Steigende Mietpreise und der Mangel an bezahlbarem Wohnraum entwickeln sich zu immer drängenderen sozialen Problemen. Was kann und muss getan werden, um diese Trends zu stoppen? Diese und andere Fragen diskutierte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mit Experten aus Politik, Wissenschaft und Praxis am 4. September 2018 in Frankfurt.
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In deutschen Großstädten fehlen fast zwei Millionen bezahlbare Mietwohnungen, allein 310.000 in Berlin. Auch Sozialwohnungen gibt es immer weniger. In den vergangenen 30 Jahren ist deren Zahl bundesweit von drei Millionen auf 1,2 Millionen geschrumpft.
Viele Menschen müssen mittlerweile mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Kaltmiete bezahlen. In Frankfurt gilt das für mehr als zwei Fünftel der Haushalte, in Offenbach und Wiesbaden ist sogar nahezu jede/-r zweite davon betroffen. Allein 2017 sind die Mieten in den 13 deutschen Städten mit mehr als 500.000 Einwohner/-innen um vier bis fünf Prozent gestiegen. Seit dem Jahr 2010 sind in deutschen Großstädten die Mieten sogar um rund 50 Prozent in die Höhe geschossen und bei den Preisen für Bauland sogar noch stärker.
Die von den Gewerkschaften erkämpften Lohnsteigerungen können die exzessive Mietpreisentwicklung nicht auffangen. Eine weitere Folge: Arbeitnehmer/-innen müssen immer weitere Strecken zur Arbeit zurücklegen, da sie in den Ballungsgebieten keine bezahlbaren Wohnungen finden. Erkämpfte Arbeitszeitverkürzung verbringen die Kolleg/-innen im Stau statt bei ihre Familien.
Vorrangige Ziele der Regierungskoalition sind die Sicherung des Bestandes an Wohnungen, erschwingliche Immobilien-, Bauland- und Bauleistungspreise sowie Verbesserungen beim Mietrecht. Zudem soll der Bau neuer Wohnungen beschleunigt werden: 1,5 Millionen neue Wohnungen sind das Ziel bis ins Jahr 2021. Unter anderem soll das Baukindergeld für Familien zum Erwerb von Eigentum dabei ebenso helfen wie steuerliche Förderung.
Doch noch ehe alle diese Pläne in Gesetzesform gegossen sind, gibt es auch Kritik von unabhängigen Expert/-innen: Das Ziel 1,5 Millionen Wohnungen in dieser Legislatur zu bauen wird verfehlt werden. Außerdem wird oft am Bedarf vorbei gebaut. Es entstehen hochpreisige Eigentumswohnungen statt dringend benötigter bezahlbarer Mietwohnungen. Auch die vom Bundeskabinett beschlossene Mietpreisbremsenreparatur ist unzureichend. So müssen Vermieter/-innen zwar künftig vor Vertragsunterzeichnung die Höhe der Vormiete offenlegen, doch wird damit nicht wirklich wirksam gebremst.
Impressionen
Verschärfte Regelungen zur Deckelung der Mieten sollen helfen, Wohnraum bezahlbar zu halten. Um dies zu gewährleisten müssen Sanktionen, etwa in Form von Bußgeldern, in das Gesetz aufgenommen werden, wenn gegen die Regeln der Mietpreisbremse verstoßen wird. Außerdem muss die Mietpreisbremse flächendeckend eingeführt und entfristet werden. Auch der Deutsche Mieterbund fordert, Mietpreiserhöhungen drastisch zu begrenzen. Zudem müssten geplante zusätzliche Abschreibungsmöglichkeiten für das Bauen von Mietwohnungen kombiniert werden mit einer Deckelung der hinterher zu erhebenden Miete.
Der DGB fordert jährlich 400.000 neue Wohneinheiten, davon 100.000 Sozialwohnungen. Staatlich geförderter Wohnraum muss künftig dauerhaft der Sozialbindung unterliegen, und Grundstücke dürften nicht länger an Höchstbietende veräußert werden, sondern in erster Linie an gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen.
Als positives Beispiel, was bezahlbares Wohnen betrifft, gilt die Stadt Wien. Die österreichische Hauptstadt besitzt 270.000 Gemeindewohnungen und verwaltet mehr als 200.000 weitere, deren Bau sie gefördert hat. Zwei Drittel der Wiener/-innen leben in einer solchen öffentlich geförderten Wohnung. Zweck der städtischen Institution ist das Bereithalten und die Schaffung von Mietwohnungen für einkommensschwächere Personen und Familien.
Das Beispiel Wien zeigt was möglich ist und heißt für Deutschland: Bund, Länder und Kommunen müssen endlich entschlossener gegen steigende Mieten vorgehen.
Die Regierungskoalition trifft sich zum "Wohngipfel" am 21. September im Kanzleramt. Aufgrund des Koalitionsvertrags und der jüngsten Gesetzesvorhaben fallen die Erwartungen nicht sonderlich hoch aus. Der DGB lädt deshalb zusammen mit anderen Verbänden und Mietinitiativen zum "alternativen Wohngipfel". Dieser findet am Donnerstag, den 20. September 2018 im Umweltforum, Pufendorfstraße 11, 10249 Berlin statt.
Eingeladen wird ebenfalls zum Protest gegen den offiziellen Gipfel unter dem Motto "Zusammen gegen #Mietenwahnsinn! Für eine Wohnungspolitik, die Wohnraum für ALLE schafft." am 21. September um 14 Uhr am Washingtonplatz in Berlin. Alle weiteren Informationen und Anmeldung für den alternativen Wohngipfel auf: mietenwahnsinn.info oder hier.
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Präsentation von Jürgen Bothner, ver.di, "Hessen – ein gutes Land zum Wohnen - Aktuelle wohnungspolitische Herausforderungen auf Landesebene"
Präsentation von Monika Meyer, Institut Wohnen und Umwelt Hessen (IWU), "Hessen – ein gutes Land zum Wohnen - Aktuelle wohnungspolitische Herausforderungen auf Landesebene"