Deutscher Gewerkschaftsbund

20.01.2011
Vier Fragen an Annelie Buntenbach

Arbeitgeber müssen sich vom Jugendwahn lösen

Interview

Nur noch jeder Zehnte erreicht heute das reguläre Rentenalter, doch der Gesetzgeber beharrt auf der Rente mit 67. "Wir müssen alles dafür tun, dass Menschen bis zum 65. Lebensjahr gesund in Lohn und Brot bleiben können", sagt DGB-Vorstand Annelie Buntenbach im LVZ-Interview.

Die Rente mit 67 bedeutet für die ArbeitnehmerInnen eine massive soziale Härte. Denn schon heute schafft es nur jede Zehnte bis zum regulären Rentenalter von derzeit 65 Jahren. Dies ließe sich durch altersgerechte Arbeitsbedingungen ändern, meint DGB-Vorstand Annelie Buntenbach. Doch dafür müssten sich die Arbeitgeber vom jahrelang gepflegten Jugendwahn lösen. Ein Interview der Leipzig Volkszeitung.

Annelie Buntenbach ist im geschäftsführenden Bundesvorstand des DGB unter anderem für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik zuständig. Die Sozialexpertin fordert ein neues System zur Rentenberechnung, das auch unterschiedliche Erwerbsbiografien und berufliche Belastungen berücksichtigt.

Leipziger Volkszeitung: In der Zukunft gibt es immer weniger Junge und immer mehr Alte – mit einer erfreulich steigenden Lebenserwartung. Ist die Rente mit 67 deshalb unvermeidlich?

Annelie Buntenbach: Nein. Die Rente mit 67 bedeutet eine massive soziale Härte. Und die steht in überhaupt keinem Verhältnis zu ihrer Wirkung auf den Beitragssatz von lediglich 0,5 Prozentpunkten. Wir müssen die Finanzierung durch eine Erwerbstätigenversicherung, in die auch Selbstständige und Politiker mit hineingehören, auf eine breitere Grundlage stellen. Zur Stabilisierung der Rentenkassen würden auch anständige Löhne beitragen, ein Existenz sichernder gesetzlicher Mindestlohn und eine Eindämmung der unsicheren Beschäftigungsverhältnisse, die  momentan noch außerhalb der Sozialversicherung liegen.

Nach Einschätzung der Bundesregierung hat nur jeder vierte 60- bis 64-jährige Arbeitnehmer einen regulären, sozialversicherungspflichtigen Job. Wird sich das grundlegend ändern? Oder läuft die Rente mit 67 vor allem darauf hinaus, die Altersbezüge zu senken?

Tatsächlich schafft es nur jeder Zehnte, die Altersgrenze von 65 aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung zu erreichen. Die anderen finden schon vorher keinen Job mehr oder halten gesundheitlich nicht so lange durch. Für sie bedeutet die Rente mit 67 eine zusätzliche Kürzung der Altersbezüge.

Der DGB ist gegen die Rente mit 67, die SPD stimmte im Bundestag zwar für die längere Lebensarbeitszeit, will sie jedoch plötzlich  auf Eis legen. Braucht Deutschland zunächst ein Konzept, um mehr Ältere in Arbeit zu bringen?

Menschen in gesundheitlich besonders belastenden Berufen haben doch überhaupt keine Chance, auch nur bis 65 zu arbeiten. Ich hätte mir gewünscht, dass die SPD sich schon früher dieser Lebenswirklichkeit gestellt hätte.

Der wachsende Fachkräftemangel wird Unternehmen künftig zwingen, mehr rüstige Senioren zu beschäftigen. Wie muss sich die Arbeitswelt ändern, um für Ältere attraktiv zu bleiben?

Wir müssen alles dafür tun, dass Menschen bis zum 65. Lebensjahr gesund in Lohn und Brot bleiben können. Dazu gehören ein besserer Arbeits- und Gesundheitsschutz und Weiterbildung, auch für Ältere. Die Arbeitgeber müssen sich vom jahrzehntelang gepflegten Jugendwahn lösen und für altersgerechte Arbeitsbedingungen sorgen. Es geht aber nicht nur darum, das Potenzial der Älteren zu erschließen, sondern zugleich um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um eine höhere Frauenerwerbsquote zu erreichen. Bisher unzureichend ausgebildete Jugendliche und Langzeitarbeitslose müssen qualifiziert werden.

Leipziger Volkszeitung

Zeitgeschichtliches Forum Leipzig

 


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