Deutscher Gewerkschaftsbund

17.11.2016
Vier Fragen an Annelie Buntenbach

"Viele Geflüchtete sind hoch motiviert zu arbeiten"

Es wird viel über Flüchtlinge geredet, wenig mit ihnen. Jetzt hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) Geflüchtete befragt – unter anderem zu Fluchtursachen, finanzieller Lage, Bildungshintergrund und ihren Ansichten zu Demokratie und Toleranz. DGB-Vorstand Annelie Buntenbach bewertet die Ergebnisse.

Mann mit Buch

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Vier Fragen an... Annelie Buntenbach

Was lernen wir aus der Befragung?

„Sie bietet die Chance, Vorurteile gegenüber Geflüchteten abzubauen und schiefe Bilder geradezurücken. Die allermeisten sind vor Verfolgung, Krieg, Diskriminierung und Hungersnot geflohen. Diese Menschen suchen Schutz bei uns und haben sich für Deutschland entschieden, weil hier die Menschenrechte respektiert werden. Die geflüchteten Menschen sind mehr als bereit, sich bei uns zu integrieren - auch wenn die Schulbildung in vielen Fällen nicht mit unserer vergleichbar ist. Eine große Gruppe hat einen höheren Schulabschluss, 26% haben aber auch keinen Abschluss. Das ist häufig der Kriegssituation geschuldet.“

Gibt es für diese Menschen einen Weg in den Arbeitsmarkt?
Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach DGB/Simone M. Neumann

Annelie Buntenbach ist seit 2006 Mitglied des Geschäftsführenden DGB-Bundesvorstands und dort unter anderem zuständig für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie Migrations- und Antirassismuspolitik.

„Ganz bestimmt. Viele Geflüchtete bringen informelle Qualifikationen oder berufliche Erfahrungen mit und sind hoch motiviert zu arbeiten. Der Weg in den Arbeitsmarkt mag etwas länger sein, da muss erst erst einmal Geld in Bildung und Ausbildung investiert werden. Aber wenn wir in Zukunft gute und qualifizierte Arbeitskräfte haben wollen, ist das eine gute Investition in die Zukunft. Inländische Arbeitskräfte müssen schließlich auch ausgebildet werden. Außer, dass bei ausländischen Arbeitskräften der Spracherwerb dazukommt, gibt es keine großen Unterschiede. Jetzt ist es an den Arbeitgebern etwas für die Fachkräfte von morgen zu tun.“

Sind Flüchtlinge eine Konkurrenz für andere Gruppen auf dem Arbeitsmarkt?

„Nein. Aber dafür ist es wichtig, dass wir nicht zulassen, dass Flüchtlinge in Dumping und ausbeuterische Beschäftigung abgedrängt werden, der Mindestlohn zum Beispiel muss für alle gelten. Und: Wir müssen immer an alle denken: an Langzeitarbeitslose, gering Qualifizierte und Flüchtlinge. Diese Gruppen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wir müssen intensiv dafür werben, dass junge Menschen eine Ausbildung machen und ältere Menschen Qualifizierungen durchlaufen, die möglichst zu einer Vollausbildung führen. Die Bundesagentur für Arbeit hat inzwischen mit Unterstützung von Gewerkschaften und Arbeitgebern Programme auf den Weg gebracht, die bei der Integration helfen sollen. Ziel ist die Integration geflüchteter Menschen, aber auch die Vermeidung von Ausbeutung.“

96 Prozent der Befragten haben eine positive Einstellung zur Demokratie. Überrascht Sie das?

„Der Anteil ist ähnlich hoch, eher höher, als bei der einheimischen Bevölkerung. Obwohl - oder vielleicht auch gerade weil - viele Geflüchtete aus diktatorisch regierten Ländern kommen. Besonders wichtig sind den Befragten der Schutz der Bürgerrechte und die Achtung Schwächerer. Dem liegt wahrscheinlich die Erfahrung zugrunde, dass der Staat in ihrer Heimat diese Ziele eben nicht effektiv durchsetzen konnte oder wollte. Zu diesen Werten ist die Zustimmung sogar noch höher als bei der inländischen Bevölkerung.“


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