Besoldungs- und Tarifentwicklung von 2001 bis 2015 sowie von 1996 bis 2010 zu betrachten. Auf diese Weise möchte das Gericht statistische Ausreißer hinreichend bereinigen. Ist eine solche Staffelprüfung allerdings mangels aussagekräftiger Daten nicht möglich, genüge die Berücksichtigung der letzten 15 Jahre.

Parameter 2 – Nominallohnindex

Als weiteres Kriterium nennt das Bundesverfassungsgericht den Nominallohnindex des jeweils betroffenen Landes (beim Dienstherrn Bund die bundesweite Erhebung), der die Verdienstentwicklung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem ausweist. Diese der Besoldungsentwicklung gegenüberzustellen, diene der hinreichenden Berücksichtigung der Einkommens- und Wohlstandsentwicklung der abhängig Beschäftigten. Da der Nominallohnindex auf deren Bruttolöhnen basiert, müsse im Sinne der Vergleichbarkeit auf die Brutto- und nicht wie bislang auf die Nettobesoldung abgestellt werden. Der Betrachtungszeitraum sei auch hier zum einen die Zeitspanne von 15 Jahren vor dem fraglichen Jahr sowie ein ebenso langer, sich mit dieser fünf Jahre überlappender Zeitraum. Bleibt die Besoldungsentwicklung mindestens 5 Prozent hinter der des Nominallohns im gleichen Zeitraum zurück, so sei dies ebenfalls ein Indiz für einen Verstoß gegen das Alimentationsgebot, so die Richterinnen und Richter.

Parameter 3 – Verbraucherpreisindex

Zudem soll der Verbraucherpreisindex in den genannten Zeiträumen betrachtet werden. Der Bezug zu diesem erfülle die Voraussetzung des Alimentationsprinzips, dass die Besoldung die Grundbedürfnisse der bzw. des Betroffenen hinreichend befriedigen und einen dem Amt angemessenen Lebensunterhalt gewährleistet. Dabei seien die Verbraucherpreise im jeweiligen Land bzw. bei der Bundesbesoldung auf Bundesebene in Bezug zu nehmen. Bleibt die Besoldungsentwicklung um 5 Prozent hinter der Entwicklung der Verbraucherpreise zurück, so ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts auch dies ein Hinweis auf eine evident unangemessene Besoldung.

Parameter 4 – Abstandsgebot

Darüber hinaus bilde das Abstandsgebot einen weiteren Parameter. In der Regel liege laut Bundesverfassungsgericht ein Verstoß gegen das Alimentationsgebot vor, wenn sich der Abstand zwischen den Bruttogehältern zweier Besoldungsgruppen, beispielsweise aufgrund unterschiedlicher linearer Anpassungen, in den letzten fünf Jahren um mindestens 10 Prozent verringert hat. Dies sei ein Indiz für die Verletzung des Art. 33 Abs. 5 GG.

Parameter 5 – Quervergleich mit der Besoldung der anderen Gesetzgeber

Als einen weiteren Aspekt nennt das Gericht den Quervergleich mit der Besoldung in den anderen Ländern. Mit Hilfe dieses Parameters solle die qualitätssichernde Funktion der Besoldung, die das Alimentationsprinzip verlange, zum Ausdruck kommen. Art. 33 Abs. 5 GG statuiere zwar kein besoldungsrechtliches Homogenitätsgebot, doch stehe er einer ungehinderten Auseinanderentwicklung der Bezüge im Bund und in den Ländern entgegen. Eine erhebliche Differenz im Vergleich zum Durchschnitt des jährlichen Bruttobezugs in der jeweiligen Besoldungsgruppe der anderen Dienstherren spräche daher dafür, dass die Besoldung ihre qualitätssichernde Funktion nicht hinreichend erfülle. Eine konkrete Grenze könne das Gericht allerdings pauschal nicht festlegen. Allerdings sei anzunehmen, dass eine Abweichung von 10 Prozent als erheblich anzusehen ist.

Schritt 2: Gesamtabwägung

Die sich aus Prüfungsschritt 1 ergebene Vermutung eines Verstoßes gegen das Alimentationsgebot – spricht also die Prüfung von mindestens drei der Parameter für einen solchen – müsse nun im Rahmen einer Gesamtabwägung bekräftigt oder aber entkräftet werden. Dabei zu berücksichtigende Faktoren seien die Entwicklung der Qualität der eingestellten Bewerberinnen und Bewerber, ob die Höhe der Besoldung die Qualität der Tätigkeit und die Verantwortung des Amtes wiederspiegelt, das Niveau der Beihilfeleistungen, eventuelle Einschnitte ins Versorgungsrecht sowie das durchschnittliche Bruttoeinkommen vergleichbar Ausgebildeter in der Privatwirtschaft. Führt auch die Gesamtschau zu dem Ergebnis, dass die Alimentation gegen Art. 33 Abs. 5 GG verstößt, so prüft das Bundesverfassungsgericht in einem dritten Schritt, ob dies gerechtfertigt ist.

Schritt 3: Prüfung der Rechtfertigung

Die Unteralimentation könne gerechtfertigt sein, wenn andere verfassungsrechtliche Wertentscheidungen oder Institutionen dem Alimentationsprinzip vorgehen oder der Grund unmittelbar dem Besoldungssystem entspringt. An dieser Stelle ist erneut eine Abwägung vorzunehmen. Eine Einschränkung des Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentation aus rein finanziellen Beweggründen könne laut Gericht möglich sein, wenn die Konjunktur von der Normallage abweicht sowie bei Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen. In diesen Fällen habe der Gesetzgeber die Nichtanpassung der Bezüge jedoch ausreichend zu begründen und ein schlüssiges und umfassendes Konzept zur erforderlichen Haushaltskonsolidierung vorzulegen.

Und die Beamtenbesoldung?

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist zur Besoldung der Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ergangen. Unmittelbar entfaltet es seine Wirkung auch nur in der Beziehung zwischen den Verfahrensbeteiligten bzw. etwaigen Klägerinnen und Klägern, über deren Verfahren noch nicht abschließend entschieden wurde. Doch nimmt das Gericht bei seiner Argumentation weniger Bezug zum Richteramt, als zum in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten Alimentationsprinzip. Dieses gilt für Richterinnen und Richter ebenso wie für Beamtinnen und Beamte. Demnach ist davon auszugehen, dass die seitens des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten Prüfschritte auch bei der Frage der Vereinbarkeit der Beamtenbesoldung mit Art. 33 Abs. 5 GG maßgeblich sind.

Zumal das Gericht die von ihm benannten Parameter sowie Abwägungsgesichtspunkte größtenteils bereits in vorhergehenden Entscheidungen zur Beamtenbesoldung formuliert hatte. Ob dies tatsächlich so ist, dürfte sich aber bald entscheiden. Dem Bundesverfassungsgericht liegen seit längerem mehrere Verfahren vor, die die Einhaltung der Pflicht zur amtsangemessen Alimentation von Beamtinnen und Beamten zum Gegenstand haben. Aus Sicht des DGB ist es bedauerlich, dass die Gesetzgeber den ihnen zustehenden weiten Gestaltungsspielraum bei der Besoldung ihrer Beamtinnen und Beamten in der Vergangenheit oftmals überschritten haben und ihnen die Gerichtsbarkeit aufzeigen muss, welche Regeln einzuhalten sind.


Nach oben
  1. Amtsangemessene Alimentation
  2. Weiterhin Unsicherheit und Zweifel
  3. Tarif- und Besoldungsrunde der Länder: Einigung erzielt
  4. Bundestag beschließt Anpassungsgesetz
  5. Tarif- und Besoldungsrunde der Länder: Warnstreiks werden ausgeweitet
  6. Tarif- und Besoldungsrunde der Länder: Verhandlungsauftakt
  7. Tarif- und Besoldungsrunde der Länder: 10,5 Prozent mehr – mindestens 500 Euro
  8. Inflationsausgleichszahlungen 2023: Abschlagszahlungen geplant
  9. Bund: Besoldungs- und Versorgungsanpassung kommt
  10. Bund muss bei Besoldung aufholen
  11. Gewerkschaften erklären Verhandlungen für gescheitert
  12. Tarifrunde öffentlicher Dienst Bund und Kommunen 2023
  13. Alle zusammen für mehr Geld
  14. Besoldung: Bundesbeamt*innen müssen 2022 keinen Widerspruch einlegen
  15. Tarifrunde Bund und Kommunen
  16. Verfassungskonforme Alimentation
  17. Besoldungsrunden Länder und Kommunen 2022/2023
  18. Wir sind nur gemeinsam stark
  19. Wie geht es mit der Besoldung weiter?
  20. Öffentlicher Dienst der Länder: Tarifverhandlungen abgeschlossen
  21. Die Warnstreikwelle rollt
  22. Öffentlicher Dienst der Länder: Auftakt der Tarifverhandlungen
  23. Tarifrunde Länder: 5 Prozent für die Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst
  24. „Was mir Sorge bereitet, sind die mittlerweile sehr großen Besoldungsunterschiede zwischen den Ländern"
  25. DGB-Besoldungsreport 2021: Politik im Reparaturmodus
  26. Vorbildliches Signal des Bundesinnenministeriums
  27. Besoldungsanpassung 2021/2022 beschlossen
  28. Bundesbesoldung: Anpassungsgesetz 2021/2022 auf dem Weg
  29. Beamtinnen und Beamte erhalten Corona-Sonderzahlung 2020
  30. Dynamik in der Einkommensentwicklung der BeamtInnen
  31. Tarifrunde Bund und Kommunen: 4,8 Prozent, mindestens 150 Euro!
  32. 4,8 % für die Tarifbeschäftigten von Bund und Kommunen
  33. Zur Alimentation kinderreicher Beamtenfamilien
  34. Karlsruhe konkretisiert Rechtsprechung zur amtsangemessenen Besoldung
  35. Bund und Kommunen: Gewerkschaften beschließen Kündigung der Entgelttabellen
  36. Nachwuchsgewinnung im öffentlichen Dienst – Vorbereitungsdienst besser bezahlen!
  37. Besoldung: Bundestag verabschiedet Modernisierungsgesetz
  38. Modernisierung Besoldungsrecht: Anhörung im Innenausschuss des Bundestages
  39. Besoldung: Familienzuschlag wird nicht reformiert
  40. Die Besoldungsrunden der Länder und Kommunen
  41. Besoldung auf dem Prüfstand: Einige Länder müssen nachsteuern
  42. Besoldungsstrukturenmodernisierungs-Gesetz: Viel Schatten, wenig Licht
  43. Besoldung: Entwurf eines Modernisierungsgesetzes liegt vor
  44. Tarifrunde der Länder 2019 - Gewerkschaften fordern: mindestens 200 Euro mehr
  45. Hannack fordert Dialog zu Wochenarbeitszeit und Zulagen
  46. Besoldungsrunde Bund 2018-2019-2020: Gesetzentwurf liegt vor
  47. Öffentlicher Dienst: Besoldungspolitik nach Kassenlage
  48. DGB begrüßt Plus auch für Bundesbeamte
  49. Gewerkschaften fordern: mindestens 200 Euro mehr
  50. Bundesbeamte: Übertragung des Tarifergebnisses erreicht
  51. Urteil: Ämterbündelung mit Grundgesetz vereinbar
  52. Richter-Besoldung: Gerechtes Einkommen per Gerichtsurteil?
  53. Bundesverwaltungsgericht: Urteil zu Beamten-Besoldung nach Alter
  54. Beamte: Übernahme von Tarifergebnissen muss Standard werden
  55. DGB begrüßt Urteil des EuGH zur altersdiskriminierenden Besoldung
  56. Öffentlicher Dienst: Tarifabschluss wird auf BeamtInnen des Bundes übertragen
  57. DGB Besoldungsreport: 18,5 Prozent – Tendenz steigend
  58. Tarif- und Besoldungsrunde 2014: Gemeinsam für gute Ergebnisse
  59. Beamtenbesoldung: Keine Entscheidungen nach Gutsherrenart
  60. Besoldung folgt Tarif? Keine Selbstverständlichkeit mehr
  61. Beamtengehälter: Spar- statt Besoldungsrunde?
  62. DGB will einheitliche Besoldung für Beamte in Bund und Ländern
  63. Entwurf eines Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetzes (BBVAnpG 2012/2013)
  64. Gewerkschaften beweisen Verhandlungsstärke im öffentlichen Dienst
  65. Auswirkungen des BAG-Urteils zur Urlaubsstaffel des TVöD auf die Beamtinnen und Beamten
  66. DGB begrüßt Urteil zur hessischen Professorenbesoldung
  67. Verfassungsmäßigkeit der Professorenbesoldung des Landes Hessen
  68. Altersdiskriminierung: BAT verstößt gegen europäisches Recht
  69. DGB begrüßt zügige Besoldungsanpassung für Beamte und übt Kritik an Nullrunde für Pensionäre
  70. Stellungnahme zur Anhörung: Gesetzentwurf zur Unterstützung der Fachkräftegewinnung im Bund
  71. Frauen im Staatsdienst finanziell benachteiligt
  72. Knut Rexed: "Moderne Verwaltung braucht ein flexibleres System"
  73. Bayern will bessere Beförderungsmöglichkeiten für Beamte
  74. Weiterhin Besoldungskürzungen für Bundesbeamte geplant

RSS-Feed

Subscribe to RSS feed
Abonnieren Sie die Pressemeldungen des DGB-Bundesvorstandes.
Kon­takt Pres­se­stel­le
DGB-Bundesvorstand Abteilung Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit Keithstraße 1, 10787 Berlin Telefon:030.24 060-211 E-Mail: presse.bvv@dgb.de
weiterlesen …

Pressefotos DGB GBV

Hier finden Sie die aktuellen Pressefotos des Geschäftsführenden DGB-Bundesvorstandes zum Download. Abdruck in Printmedien und Veröffentlichung im Internet sind im Rahmen der redaktionellen Berichterstattung mit Quellennachweis frei.