In ihrem jährlichen Lohn- und Gehaltsreport lobt die Internationale Arbeitsorganisation ILO ausdrücklich den gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland, der ab 1. Januar 2015 eingeführt wird. Er sei nicht nur ein Mittel gegen soziale Ungleichheit. "Der Mindestlohn hilft auch, Wachstumskräfte freizusetzen", so die ILO.
Die ILO, eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, kritisiert in ihrem Global Wage Report 2014/2015, dass in den Industrieländern die Arbeitsproduktivität weiterhin schneller wachse als Löhne und Gehälter. Beschäftigte profitieren also nicht ausreichend an der wachsenden Produktivität. Das führe in den meisten Ländern dazu, dass der Anteil der Kapitaleinkünfte am Bruttosozialprodukt wachse, der Anteil der Arbeitseinkommen hingegen abnehme. Im Klartext: Kapitalgewinne wachsen deutlich stärker als Löhne und Gehälter. "Dieser Trend zeigt, dass Arbeitnehmer und ihre Haushalte einen kleineren Teil des wirtschaftlichen Wachstums erhalten, während Kapitaleigner eher profitieren", resümiert die ILO.
Da die allgemeine soziale Ungleichheit "hauptsächlich durch Lohnungleichheit verursacht wird, ist die Arbeitsmarktpolitik gefragt", erklärte die Vize-Generaldirektorin Sandra Polaski. "Fiskalische Umverteilungsmechanismen, Steuern und eine Politik der sozialen Absicherung tragen zur Lösung bei", so Polaski weiter, "können aber alleine das Problem der Ungleichheit nicht beseitigen".
Eine umfassende Strategie gegen soziale und Lohnungleichheit müsse unter anderem Mindestlöhne, die Stärkung von Tarifverträgen und angemessene soziale Sicherungssysteme umfassen, erklärte Polaski. "Entsprechend begrüßt die ILO die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland ab 2015." Höhere Löhne durch die Einführung des Mindestlohnes seien nicht bloß ein Rezept gegen soziale Ungleichheit und für einen gerechteren Anteil am Produktivitätswachstum. "Der Mindestlohn hilft auch, Wachstumskräfte freizusetzen – durch Steigerung der Kaufkraft und Entlastung der öffentlichen Haushalte für Investitionen."