Deutscher Gewerkschaftsbund

12.10.2017
3 Fragen an Stefan Körzell

„Einen Gang hochschalten und die Wärmewende voranbringen“

DGB fordert Fahrplan für klimaneutralen Gebäudebestand

Der energetische Sanierungsbedarf der Gebäude in Deutschland ist immens. Der DGB setzt sich deshalb in einem gemeinsamen Positionspapier mit BDI, BDEW, ZDH und dena für die steuerliche Förderung der Gebäudesanierung von selbstgenutztem Wohnraum ein. „Sie kann aber nur weiterer Baustein der Förderung sein. Wir müssen gleichzeitig mehr für die Förderung der energetischen Sanierung von Mietwohnungen und Quartieren tun und den Prozess sozial gestalten. Bei Sanierungen von Mietwohnungen muss z. B. die Modernisierungsumlage in einem ersten Schritt gesenkt werden“,  sagt Stefan Körzell im Interview

DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell

DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell DGB/Simone M. Neumann

Frage: Der DGB setzt sich zusammen mit der Industrie, den Energieversorgern, dem Handwerk und der deutschen Energie-Agentur für die steuerliche Absetzbarkeit von energetischen Sanierungsmaßnahmen ein. Besteht nicht die Gefahr, dass daraus ein Steuersparmodell für Besserverdienende entsteht?

Stefan Körzell: Wenn es nicht gut ausgestaltet ist, besteht diese Gefahr tatsächlich. In dem Modell, das wir gemeinsam  vorschlagen, würden aber die Sanierungskosten von der Steuerschuld abgezogen. Damit können sämtliche Einkommensgruppen davon profitieren.

Wir haben mit der Sanierung des Gebäudebestands einen langen Weg vor uns. Deshalb muss es uns darum gehen, dass zukünftig drei Förderarten angeboten werden: Zuschüsse, zinsgünstige Kredite und zukünftig die steuerliche Absetzbarkeit energetischer Sanierungsmaßnahmen. Jede dieser „Säulen der Förderung“ kann für unterschiedliche Bedürfnisse der Gebäudeeigentümer ein besseres Instrument sein. Die steuerliche Förderung kann dabei neue Zielgruppen ansprechen. In diesem Fall wären die Besitzer von Ein- und Zwei-Familienhäusern angesprochen, die den Wohnraum selbst nutzen.

"Wir haben mit der Sanierung des Gebäudebestands einen langen Weg vor uns"

Die steuerliche Förderung kann aber nur ein weiterer Baustein der Förderung sein. Wir müssen gleichzeitig mehr für die Förderung der energetischen Sanierung von Mietwohnungen und Quartieren tun und den Prozess sozial gestalten. Bei Sanierungen von Mietwohnungen muss z. B. die Modernisierungsumlage in einem ersten Schritt gesenkt werden.

 Die energetische Gebäudesanierung wird  von vielen Seiten attackiert. „Volksverdämmung“ sagen die einen, weil es sich angeblich nicht rechnet oder zu schimmelnden Wänden führt. Andere kritisieren, dass energetische Sanierungen dafür genutzt werden, Mieterinnen und Mieter durch Luxussanierungen aus ihren Wohnungen zu vertreiben.

Die Gefahr von Entmietungen durch „Luxussanierungen“ allein auf die energetische Gebäudesanierung abzuschieben halte ich für verfehlt. Aber die energetische Sanierung des Bestands an Mietwohnungen ist in der Tat eine besondere Herausforderung. Denn fast 55 Prozent der Bevölkerung wohnt in Mietwohnungen und bei der Sanierung dieser Gebäude sind Investoren und  Nutzer des Wohnraums nicht immer identisch. So müssen die Vermieter die Investitionen tragen, die Mieter sparen in Folge die Heizkosten ein. Aktuell können deshalb Vermieter 11 Prozent der Investitionskosten dauerhaft auf die Kaltmiete umlegen.

"Langfristig muss daran gearbeitet werden, dass die Umlage warmmietenneutral ausgestaltet wird."

Das ist aus unserer Sicht  zu hoch, da es zu oft zur Verdrängung von Mieterinnen und Mietern führt. Die Modernisierungsumlage muss auf energetische Sanierungsmaßnahmen beschränkt sein und sich an der möglichen Energiekosteneinsparung des Mieters orientieren. Deshalb muss in einem ersten Schritt die Höhe der Modernisierungsumlage auf 8 Prozent gesenkt werden. Langfristig muss daran gearbeitet werden, dass die Umlage warmmietenneutral ausgestaltet wird. Hier sind wir uns auch mit dem Mieterbund einig.

Und zu allen anderen Vorwürfen gegenüber der Gebäudesanierung: Die Sanierung von Gebäuden ist keine simple Angelegenheit. Eine schlecht geplante oder nicht ordnungsgemäß umgesetzte Sanierung kann tatsächlich Probleme – wie z.B. Schimmelbildung – nach sich ziehen. Aus Sicht der Gewerkschaften ist deshalb klar: Wir brauchen gut ausgebildete PlanerInnen, IngenieurInnen und HandwerkerInnen. Denn wenn die Sanierung qualitativ hochwertig umgesetzt wird, führt das nicht nur zu Energieeinsparungen, sondern auch die Wohnqualität steigt. Dazu müssen aber die Arbeitsbedingungen in den Branchen stimmen und attraktive Arbeitsplätze für gute Fachkräfte bieten.

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Gebäudebestand in Deutschland bis 2050 „nahezu klimaneutral“ zu gestalten. Was muss sonst noch geschehen damit wir dieses Ziel erreichen?

In der vergangenen Legislaturperiode hat die Bundesregierung einige Konsultationen eingeleitet und auf dieser Grundlage Pläne entworfen. Die Bundesregierung hat daraus eine „Energieeffizienzstrategie Gebäude“ erarbeitet, die leider wenig Konkretes beinhaltet.

"Der DGB fordert schon seit Jahren, dass die Fördermittel für die energetische Sanierung auf 5 Milliarden Euro jährlich erhöht werden."

Die nächste Bundesregierung muss deshalb einen Gang hochschalten und die Wärmewende voranbringen. Denn wir brauchen Investitionen in die Sanierung des Gebäudebestands, um die Sanierungsquote zu steigern. Es geht dabei nicht nur um die energetische Sanierung. Durch den demografischen Wandel müssen z. B. mehr Mietwohnungsblöcke und Quartiere barrierefrei saniert werden. Der DGB fordert deshalb schon seit Jahren, dass die Fördermittel für die energetische Sanierung auf 5 Milliarden Euro jährlich erhöht werden. Dabei muss ein Schwerpunkt auf die Sanierung von Quartieren gelegt und auch die Fern- und Nahwärmenetze ausgebaut werden.

Ordnungsrechtlich ist in der vergangenen Legislaturperiode leider einiges liegen geblieben. Die Zusammenlegung der Energieeinsparverordnung und des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes stockt und die gebäudeindividuellen Sanierungsfahrpläne haben auch noch nicht die Sichtbarkeit bekommen, die sie brauchen. Auch hier müssen den Worten Taten folgen.

Für den Weg zu einem klimaneutralen Gebäudebestand muss ein Fahrplan vorgelegt werden. Die „Energieeffizienzstrategie Gebäude“ ist eine gute Idee. Sie muss aber weiterentwickelt werden und einen konkreten, transparenten und gerechten Fahrplan beinhalten.


DOWNLOAD

Verbändepapier: Impuls für mehr Klimaschutz (PDF, 187 kB)

Der Gebäudesektor spielt eine zentrale Rolle für das Erreichen der ambitionierten Klimaschutz- und Energieeffizienz-Ziele. Der DGB und mehrere Wirtschaftsverbände und Institutionen plädieren deshalb für eine technologieoffene steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung für selbstgenutztes Wohneigentum.


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