Am 24. April jährt sich das Unglück der Textilfabrik in Dhaka/Bangladesch. Beim Einsturz des Rana Plaza-Hochhauses kamen vor einem Jahr 1135 ArbeiterInnen ums Leben, mehr als 2000 wurden verletzt. Viele Modeunternehmen, die in der Fabrik ihre Produkte fertigen ließen, haben bis heute keine Entschädigung gezahlt.
„Zahlt uns endlich Entschädigung“, fordert Shila Begum. Sie war Näherin in der Rana Plaza-Textilfabrik und hat die Katastrophe vor einem Jahr überlebt. Gemeinsam mit ArbeiterInnen aus Bangladesch, GewerkschafterInnen und VertreterInnen von Menschenrechtsorganisationen ist sie nun in Deutschland unterwegs, um die deutschen Modeunternehmen zur Zahlung aufzufordern. „Ich bin bereit, so lange zu kämpfen, bis die Rana Plaza-Opfer endlich entschädigt sind.“
DGB/Klaus Harbers
Die Voraussetzung dafür haben nach der Katastrophe die Gewerkschaften aus Bangladesch, der internationale Gewerkschaftsdachverband IndustriALL und die Kampagne für saubere Kleidung getroffen. Um die Zahlungen transparent und gerecht zu gestalten, wurde ein Entschädigungsfonds unter Aufsicht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) eingerichtet. Mindestens 40 Millionen US-Dollar werden benötigt, um die Hinterbliebenen und die Verletzten zu entschädigen. Doch viele Modeunternehmen, auch aus Deutschland, haben bisher nichts beigetragen.
Transparenten Prozess einhalten
Unternehmen wie der Discounter KIK Textilien haben zwar gezahlt, blieben mit den überwiesenen Geldsummen aber weit hinter den Forderungen zurück. So steuerte KIK 500 000 US-Dollar zum Entschädigungsfonds bei. Angesichts der Größe, mit der KIK in Bangladesch produzieren ließ, sei die Summe viel zu gering, kritisiert die Kampagne für saubere Kleidung.
Weitere 500 000 Dollar spendete KIK in andere Kanäle. Eine solche Spende widerspreche grundsätzlich der Idee eines nach internationalen, transparenten Regeln ausgerichteten und von der ILO kontrollierten Entschädigungsprozesses, kritisiert Frauke Banse von der Kampagne für saubere Kleidung. „KiK hat die Hälfte des Geldes nicht in den von der ILO kontrollierten Fonds eingezahlt. Es geht hier aber nicht um willkürlich verteilte Almosen, sondern um einen nach internationalen Regeln und für alle transparenten Prozess – diesen unterläuft KiK.“
National Garment Workers Federation (NGWF)
Betriebsräte machen Druck
Auch Betriebsräte und Beschäftigte der Modeketten Zara und H&M fordern in Resolutionen die Geschäftsleitungen ihrer Unternehmen auf, Verantwortung zu übernehmen. So fordern die ArbeitnehmervertreterInnen mehr Rechte für die Gewerkschaften in den Produktionsländern und Löhne, von denen die ArbeiterInnen leben können. Zudem fordern sie mehr Transparenz über die gesamten Lieferstrukturen. Es müsse klar sein, welche Betriebe und Subunternehmen im Auftrag des Arbeitgebers produzieren. „Nur mit klarer Transparenz kann Verantwortung auch überprüft werden.“
Mehr Rechte für Gewerkschaften
ver.di, die Menschenrechtsorganisationen TIE Exchains und die Kampagne für Saubere Kleidung haben nun die Aktion „Eigentum verpflichtet – für gesetzliche Unternehmensverantwortung“ gestartet. ver.di-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger erklärt: „Das Unglück in Rana Plaza zeigt, wie wichtig eine gesetzliche Unternehmensverantwortung ist, die auch vor nationalen Grenzen nicht Halt machen darf – zumal wir es mit Produktions- und Lieferketten zu tun haben, die über deutsche Ländergrenzen hinweg gehen. Nur wenn es für deutsche Unternehmen teuer wird, menschenrechtliche Risiken sowie soziale und ökologische Kosten auf Mensch und Natur abzuwälzen, werden Katastrophen wie die in Rana Plaza vermieden.“ Der Druck auf die Modeunternehmen soll verstärkt werden, damit diese endlich die fehlenden knapp 25 Millionen US-Dollar zahlen.
An anderer Stelle gibt es mittlerweile politische Initiativen, um die Sicherheit in den Fabriken zu verbessern. Der Präsident des Internationalen Gewerkschaftsbundes und DGB-Vorsitzender Michael Sommer betont, wie wichtig das von UNI und IndustriALL unterstützte Sicherheitsprogramm ACCORD für die Textilindustrie ist. Die Instrumente von ACCORD, wie die Festlegung von Sicherheitsstandards für Gebäude- und Brandschutz, die Kontrolle der Unternehmen und die Schulung von Experten seien gut durchdachte Schritte. Sommer war Anfang April in Bangladesch und traf unter anderem Überlebende der Katastrophen von Rana-Plaza und Tarzeen. In einer Textilfabrik in Tarzeen sind Ende 2012 mehr als hundert ArbeiterInnen einem Feuer zum Opfer gefallen. Michael Sommer berichtet: „Die Kontrollen haben nun begonnen und offenbaren einen erheblichen Bedarf an Verbesserungen bei Gebäude- und Brandschutz“. Um die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie zu verbessern, fordert der DGB-Vorsitzende mehr Rechte für die Gewerkschaften. „Eine Lösung der Probleme ohne die Gewerkschaften ist undenkbar.“
Weitere Informationen:
Aktuelle Meldungen zum Jahrestag der Katastrophe gibt es auf twitter unter dem Hashtag #RPNeverAgain
Die Resolution der Betriebsräte von Zara und H&M im pdf-Format: