Deutscher Gewerkschaftsbund

07.10.2013
Mitbestimmung beim Einsatz von WerkverträglerInnen

Betriebsrat und Werkverträge

In vielen Unternehmen werden dauerhaft ArbeitnehmerInnen von anderen Firmen eingesetzt. In der Vergangenheit geschah dies vor allem in Form von Leiharbeit. Inzwischen haben die Gewerkschaften jedoch Tarifverträge mit höheren Löhnen für LeiharbeitnehmerInnen erkämpft und seit 2012 gibt es eine gesetzliche Lohnuntergrenze für Leiharbeit. Gleichzeitig haben sich die Betriebsräte vielfach über das Gesetz hinausgehende Mitbestimmungsrechte und zahlreiche Equal-Pay-Vereinbarungen bei dem Einsatz von LeiharbeitnehmerInnen erstritten.

Deshalb suchen viele Unternehmen nach neuen Möglichkeiten, um Personalkosten einzusparen und eine höchstmögliche Flexibilität auf Kosten von Arbeitnehmerrechten zu erreichen.

Seit einiger Zeit werden Betriebsräte daher mit dem Einsatz von WerkverträglerInnen in ihren Betrieben konfrontiert. Zunächst muss dann geklärt werden, ob es sich tatsächlich um einen echten Werkvertrag oder um verdeckte Leiharbeit handelt. Denn ob es sich um Werkverträge oder Leiharbeit handelt, beeinflusst die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates und auch die Rechte der betroffenen ArbeitnehmerInnen.

Was ist ein Werkvertrag?

Mit einem Werkvertrag verpflichtet sich der Werkunternehmer zur Herstellung eines Werkes, er hat einen bestimmten Arbeitserfolg herbei zu führen. Ein typischer Werkvertrag sah früher so aus: Ein Elektriker kommt in die Filiale eines anderen Unternehmens und verlegt eine Stromleitung. Der Elektriker hat seinen Arbeitsvertrag mit dem Handwerksunternehmen und er unterliegt ausschließlich den Weisungen seines Arbeitgebers. Das Handwerksunternehmen trägt auch die Verantwortung für die Ausführung der Arbeiten.

Inzwischen führen die WerkverträglerInnen dauerhaft Arbeiten aus, die zum Kerngeschäft des Betriebes gehören und die zuvor von eigenen ArbeitnehmerInnen des Betriebes erledigt wurden. Die aufgrund eines Werkvertrages im Betrieb eingesetzten ArbeitnehmerInnen und die ArbeitnehmerInnen des Betriebes erledigen nebeneinander vergleichbare Aufgaben, haben aber verschiedene Arbeitgeber.

Abgrenzung zwischen Werkvertrag und Leiharbeit

Werden ArbeitnehmerInnen wie LeiharbeitnehmerInnen eingesetzt, aber ein Werkvertrag mit dem Fremdunternehmen vorgeschoben, handelt es sich um einen sogenannten Umgehungswerkvertrag und damit um verdeckte Leiharbeit.

Wann handelt es sich um Leiharbeit?

Das Bundesarbeitsgericht bejaht eine Arbeitnehmerüberlassung, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers in dessen Interesse ausführen (Bundesarbeitsgericht vom 18.01.2012 – 7 AZR 723/10). Für eine Eingliederung in den Betrieb spricht, wenn der Betriebsinhaber für das Fremdpersonal den Arbeitsort und die Arbeitszeiten bestimmt und die Arbeit mit betrieblichen Arbeitsgeräten ausgeführt wird.

Wann liegt ein Werkvertrag vor?

Für den Werkvertrag ist nach dem Bundesarbeitsgericht kennzeichnend, dass der Werkunternehmer die Ausführung des Werkes organisiert und auch die Verantwortung dafür trägt. Die WerkverträglerInnen haben einen Arbeitsvertrag mit dem Werkunternehmer und unterliegen dessen Weisungen. Jedoch kann auch das Drittunternehmen den WerkverträglerInnen vor Ort Anweisungen für die Ausführung des Werkes erteilen. Deshalb ist es schwierig die beiden Vertragsformen voneinander abzugrenzen.

Konsequenzen für den Betriebsrat

Ob ein Werkvertrag oder Arbeitnehmerüberlassung vorliegt hat Auswirkungen auf die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates.

Mitbestimmung bei dem Einsatz von LeiharbeitnehmerInnen

Die LeiharbeitnehmerInnen können den Betriebsrat mitwählen, wenn sie länger als drei Monate im Einsatzbetrieb eingesetzt werden. Sie zählen nach der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch bei der Bestimmung der Größe dieses Betriebsrates mit (BAG vom 13.03.2013 – 7 ABR 69/11). Es ist noch höchstrichterlich zu klären ob die LeiharbeitnehmerInnen auch bei der Anzahl der freigestellten Betriebsräte berücksichtigt werden müssen, aber die Tendenz der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts spricht dafür.

Der Betriebsrat hat gem. § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG ein Informationsrecht auch bezüglich der Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen und daher ein Recht über den Einsatz von LeiharbeitnehmerInnen rechtzeitig und umfassend informiert zu werden.

Schließlich muss der der Betriebsrat vor jeder Einstellung von LeiharbeitnehmerInnen gem. § 14 Abs. 3 S. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) in Verbindung mit § 99 BetrVG beteiligtwerden. Er kann der Einstellung aus bestimmten Gründen seine Zustimmung verweigern.

Mitbestimmung bei Werkverträgen

Um zu klären, ob es sich tatsächlich um Werkverträge oder um verdeckte Leiharbeit handelt, sollte der Betriebsrat zunächst von seinem Informationsrecht nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) Gebrauch machen. Danach kann er vom Arbeitgeber umfassende Auskünfte über Personen verlangen, die als Fremdpersonal im Betrieb eingesetzt werden.

Gemäß § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hat er Unterrichtungs- und Beratungsrechte bei der Planung von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen und nach den §§ 92 und 92a BetrVG ist er bei der Personalplanung mit einzubeziehen. Der Betriebsrat hat auch ein Recht, Alternativvorschläge zur Vergabe der Arbeiten an andere Unternehmen zu machen.

Gemäß § 99 BetrVG hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei Einstellungen. Es muss anhand des Einzelfalles geklärt werden ob beim Einsatz aufgrund eines Werkvertrages eine Einstellung vorliegt. Maßgeblich ist, ob der Betriebsinhaber die Entscheidungsbefugnis für Zeit und Ort der Arbeitsleistung hat. Ist dies der Fall, sollte der Betriebsrat auf einer Beteiligung gem. § 99 BetrVG bestehen. Sollte der Arbeitgeber dem nicht nachkommen, kann der Betriebsrat wegen seiner fehlenden Beteiligung gem. § 101 BetrVG das Arbeitsgericht anrufen, um zu erreichen, dass die Einstellung aufgehoben wird.

Ebenfalls umstritten ist es, ob der Betriebsrat Mitbestimmungsrechte gem. § 87 BetrVG auch in Bezug auf die WerkverträglerInnen hat. In Betracht kommen z.B. Betriebsvereinbarungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz oder zum Einsatz von Überwachungstechnik, von der auch die WerkverträglerInnen erfasst werden sollen. Aus gewerkschaftlicher Sicht sollte der Betriebsrat sich diese Rechte erstreiten. Zum Einen, um die Rechte der WerkverträglerInnen zu stärken, die in ihrem Unternehmen häufig keinen Betriebsrat haben. Zum Anderen, weil sich der Betriebsrat auf diese Weise seine Einflussmöglichkeiten und damit eine starke Position im Betrieb sichert.

Auswirkungen der Umgehungswerkverträge

Durch den Einsatz von WerkverträglerInnen wird, wie auch beim Einsatz von LeiharbeiterInnen, die Belegschaft gespalten. Bei der Stammbelegschaft werden Arbeitsplätze abgebaut und diese Arbeiten durch WerkverträglerInnen erledigt. Die Rechte des Betriebsrates sind eingeschränkt und er wird in seiner Verhandlungsposition mit dem Arbeitgeber geschwächt. Gleichzeitig bekommen die WerkverträglerInnen und auch die LeiharbeiterInnen fast immer weniger Lohn, obwohl sie die gleiche Arbeit wie die Stammbelegschaft machen. Dadurch entsteht für die gesamte Belegschaft ein Lohndruck nach unten. Da sie häufig nur für kurze Zeit im Betrieb eingesetzt werden, können sie sich keine gute Position im Betrieb aufbauen bzw. kollegiale Kontakte zur Stammbelegschaft knüpfen. Es entstehen zwei Klassen von ArbeitnehmerInnen im Betrieb.

Die Position der Gewerkschaften

Der DGB bezieht eindeutig Stellung gegen die missbräuchliche Nutzung von Werkverträgen. Werden Werkverträge abgeschlossen, um Lohndumping und die Aushöhlung der ArbeitnehmerInnen-Rechte voranzutreiben, so stellt dies einen Angriff auf die Idee des unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnisses mit angemessener Bezahlung dar. Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert deshalb von der Politik eine Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG), damit die missbräuchliche Nutzung von Werkverträgen unmöglich gemacht wird. Gleichzeitig tritt der DGB dafür ein, dass die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte in Bezug auf den Einsatz von WerkverträglerInnen gestärkt werden. Die Rechte des Betriebsrates sollten dahingehend ausgebaut werden, dass er auch bei der Beschäftigung von ArbeitnehmerInnen auf Werkvertragsgrundlage ein Mitbestimmungsrecht hat. Dem Betriebsrat sollte das Recht zustehen, die Zustimmung zum Einsatz von Fremdfirmen im Einzelfall zu verweigern, wenn dadurch Nachteile für die Stammbelegschaft entstehen können. Das derzeitig bestehende Recht des Arbeitgebers, eine Einstellung vorläufig durchzuführen, obwohl der Betriebsrat die Zustimmung verweigert hat, sollte eingeschränkt werden. Zudem sollten eindeutige Kriterien für die Abgrenzung zwischen Leiharbeit und Werkverträgen festgelegt werden.

Der DGB-Bundesvorstand verabschiedete am 2.10.2012 ein Positionspapier gegen die missbräuchliche Nutzung von Werkverträgen:

DGB-Position zu Werkverträgen (PDF, 67 kB)

Positionspapier des DGB- Bundesvorstandes gegen die missbräuchliche Nutzung von Werkverträgen vom 2.10.2012


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