Deutscher Gewerkschaftsbund

21.03.2016
Gesetzesvorhaben

Mutterschutz reformieren

einblick 05/2016

Die Regierungsfraktionen arbeiten weiter daran, ihre Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einzulösen. Einen Reformvorschlag zum Mutterschutzgesetz hat das Bundesfamilienministerium nun in einer zweiten Fassung vorgelegt. DGB und Gewerkschaften reagieren mit Zustimmung – und mit Kritik.

Familie Frau und Mann und Kleinkind im Kinderwagen

DGB/Simone M. Neumann

Höchste Zeit sei es für eine Änderung des aus dem Jahr 1952 stammenden Gesetzes, findet die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. „Nach über 60 Jahren ohne nennenswerte Änderungen ist eine Reform des Mutterschutzgesetzes überfällig.“ Der tiefgreifende Wandel der Arbeitswelt, der mit Arbeitsverdichtung und fortschreitender Entgrenzung der Arbeit verbunden ist, erfordert die Anpassung des Mutterschutzrechts. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Arbeitsbedingungen und damit auch die Belastungen verändert. Auch werden die überkommenen Bestimmungen des geltenden Rechts den heutigen Erwerbsbiografien vieler Frauen nicht mehr gerecht.

Bestmögliche Bedingungen für Gesundheit

Schwangere und stillende Frauen verdienen bestmögliche Bedingungen für Sicherheit und Gesundheit. Aber sie haben auch Anspruch auf Teilhabe an der Erwerbsarbeit und an sozialen Chancen. Seit langem plädieren DGB und Gewerkschaften dafür, die Berufsunterbrechung mit Augenmaß und nicht zu lang zu gestalten. Sie fordern außerdem, Hindernisse für den Wiedereinstieg in den Beruf nach der Elternzeit abzubauen. Es brauche „wirksame gesetzliche Regelungen, um die Probleme zu lösen, mit denen erwerbstätige Frauen häufig sehr früh in der Schwangerschaft konfrontiert sind“, stellt Elke Hannack fest. Die neuen Regelungen sollen besser an die differenzierte Arbeitswelt von heute angepasst werden, der Schutz soll auf möglichst viele schwangere und stillende Frauen ausgedehnt werden.

Grafik Mutterschutz

Dauer des Mutterschutzes in ausgewählten EU-Staaten einblick

Ein Gesetz für alle Regelungen

Eine in §10 verbindlich festgelegte Reihen- und Rangfolge von Schutzmaßnahmen durch den Arbeitgeber soll künftig vermeiden, dass ein Beschäftigungsverbot ausgesprochen wird, bevor der Arbeitgeber mögliche Maßnahmen geprüft hat, die es den Betroffenen ermöglichen würden, weiter berufstätig zu bleiben. Schwangere und stillende Beschäftigte müssen also auf ihrem Arbeitsplatz weiter beschäftigt werden, soweit dies durch Umgestaltung der Arbeitsbedingungen möglich ist. Geht das nicht, ist der Wechsel auf einen anderen Arbeitsplatz ohne unverantwortbare Gefährdung zu prüfen. Diese Verpflichtung findet sich bisher auch in der Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (MuSchArbV). Nach dem Entwurf sollen nun alle Mutterschutzregeln systematisch in einem Gesetz zusammengeführt werden. Damit wird der dringend notwendige Wandel von einem reaktiven, aussperrenden und rein fürsorglichen Mutterschutz hin zu einem präventiven, kommunikativen und gestaltenden Mutterschutz vollzogen. Die Neufassung des Gesetzes bietet auch die Chance, das deutsche Mutterschutzrecht an verfassungs- und europarechtliche Vorgaben anzupassen. Heute gilt es, die gleichberechtigte Teilhabe sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ebenso zu sichern wie den notwendigen Gesundheitsschutz der schwangeren und stillenden Frauen.

Keine Ausnahmen zulassen

Kritisch bewertet der DGB die beibehaltenen Ausnahmeregelungen zur Nachtarbeit und an Sonn- und Feiertagen: Es sei nicht nachvollziehbar, warum ausgerechnet in psychisch und physisch belastenden, meist frauentypischen Berufen wie im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, vom Nachtarbeitsverbot abgewichen werden soll. Hier werde den wirtschaftlichen Interessen der Branchen „Vorrang vor dem Gesundheitsschutz der Schwangeren und Stillenden eingeräumt“. Der DGB kann auch nicht nachvollziehen, warum die rechtlichen Regelungen, die im ersten Gesetzentwurf auch für Schülerinnen, Studentinnen und Praktikantinnen gelten sollten, in der nun vorgelegten zweiten Fassung fehlen. Hannack: „Wer den Mutterschutz wirklich stärken will, darf keine Ausnahmen zulassen.“ Schließlich seien heute Schul- und Studienalltag „geprägt durch Tagesabläufe, die den Rahmen des Arbeitszeitgesetzes durchaus überschreiten“.

Selbstständige ausgenommen

Ausgenommen wurden wie bisher auch Beamtinnen, Soldatinnen und Richterinnen. Ihre Rechte sollen in einer eigenen Verordnung geregelt werden. Auch diese Entscheidung leuchtet den Gewerkschaften nicht ein. Ebenso sieht der Gesetzentwurf keine Regelungen für den Mutterschutz von Selbstständigen vor, obwohl die EU-Richtlinie 2010/41/EU genau das fordert. Die Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht hätte bereits bis zum 5. August 2014 erfolgen müssen. Derzeit haben Selbstständige Anspruch auf Mutterschaftsgeld nur dann, wenn sie freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder in der landwirtschaftlichen Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld versichert sind. Privatversicherte Selbständige erhalten kein Mutterschaftsgeld. Aus Sicht des DGB braucht es sozialversicherungsrechtliche Lösungen, um auch selbstständig erwerbstätige Frauen während der gesetzlichen Schutzfristen finanziell abzusichern.

Erschienen in: einblick 5/2016 vom 21. März 2016


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