Deutscher Gewerkschaftsbund

PM 192 - 09.11.2011

Kaum Denkfortschritte bei den Wirtschaftsweisen

Anlässlich der Veröffentlichung des Jahresgutachtens des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, sagte Claus Matecki, DGB-Vorstandsmitglied, am Mittwoch in Berlin:

„Dass endlich auch der Sachverständigenrat zu der Auffassung gelangt, dass nur eine glaubwürdige gemeinsame Haftung für Staatsschulden in der Eurozone die Lage beruhigen kann, ist gut. Die teilweise positiven Ausführungen zu Eurobonds zeigen Denkfortschritte des Rates. Auch das vorgeschlagene Modell eines ‚Schuldentilgungspakts’ erkennt zumindest an, dass eine gewisse solidarische Haftung innerhalb des gemeinsamen Währungsraumes notwendig ist.

Die genaue Ausgestaltung des Paktes zeigt allerdings, dass die Mehrheit der ‚Wirtschaftsweisen’ nach wie vor den alten neoliberalen Denkmustern verfangen ist. Das Konzept wird dominiert von einer Erhöhung des öffentlichen Sparzwangs durch flächendeckende Schuldenbremsen und verordneten Schuldenabbau. Der propagierte Konsolidierungskurs wird aber die Nachfrage abwürgen und so die europäische Wirtschaft noch weiter in die Krise treiben. Eigentlich wäre in der jetzigen Situation ein expansiver Kurs nötig, um europaweit ein großangelegtes Investitionsprogramm zu starten.  

Zudem bleibt unklar, ob das Modell des ‚Schuldentilgungspakts’ wirklich wirken, die Staatsanleihen-Zinsen senken, und die Staatsfinanzierung stabilisieren kann. Eine langfristige Lösung scheint das Modell schon deshalb nicht zu sein, weil eine dauerhafte Integration starker Staaten mit geringerer Staatsschuld nicht garantiert ist. Der DGB bleibt bei seiner Forderung, die EFSF mit einer Banklizenz auszustatten. Es ist bedauerlich, dass der Sachverständigenrat zwar die Wirksamkeit dieser DGB-Forderung bestätigt, sie aber dennoch ablehnt.  

Dass die Weisheit den Sachverständigenrat noch nicht erreicht hat, zeigt sich auch und vor allem an seinen Kommentaren zur Arbeitsmarktpolitik. Es ist schlicht falsch zu behaupten, die vergleichsweise positive Entwicklung des deutschen Arbeitsmarktes sei auf niedrige Löhne oder die zurückliegenden Arbeitsmarktreformen zurückzuführen. Der Sachverständigenrat weist schließlich selbst daraufhin, dass vor allem Arbeitszeitverkürzungen und Kurzarbeit zur Stabilisierung beigetragen haben. Die Tatsache, dass sich die deutsche Wirtschaft gut entwickelte, ist auf die hohe Nachfrage nach deutschen Produkten im Ausland zurückzuführen, die unabhängig von den deutschen Lohnkosten stieg.

Um einem Wegbrechen der Auslandsmärkte vorzubeugen, muss jetzt die Binnennachfrage gestärkt werden. Der Sachverständige Peter Bofinger hat deshalb Recht, wenn er im Gutachten betont, dass die extreme Schwäche des privaten Verbrauchs in Deutschland überwunden werden muss. Der DGB unterstützt auch Bofingers Forderung nach einer Reduzierung der Einkommensungleichheit. Insbesondere Niedrigverdiener brauchen endlich mehr Geld in der Tasche. Dazu müssen prekäre Arbeitsverhältnisse, Minijobs und Leiharbeit zurückgedrängt und endlich ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro eingeführt werden. Wenn die Mehrheit der hoch dotierten Professoren behauptet, der Anspruch auf einen Lohn, von dem man leben kann, könne für viele Arbeitslose nicht erfüllt werden, ist das zynisch und offenbart das komplette Versagen neoliberaler Wirtschaftspolitik.

Nicht hinnehmbar sind auch die erneuten Angriffe der Mehrheit des Sachverständigenrates auf den Kündigungsschutz, die Tarifbindung und damit auf die Tarifautonomie. Die Vorschläge des Rates würden nur zu mehr Unsicherheit und weiterem Druck auf die Löhne führen. Ebenfalls zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen Empfehlungen zur Abschaffung der Pendlerpauschale. Der DGB wird solcherlei ungerechten und schädlichen Forderungen vehement entgegentreten


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