Die Wirtschaft und viele Arbeitnehmer profitieren von den offenen Grenzen in Europa. Sie sind ein Wohlstandsfaktor - fast jeder vierte Arbeitsplatz ist direkt oder indirekt vom Außenhandel abhängig. Wer Wohlstand für sich, sein Land und Europa will, muss sich für offene Grenzen einsetzen, fordert der klartext.
An den Euro haben sich alle gewöhnt – ein Leben, ohne Geld zu wechseln und sein Geld in fremde Währungen umzutauschen. An offene Grenzen haben wir uns auch gewöhnt. Keine Passkontrollen, keine Staus. Menschen bewegen sich frei zwischen den Ländern, an Grenzgebieten arbeiten viele bei ihren europäischen Nachbarn. Auch die Wirtschaft profitiert davon: Keine Kontrolle der Lieferscheine, schnellerer Transport. Das fördert den innereuropäischen Handel (siehe Abbildung), vertieft die Arbeitsteilung in Europa, macht Investitionen in Europa attraktiver und schafft Jobs und Wohlstand - für alle.
Dann kamen Geflüchtete. Und mit ihnen der Ruf nach Schließung der Grenzen - zurück zu nationalen Festungen. Erst machten Orban & Co. ihre Grenzen dicht, dann wurde der Ruf auch bei uns laut. Grenzen zu, Schengen aus. Doch soll das die Antwort auf die komplexen Fragen sein? Dabei dienen gerade die Bewegungsfreiheit sowie die Arbeitnehmerfreizügigkeit als Symbol für ein geeintes Europa, trotz Finanzmarktkrise und Griechenlanddebatte. Wollen wir wirklich wieder zurück in die Zeit der Grenzkontrollen? Haben wir die Folgen zu Ende gedacht?
DGB
Offene Grenzen sind nicht nur symbolisch wichtig. Sie sind ein Wohlstandfaktor und haben wirtschaftliche Folgen. Gerade für eine Exportnation. Fakt ist, dass inzwischen fast jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland direkt oder indirekt vom Außenhandel abhängt und somit auch von einem Europa mit offenen Grenzen. Ein Großteil unseres Wohlstands wird durch den innereuropäischen Handel erwirtschaftet. So wurden im Jahr 2015 Waren im Wert von rund 621 Mrd. Euro aus EU-Ländern nach Deutschland importiert, das sind 65 Prozent aller Importe. Grenzkontrollen würden die europäische Arbeitsteilung und damit die europäische Wertschöpfungsketten massiv beeinträchtigen. Just-In-Time Lieferungen werden der Vergangenheit angehören. Europäische Produktionsprozesse werden durch Grenzkontrollen unterbrochen, da diese die Funktion einer Schleuse annehmen, vor denen es sich stundenlang stauen könnte. Die Waren kommen zu spät an. Das kostet auch Geld, viel Geld. Allein der deutschen Volkswirtschaft würde dies 234 Mrd. Euro bis zum Jahr 2025 kosten. Laut Europäischer Kommission würde sich der Transport von Gütern um je 55 Euro die Stunde verteuern.
Doch damit nicht genug: Gravierende Konsequenzen hätte dies auch für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Europaweit pendeln täglich 1,1 Mio. Menschen grenzübergreifend. Viele, vor allem aus den strukturschwachen Regionen wie z. B. dem Saarland, verdienen ihr tägliches Brot durch Arbeit in den Nachbarländern. Das Ende vom Schengener Abkommen wäre daher ein starker und unzumutbarer Eingriff in die Rechte vieler Beschäftigten.
Die Zeche für die Wiedereinführung von Grenzkontrollen werden die Wirtschaft und die einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen. Zudem wäre dies ein historischer Rückschlag für das europäische Projekt. Wer heute mehr Wohlstand für sich, sein Land und Europa will, muss Haltung zeigen: Für offene Grenzen, gegen nationale Abschottung.