Es gibt viele Gründe, ein Praktikum zu machen. In vielen Studienordnungen sind Praktika vorgeschrieben oder müssen sogar im Vorfeld als so genanntes Vorpraktikum abgeleistet werden. Die Arbeitsagentur vermittelt Praktika, um Arbeitslosen Chancen auf einen Job zu eröffnen. Viele Ausbildungsplatzsuchende und Studierende entscheiden sich auch für ein freiwilliges Praktikum. Ein Praktikum soll berufliche Kenntnisse vermitteln und der beruflichen Orientierung dienen. Das Lernen steht im Vordergrund.
DGB/Simone M. Neumann
Es gibt viele Gründe, ein Praktikum zu machen. In vielen Studienordnungen sind Praktika vorgeschrieben oder müssen sogar im Vorfeld als sog. Vorpraktikum abgeleistet werden. Die Arbeitsagentur vermittelt Praktika, um Arbeitslosen Chancen auf einen Job zu eröffnen. Viele Ausbildungsplatzsuchende und Studierende entscheiden sich auch für ein freiwilliges Praktikum. Ein Praktikum soll berufliche Kenntnisse vermitteln und der beruflichen Orientierung dienen. Es hilft, betriebliche Abläufe kennen zu lernen und eine Vorstellung von der Arbeit in einem Berufsfeld zu erhalten. Darum, so sind sich Gesetzgeber und Gerichte einig, ist ein Praktikum immer Teil einer Ausbildung und muss auch selbst Ausbildungscharakter haben. Das Lernen steht im Vordergrund - d.h., dass die PraktikantInnen nicht in die tägliche Verrichtung der Arbeit eingeplant sein darf, sondern zusätzlich im Betrieb mitläuft (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichtes 6 AZR 564/01 BAG vom 13.03.2003).
Praktikantin oder Praktikant ist unabhängig von der Bezeichnung des Rechtsverhältnisses, wer sich nach der tatsächlichen Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses für eine begrenzte Dauer zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit zur Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit unterzieht, ohne dass es sich dabei um eine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes oder um eine damit vergleichbare praktische Ausbildung handelt. (vrgl. §22 MiLoG). Auch für Praktika die keinen Anspruch auf Mindestlohn haben ist laut Berufsbildungsgesetz (BBiG) eine angemessene Vergütung zu zahlen. Praktika von Studierenden und SchülerInnen werden vom BBiG ausgeschlossen (lt. BAG Urteil von 1974).
Ein langes Praktikum ist für Unternehmen besonders sinnvoll, da nach der Einarbeitungszeit der PraktikantInnen mit voller Arbeitskraft zur Verfügung stehen. Der Erkenntnisgewinn nimmt für die PraktikantInnen mit der Dauer des Praktikums hingegen ab. Praktika über drei Monate bringen dem Unternehmen billige Arbeitskraft, für die PraktikantInnen sind sie ab dem Punkt, wo nichts mehr gelernt wird und klar ist, dass es keine Übernahme geben wird, Zeitverschwendung.
Eine große Anzahl von PraktikantInnen im Vergleich zu den fest angestellten Mitarbeitern deutet leider nicht darauf hin, dass das Unternehmen besonders praktikantenfreundlich ist. Bei zu vielen PraktikantInnen leidet zum einen die Betreuung, zum anderen stehen die Chancen schlecht, im Anschluss an das Praktikum in ein reguläres Arbeitsverhältnisse übernommen zu werden, da das Unternehmen einzuplanen scheint, mit vielen PraktikantInnen und wenigen Festangestellten zu arbeiten.
Seit 01.01.2015 gilt für Praktikumsverhältnisse generell der gesetzliche Mindestlohn es sei denn das:
Auch für Praktika die keinen Anspruch auf Mindestlohn haben ist laut Berufsbildungsgesetz (BBiG)eine angemessene Vergütung zu zahlen. Praktika von Studierenden und SchülerInnen werden vom BBiG ausgeschlossen (lt. BAG Urteil von 1974). Wenn die Vergütung in einem deutlichen Missverhältnis zur Arbeitsleistung steht, eine Zwangslage vorliegt, handelt es sich um Lohnwucher. In diesem Fall bestünde ein Anspruch auf den Lohn, der für die erbrachte Arbeit üblicherweise gezahlt wird. Dabei kommt es nicht darauf an, wie das Beschäftigungsverhältnis genannt wird. Maßgeblich ist allein die tatsächliche Art und Weise der Beschäftigung. Bevor Lohn wegen Lohnwuchers eingeklagt werden soll, sollte man sich unbedingt rechtlich beraten lassen und im Vorfeld einige Aspekte bedenken:
Wer nicht rechtschutzversichert ist oder selbst Rechtshilfe durch einen Anwalt/eine Anwältin bezahlen kann, kann sich einen Beratungshilfeschein besorgen. Für eine Klage kann Prozesskostenhilfe gewährt werden. Einfacher ist es für Gewerkschaftsmitglieder. Der Beitritt lohnt sich, um für eine zukünftige Klage Rechtsschutz zu genießen. Wer bereits Gewerkschaftsmitglied ist, besitzt automatisch Rechtsschutz, d.h. die Gewerkschaft klagt und trägt auch dann die Kosten des Rechtsstreits, wenn die Klage erfolglos bleibt.
Nicht alle Unternehmen nutzen PraktikantInnen aus. Dennoch nimmt die Zahl der Missbrauchsfälle zu. Bestimmte Branchen sind besonders betroffen. Zum Beispiel im Bereich Werbung oder Medien, ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass Überstunden anfallen und PraktikantInnen als feste Arbeitskraft eingeplant sind. Für Hochschul-AbsolventInnen besteht zunehmend die Gefahr in den Branchen Werbung, Medien, Rechtswissenschaft, Architektur, Betriebswirtschaft, Weiterbildung als Hochqualifizierte im Billig-Praktikum ausgenutzt zu werden.
Seit dem 01.01.2015 haben alle PraktikantInnen Anspruch auf einen schriftlichen Praktikumsvertrag. In diesem Vertrag müssen insbesondere folgende Dinge geregelt sein:
Mit dieser Maßnahme verbessern sich die Klagemöglichkeiten der Betroffenen im Streitfall, und es wird die Transparenz des Anstellungsverhältnisses erhöht. PraktikantInnen, die das Gefühl haben, als billige Arbeitskräfte ausgenutzt zu werden, können sich in erster Linie dadurch wehren, dass sie auf ihre Situation aufmerksam machen. In größeren Unternehmen ist der Betriebs- oder Personalrat oder die Jugend- und Auszubildendenvertretung vertrauensvolle AnsprechpartnerIn. Wenn es keinen Betriebsrat gibt, dann sollte man sich an die zuständige Gewerkschaft wenden. Man kann sich direkt den BetreuerIn/ArbeitgeberIn auf die Situation ansprechen, z.B. dass der Arbeitsanteil den Lernanteil überwiegt, dass der gesetzlich vorgeschriebene Urlaub nicht gewährt wird, dass regelmäßig Überstunden anfallen usw.. Stößt die Beschwerde auf taube Ohren und wird bspw. mit dem Hinweis abgetan, "dass sei in der Branche nun mal so", kann man für sich entscheiden, das Praktikum abzubrechen (s. Kündigung) und eventuell einen weiteren Versuch in einem anderen Unternehmen starten. Bei einem von der Arbeitsagentur vermitteltem Praktikum, sollte man jedoch nur nach Rücksprache und Zustimmung der Arbeitsagentur abbrechen, wenn es sich um eine Pflichtmaßnahme handelt. Sonst droht im schlimmsten Fall Leistungskürzung.
Man kann sich auch vor Gericht wehren. Bei Verstößen gegen die Rechte als ArbeitnehmerIn genießen Gewerkschaftsmitglieder Rechtsschutz, d.h. kostenlose Rechtsvertretung bei arbeitsrechtlichen Problemen. Das gilt auch für PraktikantInnen.
Im Betrieb sollte von Anfang an ein/e feste/r AnsprechpartnerIn da sein, der/die Fragen beantwortet und anleitet. Mit ihm/ihr sollte zu Beginn des Praktikums abgesprochen werden, was im Laufe der Zeit erlernt werden soll und regelmäßig Erfahrungen, Fragen, Anregungen und Bewertungen ausgetauscht werden. Gibt es diese/n nicht oder tauchen andere Probleme auf, sollte man sich an die Interessenvertretung oder die zuständige Gewerkschaft wenden.
Der Betriebsrat/Personalrat ist erster Ansprechpartner bei arbeitsrechtlichen Problemen, er weiß, ob es betriebliche (Vergütungs-)Regelungen für PraktikantInnen gibt und er hilft, wenn Tätigkeiten während des Praktikums weit von dem abweichen, was eigentlich vereinbart wurde.
Die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) kann neben dem Betriebsrat/Personalrat bestehen. Sie vertritt die besonderen Anliegen der jungen Beschäftigten bis zum 25. Lebensjahr. Ob die JAV oder der Betriebsrat/Personalrat sich mit PraktikantInnen besser auskennt, hängt auch von der internen Arbeitsteilung ab.
Wenn das Praktikum nicht wie gewünscht verläuft, kann sich die Frage stellen "Darf ich kündigen?" oder "Kann ich gekündigt werden?"
Sollte es sich um ein Pflichtpraktikum (z.B. laut Studienordnung) handeln, verhindert eine Kündigung freilich, dass genug Praktikumstage angesammelt werden, oft muss schnell eine Ersatzpraktikumsstelle gefunden werden. Vorsicht auch bei Praktika, die von der Arbeitsagentur vermittelt wurden. Handelt es sich um Eignungsfeststellungen und Trainingsmaßnahmen sollte das Praktikum nur nach Rücksprache und Zustimmung durch die Arbeitsagentur beendet werden - sonst drohen im schlimmsten Fall Leistungskürzungen.
Um Missbrauch im Praktikum einzuschränken, hat der DGB einen Leitfaden für ein faires Praktikum erstellt. Er soll Unternehmen und PraktikantInnen als Orientierung dienen.
Das Praktikum dient in erster Linie dem Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen. Das Lernen steht im Vordergrund und darf nicht von der jeweiligen Arbeitsleistung des Praktikanten/der Praktikantin überlagert werden. Wenn die Arbeitsleistung den Erwerb beruflicher Erkenntnisse überwiegt, hat der/die PraktikantIn Anspruch auf vollen Lohn (§ 138 II BGB i.V.m. §22 MiLoG).
Das Praktikum ersetzt keinen regulären Arbeitsplatz. Ein Praktikum grenzt sich von einem regulären Arbeitsverhältnis dadurch ab, dass der/die PraktikantIn nicht in die tägliche Verrichtung der Arbeit fest eingeplant ist, sondern zusätzlich im Betrieb mitläuft.
Das Praktikum wird mit einem Vertragsverhältnis als "Praktikum zu Ausbildungszwecken" geregelt. Rechtsgrundlage dafür bildet das Nachweisgesetz. Darin sind festgeschrieben:
Der/die PraktikantIn wird während des Praktikums von einem Anleiter/einer Anleiterin betreut. Diese/r kümmert sich um die Interessen und Arbeitsinhalte des Praktikanten/der Praktikantin. Der/die PraktikantIn erhält für die Dauer des Praktikums einen geeigneten Arbeitsplatz.
Nach Abschluss des Praktikums erhält der/die PraktikantIn ein Zeugnis (§ 630 "Pflicht zur Zeugniserteilung" BGB). Hier ist darauf zu achten, dass die darin enthaltenen Formulierungen keine negativen Auswirkungen auf zukünftige Arbeitsverhältnisse haben.
Wenn keine tarifvertraglichen Regelungen greifen, soll für Praktika in denen das Lernverhältnis im Vordergrund steht mindestens der BAföG-Höchstsatz bezahlt werden. Für freiwillige Praktika soll generell auch der gesetzliche Mindestlohn gelten.
Freiwillige Praktika sollten in der Regel nicht länger als drei Monate dauern. Bei einer längeren Praktikumsdauer besteht die Gefahr, dass statt des Erwerbs neuer Fähigkeiten routinierte Arbeit in den Vordergrund des Praktikums rückt und reguläre Arbeitsstellen vernichtet werden. Für Pflichtpraktika im Rahmen von Studiengängen gilt die in den Studienordnungen entsprechend festgesetzte Dauer von Praktika. Diese kann die empfohlene Dauer von drei Monaten ggf. überschreiten.
Nach dem Abschluss einer akademischen Ausbildung sollten keine Praktika mehr gemacht werden. Für AbsolventInnen sollen die Unternehmen reguläre Arbeitsverhältnisse, bzw. Trainee- und Berufseinstiegsprogramme anbieten, die - wenn keine tarifvertraglichen Regelungen greifen - mindestens mit 8,50 Euro pro Stunde vergütet werden.
Jede/r PraktikantIn hat Anspruch auf ein Zeugnis, das mindestens die Art der Tätigkeit, deren Beginn und Dauer enthält. Man kann auch ein qualifiziertes Zeugnis verlangen, in dem zusätzlich Leistung und Führung während des Praktikums bewertet werden. Das Zeugnis sollte zeitnah zum Praktikum ausgestellt und am besten von der/dem Vorgesetzten unterschrieben werden. Es sollte die Lern- und Tätigkeitsschwerpunkte während des Praktikums aufführen und eine mindestens wohlwollende Bewertung des Praktikanten/der Praktikantin enthalten. Es ist in jedem Fall hilfreich, wenn die erledigten Tätigkeiten während des Praktikums dokumentiert werden, um im Zweifelsfall einen Nachweis über seine Leistungen zu haben.
Wenn man mit einem Zeugnis unzufrieden oder nicht einverstanden ist, am besten vom Betriebsrat/Personalrat oder der zuständigen Gewerkschaft beraten lassen.
Zahlreiche und aktuelle Informationen zu Praktika, gibt es auf den Webseiten der DGB-Jugend, z.B.: