Deutscher Gewerkschaftsbund

25.07.2012
Mindestlohn-Interview

Torsten Albig: Wir setzen uns für Gute Arbeit ein

Torsten Albig, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident

Torsten Albig, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident SPD Schleswig-Holstein

Immer mehr Bundesländer haben mittlerweile Lohnuntergrenzen in den Vergabegesetzen: z.B. Brandenburg 8,00 Euro, Berlin 8,50 Euro, Rheinland-Pfalz 8,50 Euro, Nordrhein-Westfalen sogar 8,62 Euro. Die Landesregierung von Schleswig-Holstein hat im Koalitionsvertrag formuliert, dass es ein Vergabegesetz nach dem Vorbild Nordrhein-Westfalens geben soll. Dabei ist u.a. eine Mindestlohn-Regelung bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen vorgesehen, die sich an der niedrigsten Entgeltstufe des TVL bzw. TVÖD orientiert. Wie hoch wird der Mindestlohn dann also für Schleswig-Holstein sein und wie schnell ist mit diesem Vergabegesetz zu rechnen? Ist eine jährliche Anpassung des Mindestlohns geplant und wonach wird sie sich richten?

Torsten Albig: Wir wollen damit bald loslegen. Ein Landesvergabegesetz einschließlich Tariftreueregelungen und Mindestlohn bedarf einer sorgfältigen Abstimmung zwischen den Regierungsfraktionen, der Landesregierung und den Verbänden.

Die rot-grüne Regierungskoalition in Bremen plant ein Mindestlohngesetz, das nicht nur Bremen und Bremerhaven verpflichtet, den Beschäftigten mindestens 8,50 Euro zu zahlen, sondern auch alle Firmen, die mehrheitlich der öffentlichen Hand gehören. Ebenso Firmen, die öffentliche Aufträge oder Bürgschaften haben wollen und Verbände und Vereine, die Zuschüsse für ihre Arbeit beantragen. Streben Sie auch für Schleswig-Holstein einen solchen Weg an?

Torsten Albig: Es ist das erklärte Ziel der Landesregierung, Schleswig-Holstein zu einem Land mit besten Arbeitsbedingungen zu entwickeln. Wir setzen uns daher nachdrücklich für „gute Arbeit“ ein. Zu guten Arbeitsbedingungen gehören auch faire, leistungsgerechte und tariflich abgesicherte Entgelte sowie Mindestlöhne, die einen eigenständigen Lebensunterhalt ermöglichen. Neben einem modernen Tariftreuegesetz werden daher auch die Möglichkeiten für ein Mindestlohngesetz geprüft.

Auf Bundesebene unter Schwarz-Gelb ist offenbar kein echter Mindestlohn gewollt, der alle Löhne unterhalb von 8,50 Euro kassiert. Sie wollen sich deshalb im Bundesrat für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns einsetzen. Was sind die Gründe, wo sind die Verbündeten, wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten ein?

Torsten Albig: Ein gesetzlicher Mindestlohn ist dringend notwendig. Wer den ganzen Tag arbeitet, muss auch davon leben können - ohne auf ergänzende staatliche Leistungen angewiesen zu sein. Das ist nicht nur eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Es geht hier auch um den Wert und die Würde der Arbeit.
Ein gesetzlicher Mindestlohn wird entscheidend dazu beitragen, Armuts- und Dumpinglöhne zu verhindern. Und genau das kommt letztlich auch den Unternehmen zugute, die ihre Beschäftigten fair und angemessen entlohnen. Daher setzen wir uns für faire Wettbewerbsbedingungen ein.

Mit der Einführung der Hartz-Gesetze und den damit verschärften Zumutbarkeitsregeln ist die Zahl der Menschen, die arbeiten und trotzdem auf Hartz IV angewiesen sind, gestiegen. Kurz: Der Niedriglohnsektor wurde massiv befördert. Um den freien Fall der Löhne einzudämmen, fordern die Gewerkschaften u.a. den gesetzlichen Mindestlohn. Wenn Sie sich im Rückblick die Folgen der Agenda-Politik ansehen: War es ein Fehler, diese so genannten Arbeitsmarktreformen beschlossen zu haben?

Torsten Albig: Die Reformen waren grundsätzlich richtig und notwendig. Sie haben dazu beigetragen, wieder mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Leider ist es aber auch zu einer deutlichen Ausweitung des Niedriglohnsektors gekommen. Durch den Missbrauch im Bereich der Leiharbeit haben schlecht bezahlte und unsichere Beschäftigungsverhältnisse zugenommen. Daher müssen wir hier dringend etwas tun. Die Lohnspirale darf nicht noch weiter nach unten absinken. Wir lehnen als schleswig-holsteinische Landesregierung diese prekären Beschäftigungsverhältnisse ausdrücklich ab und setzen uns für die Begrenzung von Leih- und Zeitarbeit ein. Daher ist ein gesetzlicher Mindestlohn so wichtig und auch richtig. Nur so können wir Lohndumping und einer weiteren sozialen Spaltung entgegenwirken.

Welche finanziellen Auswirkungen hätte die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro in Schleswig-Holstein? Wie groß wäre die finanzielle Entlastung für das Land durch sinkende Transferkosten, wenn es weniger „Aufstocker“ gäbe? Lässt sich abschätzen, wie hoch die Mehreinnahmen durch steigende Steuereinnahmen und Sozialbeiträge sein würden?

Torsten Albig: Ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro führt zu Mehreinnahmen bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Das entlastet die Sozialkassen.

Es gibt Untersuchungen zu den Auswirkungen eines Mindestlohns auf öffentliche Haushalte. Diese Studien haben gezeigt, dass damit auch erhebliche finanzielle Auswirkungen für die Haushalte verbunden sind. Im Falle eines Mindestlohns von 8,50 Euro würden sich diese bundesweit auf gut 7 Milliarden Euro belaufen. Gleichzeitig würde die Einkommenssituation von fünf Millionen Menschen verbessert. Und genau das ist für die schleswig-holsteinische Landesregierung der entscheidende Grund, sich für einen Mindestlohn einzusetzen. Wir wollen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Schleswig-Holstein, die den ganzen Tag arbeiten, von ihrer Arbeit auch menschenwürdig leben können.


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