Deutscher Gewerkschaftsbund

04.12.2014

Körzell: Investitions-Quote dümpelt auf sehr niedrigem Niveau

"Seit einigen Jahren dümpelt die Investitionsquote auf sehr niedrigen Niveau vor sich hin", kritisierte DGB-Vorstand Stefan Körzell auf einer Konferenz von DGB, Friedrich-Ebert-Stiftung, vzbv, weed und Finance Watch. Investitionen in die Infrastruktur würden jedoch nicht nur Deutschlands, sondern "gleichzeitig Europas Zukunftsfähigkeit sichern". Körzell warb für den DGB-Marshallplan für Europa.

Körzell diskutierte gemeinsam mit Udo Bullmann, Mitglied des Europäischen Parlaments und des ECON-Ausschusses (SPD/S&D), und Markus Ferber, Mitglied des Europäischen Parlaments und stellvertretender Vorsitzender des ECON-Ausschusses (CSU/EVP), zum Thema "Langfristige Finanzierung: Welche Finanzierung für welche Investitionen durch wen?".

Die Konferenz

Das übergreifende Ziel der aktuellen Reform von Finanzmärkten und Banken ist, diese sicher und nachhaltiger zu machen, damit sie langfristig der Gesellschaft nutzen. Aber wie weit wurde dieses Ziel in den Jahren seit der Krise erreicht? Diese Frage hat die gemeinsame Konferenz "Banken und Finanzmärkte: sicher und langfristig?" von Finance Watch,  DGB, Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), WEED und Friedrich-Ebert-Stiftung am 4. Dezember in Berlin erkundet. Auf vier Podien diskutierten die TeilnehmerInnen und ExpertInnen aus Politik und Wirtschaft über Banken- und Finanzmarktregulierung und notwendige Investitionen.

Mit Blick auf haushalts- und finanzpolitische Instrumente wie die so genannte Schuldenbremse erklärte Körzell: "Selbstangelegte Fesseln kann man auch wieder ablegen." Die Schuldenbremse behindere Maßnahmen für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands.

Angesichts des europaweiten Investitionsbedarfs, unter anderem für Infrastrukturmaßnahmen, erläuterte Körzell noch einmal den "Marshallplan" des DGB für Europa.

"Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat in seinem Marshallplan-Konzept für Europa einen neuen Mechanismus vorgeschlagen, der privates Kapital in die benötigten Investitionen lenken könnte. Wir wollen, dass die Investitionen von einem öffentlich kontrollierten, auf europäischer Ebene angesiedelten, Fonds finanziert und koordiniert werden. Dieser „Europäische Zukunftsfonds“ kann dann direkt Mittel für öffentliche Investitionen an nationale Regierungen, Regionen oder Kommunen ausgeben. Er kann über nationale oder regionale Förderbanken Investitionszulagen und zinsgünstige Kredite für private Investitionen ausgeben. Woher bekommt der Zukunftsfonds das Geld? Unser Vorschlag ist: Der Fonds gibt eigene verzinsliche Anleihen aus. Damit kann er privates, liquides Finanzkapital aufnehmen und in die sinnvollen Investitionen lenken. Zur Bedienung der Zinsen sollte eine wirklich europäische Variante gewählt werden. Wir schlagen deshalb vor, dass dazu Einnahmen der Finanztransaktionssteuer verwendet werden, die aus unserer Sicht endlich eingeführt werden muss."

DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell am 4. Dezember auf der Konferenz "Banken und Finanzmärkte: sicher und langfristig?"

Bullmann: "Wir de-industrialisieren uns"

Das Investitions-Niveau in Europa sei zu niedrig, erklärte auch Udo Bullmann im Rahmen der Diskussion. "Wir de-industrialisieren viele Ländern und verbauen uns unsere Zukunft", so der SPD-Europaabgeordnete. Europa müsse mehr auf die Nachfrageseite achten. Rentabilität sei bei vielen Investitionen erst mittelfristig gegeben, da müsse gegebenenfalls "der Staat einspringen". 

"Unser Finanzierungsspielraum ist größer als wir gegenwärtig wahrnehmen", so Bullmann. Mittel des ESM könnten beispielsweise auch in produktive Investitionen fließen. Politik müsse hier nacharbeiten. "Die Politik hat mehr Finanzierungsspielraum für Investitionen als sie sich gegenwärtig eingesteht. Warum nicht den ESM auch Zukunftsfähigkeit Europas einsetzen?", fragte Bullmann. Denkverbote müssten aufgehoben, die Balance zwischen privaten und öffentlichen Aufgaben wieder hergestellt werden.

Ferber: Investitionen in Europa attraktiver machen

CSU-MdEP Markus Ferber stellte die Frage, was Europa tun müsse, um Investoren die nötige Sicherheit zu geben. "Momentan scheinen Immobilienanlagen in China attraktiver" als Investitionen in Europa, so Ferber. Der ESM solle jedoch nicht zweckentfremdet werden, forderte Ferber. "Er wird vielleicht doch in Zukunft für die Rettung von überschuldeten Staaten gebraucht."

Körzell: Politik braucht mehr Mut

DGB-Vorstand Stefan Körzell erläuterte, welche Effekte der vom DGB vorgeschlagene Marshallplan für Europa haben könne: "Der DGB rechnet damit, dass ein solches, auf zehn Jahre angelegtes, Investitionsprogramm mit jährlichen Investitionen von 260 Milliarden Euro ein zusätzliches Wachstum von 3 Prozent des EU-BIP pro Jahr bringen könnte. Wir hätten eine solide Basis für 9 bis 11 Millionen zusätzliche Vollzeitstellen. Investitionen in Energiewende und Infrastruktur würden gleichzeitig Europas Zukunftsfähigkeit sichern."

Dafür brauche es aber vor allem eines: "Aus unserer Sicht wäre es gar nicht so kompliziert für Europa, aus dem Schlamassel herauszukommen. Alles was der Politik wohl derzeit noch fehlt ist ein bisschen mehr Mut."

Ein Marshallplan für Europa (PDF, 271 kB)

Vorschlag des Deutschen Gewerkschaftsbundes für ein Konjunktur-, Investitions- und Aufbauprogramm für Europa. Zusammenfassung und Zusammenfassung.

A Marshall Plan for Europe (PDF, 739 kB)

Proposal by the DGB for an economic stimulus, investment and development programme for Europe.


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Ein Marshallplan für Europa

Dokument ist vom Typ application/pdf.

Vorschlag des Deutschen Gewerkschaftsbundes für ein Konjunktur-, Investitions- und Aufbauprogramm für Europa. Zusammenfassung und Langfassung.


A Marshall Plan for Europe

Dokument ist vom Typ application/pdf.

Proposal by the DGB for an economic stimulus, investment and development programme for Europe.