Deutscher Gewerkschaftsbund

PM 217 - 18.12.2012

EU-Vergaberichtlinie gefährdet Anwendung deutscher Tarifverträge

Mit Blick auf die heutige Abstimmung über die EU-Vergaberichtlinie für öffentliche Aufträge im federführenden EU-Binnenmarktausschuss sieht DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki die Anwendung deutscher Tarifverträge  in Gefahr:

„Positiv ist, dass sich die Abgeordneten für die Streichung des niedrigsten Preises als alleiniges Vergabekriterium ausgesprochen haben. Dieser Grundsatz sollte jedoch auch bei den sozialen Regelungen gelten. Deshalb muss rechtssicher klargestellt werden, dass nicht der niedrigste Lohn, sondern der Tariflohn angewandt wird, der am Ort gilt, wo eine Leistung erbracht wird. Stattdessen haben sich die Konservativ-Liberalen im Binnenmarktausschuss mit dem Verweis auf die Entsenderichtlinie durchgesetzt. Damit wird letztlich auf die Europäische Rechtsprechung verwiesen, die wie im Fall Rüffert allenfalls noch die Anwendung von gesetzlichen (Branchen)-Mindestlöhnen erlaubt oder von Tarifverträgen, die vom Gesetzgeber für allgemein verbindlich erklärt wurden. Das ist aus deutscher Sicht völlig unbefriedigend, da hierzulande vergleichsweise wenige Branchenmindestlöhne oder für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge existieren.

Die heute getroffenen Entscheidungen im Binnenmarktausschuss wirken auch auf die Beratungen zur Konzessionsrichtlinie, über die Anfang nächsten Jahres in erster Lesung abgestimmt werden soll. Mit der Konzessionsrichtlinie soll geregelt werden, dass künftig auch Konzessionen für sensible Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge wie die Wasserversorgung unter das EU-Sekundärrecht fallen und damit dem europaweiten Wettbewerb unterliegen. Wenn versäumt wird, rechtssicher soziale Standards und echte Tariftreue im europäischen Vergaberecht zu regeln, wird das auch Einfluss auf die Richtlinie zur Konzessionsvergabe haben und auch in diesem Bereich zu Lohndumpingprozessen führen. Aus unserer Sicht müsste wenigstens internationales Arbeitsrecht (ILO-Konvention C 94) gelten, das besagt: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort.“

Hintergrund

Im Dezember 2011 hatte die EU-Kommission ein Richtlinien-Paket zum Vergaberecht und zur Konzessionsvergabe vorgelegt, worüber im Verlauf des letzten Jahres jedoch getrennt beraten wurde. Ziel der überarbeiteten Vergaberichtlinie soll es laut EU-Kommission sein, klein- und mittelständischen Unternehmen vermeintlich leichteren Zugang zum öffentlichen Auftragswesen zu ermöglichen.

Die Richtlinien zur Vergabe und zu Dienstleistungskonzessionen  greifen ineinander. Denn künftig sollen Dienstleistungskonzessionen, mit denen staatliche oder kommunale Aufgaben an private und öffentliche Unternehmen übertragen werden, unter das EU-Sekundärrecht fallen, wobei ähnliche Regelungen wie bei den Vergaberichtlinien gelten sollen. Ziel der EU-Kommission ist dabei eine Intensivierung des Wettbewerbs. Die Befürchtung der Gewerkschaften ist es, dass Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge wie zum Beispiel die Wasserver- und -entsorgung stärker für private Dienstleistungserbringer aus ganz Europa geöffnet werden sollen und hiesige Tarifverträge nicht mehr zur Anwendung kommen. Zudem verlieren Kommunen, denen grundgesetzlich das kommunale Selbstverwaltungsrecht zusteht, einen Teil ihrer Kontroll- und Gestaltungsmöglichkeiten.


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