Deutscher Gewerkschaftsbund

26.06.2015
Die Rechtsfrage 3/2015

Videoüberwachung am Arbeitsplatz: Was ist erlaubt, was nicht?

Darf mein Chef mich per Vi­deo über­wa­chen? Darf der Arbeitgeber heimlich filmen? Wie kann ich mich als Beschäftigter gegen eine Überwachungskamera wehren? Gegen die Bespitzelung klagen? Bestimmt der Betriebsrat bei Videoüberwachung mit? Hier die wichtigsten Antworten:

Neben neuen Möglichkeiten digitaler Überwachung ist die Überwachung von Mitarbeitern per Videokamera immer noch eines der häufigsten Instrumente, mit dem Arbeitgeber die Tätigkeit und das Verhalten ihrer Beschäftigten beobachten.

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Colourbox

Aber müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer es sich gefallen lassen, wenn ihr Arbeitgeber Überwachungskameras am Arbeitsplatz installiert? Nein, nicht in jedem Fall, wie diese Ausgabe der DGB-Rechtsfrage zeigt. Expertinnen und Experten der DGB Rechtsschutz GmbH geben Tipps und Hintergrundinfos.

29.06.2015
Die Rechtsfrage 3/2015 - Expertentipp

Verbotene oder heimliche Videoüberwachung durch den Chef – wie kann ich mich wehren?

Von der Hilfe durch den Betriebsrat bis zu Schadensersatz, Entschädigung, Schmerzensgeld und Leistungsverweigerung

Auszug aus einem Beitrag vom DGB-Rechtsschutz-Experten Dr. Till Bender

Was tun, wenn ich glaube, dass mein Arbeitgeber mich unerlaubt per Videokamera überwacht? Zuerst klären: Darf er das? Und dann die geeigneten rechtlichen Schritte einleiten – unter Umständen bis zum Schadensersatz oder zum Schmerzensgeld. Aber Vorsicht, rät DGB-Rechtsschutz-Experte Dr. Till Bender: "Selbsthilfe" oder Selbstjustiz ist der falsche Weg und kann Konsequenzen haben. Wir klären deshalb: Welche Ansatzpunkte haben Beschäftigte, um sich gegen Videoüberwachung zu wehren?

LINK: Den kompletten Beitrag unseres Experten gibt's auf den Seiten der DGB-Rechtsschutz GmbH

Dr. Till Bender, DGB-Rechtsschutz GmbH

DGB-Rechtsschutz GmbH

Unser Rechtsexperte in dieser Ausgabe der "Rechtsfrage": Dr. Till Bender vom DGB-Rechtsschutz

1. Ansatzpunkt: Ist der Betriebsrat beteiligt worden? Betriebsrat einschalten!

Beim Einsatz von Videokameras ist der Betriebsrat zu beteiligen. Denn nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 des Betriebsverfassungsgesetzes steht dem Betriebsrat bei Maßnahmen, mit denen der Arbeitgeber die Leistung oder das Verhalten von Arbeitnehmern prüfen oder überwachen könnte, ein Mitbestimmungsrecht zu. Eine Videoüberwachung ohne entsprechende Beteiligung des Betriebsrats ist rechtswidrig. Denn bei der Kontrolle der Mitarbeiter hat der Betriebsrat ein echtes Mitbestimmungsrecht, das heißt, er verhandelt mit dem Arbeitgeber auf Augenhöhe. Wenn der Arbeitgeber nun eigenmächtig eine Videokamera installiert, kann der Betriebsrat auf Entfernung klagen, da sein Mitbestimmungsrecht missachtet wurde.

Selbst wenn dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht zusteht, weil es sich bei der Kamera um eine Attrappe handelt, kann es sinnvoll sein, sich an den Betriebsrat zu wenden. Die Attrappe ist zwar nicht geeignet, die Leistung der Beschäftigten zu kontrollieren, sie soll aber den Beschäftigten das Gefühl vermitteln, dass sie kontrolliert werden. Stellt sich durch die Intervention des Betriebsrates heraus, dass es sich tatsächlich um eine Attrappe handelt, kann dieser Schein nicht mehr aufrechterhalten werden und die Attrappe verliert ihre Wirksamkeit.

Allerdings hat nicht jeder Betrieb einen Betriebsrat. Trotzdem gibt es weitere Ansatzpunkte:

2. Ansatzpunkt: Der oder die Datenschutzbeauftragte

Sofern kein Betriebsrat besteht, kann sich der Beschäftigte auch an den betrieblichen Datenschutzbeauftragten wenden. Der oder die Datenschutzbeauftragte hat die Aufgabe, auf die Einhaltung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) und anderer Vorschriften zum Datenschutz hinzuwirkten.

Der Datenschutzbeauftragte hat also, anders als der Betriebsrat, kein echtes Beteiligungsrecht. Er kann die Umsetzung der datenschutzrechtlichen Vorschriften nicht selbst vornehmen. Seine Aufgabe besteht vielmehr darin, den Stand des Datenschutzniveaus im Unternehmen zu analysieren und der Geschäftsführung Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten.

Hintergrund

"Betroffene können sich jederzeit an den Beauftragten für den Datenschutz wenden." - § 4f Abs. 5, Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)

"Der Beauftragte für den Datenschutz ist zur Verschwiegenheit über die Identität des Betroffenen sowie über Umstände, die Rückschlüsse auf den Betroffenen zulassen, verpflichtet (...)."

3. Ansatzpunkt: Aufsichtsbehörde einschalten - dem Arbeitgeber können Bußgelder drohen

Als weiterer Ansprechpartner steht die überwachende Behörde zur Verfügung. Wer die zuständige Ausichtsbehörde ist, richtet sich im Wesentlichen nach dem Landesrecht des jeweiligen Bundeslandes. In der Regeln handelt es sich um die Landesbeauftragten oder Landesbehörden für Datenschutz.


Als außenstehende Stelle hat die Aufsichtsbehörde durchaus erhebliche Sanktionsmöglichkeiten gegen den Arbeitgeber. Bei gravierenden Verstößen, etwa bei dauerhafter heimlicher Videoüberwachung ohne nachvollziehbaren Zweck, drohen dem Arbeitgeber empfindliche Bußgelder.

Selbsthilfe?

Manche Beschäftigte versuchen, sich selbst zu helfen, indem sie Kameras selbst zerstören oder zumindest verdecken. Davon rät DGB-Rechtsschutz-Experte Dr. Till Bender ab:

"Hier ist äußerste Zurückhaltung geboten. Die Zerstörung von Kameras und anderen Überwachungsgeräten erfüllt auch dann den Tatbestand einer Sachbeschädigung, wenn die Überwachung zu Unrecht erfolgt. Der Arbeitgeber kann eine fristlose Kündigung aussprechen und den Ersatz des Schadens verlangen.

Etwas weniger hart wird der Fall zu bewerten sein, wenn die verbotene Videoüberwachung durch 'Unterbrechung des Bildes' mittels Klebestreifen oder ähnlichem erfolgt. Hier wird die Sache selbst zwar nicht beschädigt und es besteht auch kein schützenswertes Interesse des Arbeitgebers an der Bildübertragung, dennoch bewegt man sich hier in einem rechtlichen Graubereich. Als Verstoß gegen betriebliche Abläufe könnte ein solches Verhalten durchaus mit einer Abmahnung geahndet werden."

4. Ansatzpunkt: Auf Entschädigung / Schadensersatz / Schmerzensgeld klagen

Es bestehen durchaus effektive Mittel, sich gegen ungerechtfertigte Videoüberwachung zur Wehr zu setzen: Die unbefugte Überwachung mittels Kameras und vielleicht sogar Mikrofonen stellt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, der Arbeitgeber macht sich schadensersatzpflichtig.


Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein vom Grundgesetz geschütztes Rechtsgut. Nach der Rechtsprechung führt ein Verstoß hiergegen zu Ansprüchen auf Schadensersatz und Schmerzensgeld, wobei letzteres in seiner Höhe im Ermessen des Gerichts steht. 


So hat das Arbeitsgericht Iserlohn in einer von der DGB Rechtsschutz GmbH vertretenen Sache einen Arbeitgeber zur Zahlung von 4.000 Euro verurteilt, weil der seine Mitarbeiterin 18 Jahren lang an ihrem Arbeitsplatz in einer Bäckereifiliale heimlich beobachtet hatte.

5. Ansatzpunkt: Recht auf Leistungsverweigerung

Zudem besteht in Extremfällen ein Leistungsverweigerungsrecht der Mitarbeiter. Ob ein solcher Extremfall vorliegt, richtet sich nach der Art der Überwachung, also danach, welche Orte überwacht werden, der Dauer sowie der übrigen Umstände des Einzelfalles. Dabei stellt sich zum Beispiel die Frage, ob die Überwachung sich gerade gegen den Mitarbeiter selbst richtet, oder ob seine Überwachung quasi nur „bei Gelegenheit“ erfolgt und der eigentliche Zweck ein anderer ist.

Wenn dem Mitarbeiter aufgrund der Umstände des Einzelfalles ein solches Leistungsverweigerungsrecht zusteht, braucht er die Arbeitsleistung nicht zu erbringen und behält trotzdem seinen Anspruch auf Entlohnung.

Wie bereits gesagt, handelt es sich hier um ein Recht, dass nur in extremen Fällen besteht. Die Beschäftigten sollten sich gut absichern, etwa durch Beratung beim Betriebsrat oder der Gewerkschaft, bevor sie der Arbeit fernbleiben. Besteht nämlich kein Leistungsverweigerungsrecht, wird den Beschäftigten dies als Arbeitsverweigerung ausgelegt und kann entsprechend geahndet werden.

Wichtig zu Wissen: Beweisverwertungsverbot

Ein weiterer Effekt der verbotenen Videoüberwachung ist, dass die gewonnenen Aufzeichnungen vor Gericht nicht verwendet werden dürfen. Dies ist für Arbeitgeber oft besonders bitter, weil die Videoaufnahmen oft ja gerade deshalb angefertigt wurden, um eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen und vor Gericht durchbringen zu können.

So war es auch im Fall der DGB-Rechtsschutz GmbH vor dem Arbeitsgericht Iserlohn: Die Mitarbeiter wussten nichts von der Videoüberwachung im Betrieb. Erst als der Arbeitgeber die Aufzeichnungen im Kündigungsschutzprozess vorlegte, um eine angebliche unerlaubte Geldentnahme nachweisen zu können, wurde dies bekannt. Das Gericht beeindruckte das Filmmaterial jedoch nicht, weil es ein verbotenes Beweismittel war. Stattdessen drehte die Sachbearbeiterin den Spieß um und verklagte nun ihrerseits den Arbeitgeber auf Entschädigung – mit Erfolg!

Das Beweisverwertungsverbot ist eine Konsequenz des Verbotes, heimliche Videoaufzeichnungen anzufertigen. Denn oft bezweckt der Arbeitgeber ja gerade, die Aufzeichnungen auch zu verwenden. Die Gerichte dürften dies jedoch nicht beachten, so dass auch ein wesentlicher Anreiz entfällt, derartige Aufnahmen anzufertigen.

LINK: Den kompletten Beitrag unseres Experten gibt's auf den Seiten der DGB-Rechtsschutz GmbH

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