Mehr als jedes siebte Kind lebt in einem Haushalt, der auf staatliche Fürsorge angewiesen ist. Dabei sind die Eltern dieser Kinder oft nicht arbeitslos – ihre Niedriglöhne reichen aber nicht aus, um die Existenz der Familie zu sichern. Der DGB fordert unter anderem einen Ausbau des Kinderzuschlags und einen gesetzlichen Mindestlohn.
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In den letzten Jahren hat sich die Zahl der HilfeempfängerInnen über alle Altersgruppen hinweg verringert. Trotzdem gilt weiterhin: Kinder sind deutlich stärker vom Hartz IV-Armutsrisiko betroffen als andere Altersgruppen.
Ende 2011 wurden noch 1,614 Millionen Kinder unter 15 Jahren im Hartz IV-System gezählt, 13 Prozent weniger als im Dezember 2007. Doch immer noch lebt mehr als jedes siebte Kind in einem Haushalt, der auf staatliche Fürsorge angewiesen ist (15,2 %). Die Hartz IV-Quote von Kindern lag Ende 2011 noch wie 2006 um 6,6 Prozentpunkte höher als die aller Erwerbsfähigen im Alter von 15 bis 64 Jahre.
Die Unterschiede hinsichtlich des Armutsrisikos haben sich im Zeitablauf leider nicht verringert. Das bedeutet, dass die bisherigen Bemührungen zum Abbau der Kinderarmut und zur existenzsichernden Arbeitsmarktintegration von arbeitslosen Eltern – und insbesondere Alleinerziehenden – weiterhin unzureichend sind. Dies gilt auch für den Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten, um eine Erwerbstätigkeit auch in den Randzeiten der Wochentage und am Wochenende zu ermöglichen.
Das Armutsrisiko von Kindern hängt stark von der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Größe des Haushalts ab, in dem sie leben. So waren Mitte 2012 rund 6 Prozent der Paare mit einem Kind auf Hartz IV angewiesen, während Paare mit 3 und mehr Kindern mehr als doppelt so häufig hilfebedürftig sind (14,9%).
Leben die Kinder in einem Alleinerziehenden-Haushalt, steigt das Hartz IV-Risiko bei einem Kind bereits auf 35 Prozent und bei den Alleinerziehenden mit drei und mehr Kindern auf bedrückende 69 Prozent. Insbesondere bei Alleinerziehenden mit mehreren Kindern ist materielle Not an der Tagesordnung. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Hilfequote bei Paaren mit Kindern erfreulicherweise zurückgegangen, während bei den Alleinerziehenden teils deutliche Zuwächse verzeichnet werden mussten.
In Hartz IV-Haushalten mit Kindern wird relativ häufig gearbeitet, auch wenn damit allein das Existenzminimum nicht sichergestellt werden kann. Mitte 2012 zählten rund 510.000 Haushalte mit Kindern zu den erwerbstätigen Aufstockenden. In fast jedem zweiten hilfebedürftigen Haushalt (46,4%) dieses Haushaltstyps ging mindestens eine Person einer Erwerbstätigkeit nach. Bei Partner-Bedarfsgemeinschaften mit Kindern sind es sogar 60 Prozent.
Die Zahl der Arbeitslosen in diesen Bedarfsgemeinschaften ist deutlich niedriger als die der Erwerbstätigen. In nur knapp 30 Prozent der Bedarfsgemeinschaften mit Kindern gibt es arbeitslose erwachsene HilfeempfängerInnen – bei Partnerhaushalten gibt es gar viermal mehr Haushalte mit erwerbstätigen HilfeempfängerInnen als mit arbeitslosen Erwachsenen. In Bedarfsgemeinschaften mit drei und mehr Kindern ändern sich diese Relationen nur geringfügig.
Auffallend ist, dass sich im Vergleich zum Vorjahr in allen Bedarfsgemeinschaften mit Kindern der Anteil jener mit Erwerbseinkommen erhöht hat und der Anteil jener mit mindestens einem Arbeitslosen fast durchgängig verringert hat. Insbesondere Paarhaushalte sind mehrheitlich erwerbstätig und weit seltener arbeitslos als vielfach vermutet wird. Die Armut von Kindern geht in relativ starkem Maße auf niedrige Erwerbseinkommen der Erziehungsberechtigten zurück, nicht auf deren Arbeitslosigkeit. Lediglich bei Alleinerziehenden ist etwas häufiger Arbeitslosigkeit die Ursache der Hilfebedürftigkeit.
Für Alleinerziehende wie auch für Paar-Haushalte mit Kindern ist es meist schwieriger, Sozialhilfebedürftigkeit zu überwinden. Trotz höherem Anteil der Haushalte mit Erwerbseinkommen zählen sie häufiger zu den Langzeitbeziehern als Haushalte ohne Kinder. Etwa drei von vier Bedarfsgemeinschafts-Haushalten mit Kindern waren in den letzten 24 Monaten mindestens 21 Monate auf Hartz IV angewiesen. Auch die relativ hohe Erwerbstätigkeit in Paar-Haushalten mit Kindern ändert oftmals nichts an einer längerfristigen Hilfebedürftigkeit; Haushalten mit Kindern gelingt der nachhaltige Absprung aus Hartz IV nur selten. Kinderarmut ist immer zugleich Familien-, beziehungsweise Elternarmut.
Grafik: DGB; Zahlen: eigene Berechnungen nach Statistiken der BA (Angaben in Prozent)
Der Wohnort wirkt sich auf das Hartz IV-Risiko von Kindern aus. Zwischen den Bundesländern zeigt sich ein deutliches Gefälle von Ost nach West sowie von Nord nach Süd. So zählt in den neuen Ländern inklusive Berlin fast jedes vierte Kind zu den Hartz IV-EmpfängerInnen gegenüber gut jedem achten in den alten Ländern. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Hartz IV-Bedürftigkeit von Kindern in den neuen Ländern deutlich stärker verringert als in den alten Bundesländern. So liegen die Flächenstaaten Thüringen und NRW zwischenzeitlich fast gleichauf mit einer Hilfequote von um die 18 Prozent.
Grafik: DGB; Zahlen: Statistik der BA
Am günstigsten stellt sich die Situation in Bayern dar, wo aber immer noch 6,8 Prozent der Kinder zu den Hartz IV-EmpfängerInnen zählen. Das Verarmungsrisiko von Kindern in Bayern ist nur etwa halb so hoch wie im Bundesschnitt. Niveau und Entwicklung der Arbeitslosigkeit haben zweifelsohne einen positiven Einfluss hierauf. In eher ländlichen Regionen ist das Hartz IV-Risiko gleichfalls meist unterdurchschnittlich, während die sozialen Probleme großstädtischer Regionen die Hilfequote eher ansteigen lassen. So ist die Hilfequote der Kinder in München beispielsweise doppelt so hoch wie im bayerischen Landesdurchschnitt – in Nürnberg gar dreimal so hoch. Aber auch in anderen Großstädten wie Duisburg, Dortmund, Düsseldorf oder Köln haben Kinder ein zum Teil deutlich über dem Landesdurchschnitt liegendes Verarmungsrisiko. Absolutes Schlusslicht bildet Berlin, wo auch 2012 ein gutes Drittel aller Kinder von Hartz IV leben muss.
Eine wirksame Bekämpfung der Kinderarmut muss sowohl bei den Eltern als auch bei den Kindern ansetzen: