Der Skandal um die Manipulation des internationalen Referenz-Zinssatzes Libor durch verschiedene Banken zeigt die Mängel unregulierter Finanzmärkte: Während Geldmarkthändler den Libor nach oben oder unten manipulierten, wetteten Wertpapierhändler auf diese Zins-Entwicklung.
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Das Krisenmanagement von Merkel & Co. folgt immer noch der Überzeugung, je mehr Markt, umso mehr Wohlstand für alle. Die Folge: Politik muss die Marktkräfte frei entfalten lassen. Doch wer sind diese Marktkräfte? Für wessen Wohlstand sorgen sie? Und was haben sie uns bis jetzt beschert? In der Realwirtschaft könnten Märkte zahlreiche Innovationen und Verbesserungen hervorbringen, die die Lebenssituation der Menschen verbessern. Doch für nachhaltige und langfristige Innovationen benötigt der Markt politische und regulatorische Leitplanken. Sie umfassen gesetzliche Vorschriften, kontrollierte Preisbildungsmechanismen, Investitionszulagen, zinsgünstige Kredite, Mitbestimmung und vieles mehr. Das Aufkommen von innovativen Umwelttechnologien wäre ohne diese Maßnahmen undenkbar gewesen. Heute ernten deutsche Unternehmen als weltweite Marktführer für solche Produkte und Konzepte die Rendite dieser Politik.
Das Gegenprogramm liefern die Finanzmärkte mit ihren „innovativen“ Finanzprodukten, die vor fünf Jahren die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrunds geführt haben. Nun offenbart ein neuer Skandal – der Libor-Skandal – die Folgen einer naiven Politik, die bis heute an der vermeintlichen Effizienz der Finanzmärkte festhält.
Grafik: DGB, Zahlen: EZB
Libor steht für London InterBank Offered Rate und ist ein durchschnittlicher Referenzzinssatz, der den täglichen Marktzins abbilden soll. Dazu gibt eine ausgewählte Gruppe von 16 Banken (so genannte Panel-Banken) an, welche unbesicherten Kredite sie einander gewähren oder bereit sind, zu gewähren. Der Libor-Zinssatz bildet die Grundlage für zahlreiche Finanzprodukte und Kredite weltweit im Wert von nahezu 5.000 Billionen US-Dollar. Den Libor-Zins ermittelt der britische Bankenverband BBA auf der Grundlage einer telefonischen Abfrage bei diesen 16 Banken – ohne jegliche Überprüfung ihrer Angaben. Doch das Verfahren lud die Banken und Händler zur Manipulation ein. Es entstand die Zinsmanipulation als Geschäftsmodell: Wertpapier- und Geldmarkthändler einer Bank sprachen sich ab.
Wertpapierhändler schlossen Wetten auf künftige Entwicklungen des Libor ab. Ihre Kollegen in der Kreditabteilung organisierten mit falschen Angaben an den BBA einen für die Wertpapierhändler günstigen Zins. Das Ergebnis: Die Wertpapierhändler gewannen immer die Wette. Banken machten mit der Manipulation Milliarden Euro Gewinn, Händler bekamen bis zu zehn Millionen Euro Boni. Bald koordinierten die größten unter den 16 Banken ihre Angaben und sicherten sich Garantiegewinne in Milliardenhöhe. Die manipulierten Mehrkosten trugen alle anderen Marktteilnehmer, die sich an den Libor-Zins orientierten: Unternehmen, Sparer, Häusle-bauer, Versicherungen etc.
Der Libor-Skandal zeigt wieder, dass die Märkte und ins-besondere die Finanzmärkte aus sich heraus alles andere als effizient sind. Ganz im Gegenteil, die Finanzmärkte halten eine ganze Gesellschaft für ihre astronomischen Gewinne in Geiselhaft. Das muss sich ändern: Banken müssen zu ihrer dienenden Funktion zurückfinden. Nicht mit Appellen, sondern durch strenge Regulierungen.