Deutscher Gewerkschaftsbund

Das Alterssicherungssystem der Beamt*innen

19.01.2017
Interview - Magazin für Beamtinnen und Beamte 01/2017

Niedrigzins: Bund und Länder überdenken Anlagestrategien

Berliner Finanzsenator: Der neue Nachhaltigkeitsindexorientiert sich an klimapolitischen, ethischen und sozialen Kriterien

In Zeiten von Niedrig- und Minuszinsen überdenken Bund und Länder ihre Anlagestrategien für die Versorgungsrücklagen. Berlin will den Aktienanteil erhöhen und zugleich mit Ausschlusskriterien unethische Investments verhindern. Das Magazin für Beamtinnen und Beamte hat dazu Berlins Finanzsenator Dr. Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) befragt.

Porträt Dr. Matthias Kollatz-Ahnen

Dr. Matthias Kollatz-Ahnen (SPD), Finanzsenator des Landes Berlin. Foto: Anno Dittmer

Beamtenmagazin: Für die Versorgung seiner Beamtinnen und Beamten hat das Land Berlin, wie andere Länder auch, eine Versorgungsrücklage zur teilweisen Finanzierung zukünftiger Ausgaben aufgebaut. Wer verwaltet dieses öffentliche Geld und wie wird es investiert?

Matthias Kollatz-Ahnen: Die Federführung liegt bei der Senatsfinanzverwaltung. Die tatsächliche Verwaltung der Mittel aus dem Sondervermögen haben wir an die Deutsche Bundesbank übertragen. Angelegt werden die Mittel in handelbaren Schuldverschreibungen des Bundes und der Bundesländer oder vergleichbarer Schuldner. Darüber hinaus können Mittel auch in sonstigen vom Bund und den Ländern verbürgten oder gewährleisteten Schuldverschreibungen, in Schuldverschreibungen und Darlehen der EU und der EU-Mitgliedstaaten, in Pfandbriefen und Kommunalobligationen angelegt werden. Ein Teil, aktuell begrenzt auf 15 Prozent des Gesamtportfolios, wird darüber hinaus in Aktien angelegt, die an einer Börse in Deutschland oder einem anderen EU-Mitgliedstaat zugelassen sind. Wir sprechen bei der Versorgungsrücklage über ein Gesamtvermögen von rund 830 Mio. Euro. Unsere Anlagen im Aktienbereich machen also etwa 125 Mio. Euro aus. Wir streben allerdings an, diesen Anteil perspektivisch auf bis zu 25 Prozent zu erhöhen.

Beamtenmagazin: Nun haben Sie den Einsatz eines nachhaltigen Aktienindexes angekündigt. Wie definiert das Land Berlin „Nachhaltigkeit“ bei diesem Index? Spielen dabei auch soziale Kriterien eine Rolle?

Matthias Kollatz-Ahnen: Der neue Nachhaltigkeitsindex orientiert sich an klimapolitischen, ethischen und sozialen Kriterien. Er ist so konstruiert, dass er eine Reihe von Branchen und damit Unternehmen ausschließt, z.B. Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf die Gewinnung fossiler Brennstoffe bzw. auf die Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen ausgerichtet ist. Weiterhin ausgeschlossen sind Unternehmen, die Atomenergie erzeugen. Diese Präzisierung war mir besonders wichtig, weil innerhalb der EU Atomenergie als nicht-fossile Energieform klassifiziert wird. Aus meiner Sicht muss aber ein Nachhaltigkeitsindex zwingend nicht-nuklear ausgerichtet sein. Außerdem sind Unternehmen ausgeschlossen, die Kriegswaffen entwickeln, herstellen oder vertreiben. Auch Unternehmen, die Kinderarbeit zulassen, sind außen vor. Ausgeschlossen werden schließlich Unternehmen, die gegen die Prinzipien des UN Global Compact verstoßen, also internationale Normen des Arbeitsrechts und der Menschenrechte nicht beachten.

Beamtenmagazin: Wie kommt der Aktienindex bei der Vermögensverwaltung zur Anwendung und können auch andere Dienstherren diesen Aktienindex nutzen?

Matthias Kollatz-Ahnen: Wir haben ein Vergabeverfahren zur Entwicklung und Pflege unseres Index durchgeführt. Erfolgreich war die Kooperationsbewerbung der Unternehmen oekom research AG und Solactive AG. Sie haben den Index jetzt konstruiert und werden ihn in regelmäßigen Abständen überprüfen. Das heißt, sie werden genau im Blick haben, ob die Unternehmen weiterhin ein nachhaltiges Geschäftsmodell verfolgen oder ob sich Änderungen ergeben haben, etwa wenn ein Unternehmen fossile Geschäftszweige abstößt oder sich dem Rüstungssektor zuwendet. Das Portfoliomanagement übernimmt auch künftig die Bundesbank. Sie bildet den Nachhaltigkeitsindex physisch nach, indem die im Index enthaltenen Aktien entsprechend ihrer jeweiligen Quoten erworben werden. Diesen unentgeltlichen Service stellt sie allen Bundesländern zur Verfügung. Und ja, so ist es gemeint. Andere Bundesländer und Kommunen sind eingeladen, den neuen Index auch für ihre Versorgungsrücklagen zu nutzen. Hierzu haben wir auch schon ernsthafte Anfragen erhalten.

Beamtenmagazin: Mit zunehmender Dauer der Niedrigzinsphase wird gelegentlich der Sinn der kapitalgedeckten Rücklage in Frage gestellt. Wird der Nutzen – auch mit einem nachhaltigen Aktienindex – weiterhin den Kostenaufwand rechtfertigen?

Matthias Kollatz-Ahnen: Ja, das denke ich schon. Wir erhöhen deshalb den Aktienanteil und werden auch andere Investitionsformen in die Realökonomie prüfen


Nach oben
  1. Ruhegehaltfähige Zeiten vor dem 17. Lebensjahr
  2. Bund muss Energiepreispauschale für alle Versorgungsempfänger*innen zahlen
  3. COVID-19-Infektion als Dienstunfall bei Beamtinnen und Beamten?
  4. DGB erreicht Aufwertung der Kindererziehungszeiten
  5. Niedrigzins: Bund und Länder überdenken Anlagestrategien
  6. Postnachfolgeunternehmen: ver.di-Einsatz für neue Vorruhestandsregelung
  7. DGB-Stellungnahme zum 2. Bericht der Bundesregierung zur Anhebung der Altersgrenzen von Beamtinnen und Beamten des Bundes
  8. DGB-Stellungnahme zur Evaluation des Altersgeldgesetzes (AltGG)
  9. DGB-Stellungnahme zum 6. Versorgungsbericht der Bundesregierung
  10. Versorgungsrücklage: Argumente des Innenministeriums überzeugen nicht
  11. Weiterhin Besoldungskürzungen für Bundesbeamte geplant
  12. Beamtenbesoldung: Zulage für höherwertiges Amt soll wegfallen
  13. Rente mit 63: Jetzt im Beamtenrecht nachsteuern!
  14. Rente und Beamtenversorgung nur bedingt vergleichbar
  15. Beamtenversorgung: Pension mit 63 muss möglich sein
  16. Alterssicherung: Fünfter Versorgungsbericht liegt vor
  17. Altersgeld für Beamte: Alternative zur Nachversicherung
  18. Stellungnahme des DGB zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Professorenbesoldung und weiterer dienstrechtlicher Vorschriften
  19. Entwurf des Berichts der Bundesregierung gemäß § 147 (3) BBG zur Anhebung der Altersgrenzen von Beamtinnen und Beamten des Bundes
  20. Versorgungsanwartschaften für Beamtinnen und Beamte, die auf eigenen Antrag vorzeitig aus einem Beamtenverhältnis ausscheiden
  21. Positionspapier des DGB zur Beamtenversorgung
  22. Jetzt durch Neueinstellungen gegensteuern
  23. Beamtenversorgung: Nicht mit Neid-Debatte die Realität vernebeln
  24. Mutterschutz: Benachteiligung bei Betriebsrenten verfassungswidrig
  25. Europäische Reformkonzepte zur Alterssicherung im öffentlichen Dienst
  26. Versorgungsausgleich: Künftig soll es gerecht zugehen
  27. Beamtenversorgung: Kostendebatte führt in die falsche Richtung
  28. Beamtenversorgung: Politik handelte jahrelang verantwortungslos

Weitere Themen

Zu­sam­men für De­mo­kra­tie. Im Bun­d. Vor Or­t. Für Al­le.
Gruppe junger Menschen stehen lachend im Kreis und legen ihre Hände aufeinander
DGB/rawpixel/123rf.com
„Zusammen für Demokratie. Im Bund. Vor Ort. Für Alle“: Unter diesem Motto haben wir uns mit rund 50 anderen Organisationen zu einem starken Bündnis zusammengeschlossen. Gemeinsam verteidigen wir unsere Demokratie – und alle, die hier leben.
Zur Pressemeldung

1. Mai 2024: Mehr Lohn, mehr Frei­zeit, mehr Si­cher­heit
1. Mai 2024. Mehr Lohn. Mehr Freizeit. Mehr Sicherheit.
DGB
Tag der Arbeit, Maifeiertag oder Kampftag der Arbeiterbewegung: Am 1. Mai rufen wir Gewerkschaften zu bundesweiten Kundgebungen auf. 2024 steht der 1. Mai unter dem Motto „Mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit". Das sind unsere 3 Kernversprechen. Wir geben Antworten auf die zunehmende Verunsicherung in der Gesellschaft.
weiterlesen …

#Ta­rif­wen­de: Jetz­t!
Infografik mit Kampagnenclaim "Eintreten für die Tarifwende" auf roten Untergrund mit weißen Pfeil, der leicht nach oben zeigt.
DGB
Immer weniger Menschen arbeiten mit Tarifvertrag. Die Tarifbindung sinkt. Dadurch haben Beschäftigte viele Nachteile: weniger Geld und weniger Sicherheit. Wir sagen dieser Entwicklung den Kampf an – zusammen mit unseren Gewerkschaften – und starten für dich und mit dir die Kampagne #Tarifwende!
weiterlesen …

ein­blick - DGB-In­fo­ser­vice kos­ten­los abon­nie­ren
einblick DGB-Infoservice hier abonnieren
DGB/einblick
Mehr online, neues Layout und schnellere Infos – mit einem überarbeiteten Konzept bietet der DGB-Infoservice einblick seinen Leserinnen und Lesern umfassende News aus DGB und Gewerkschaften. Hier können Sie den wöchentlichen E-Mail-Newsletter einblick abonnieren.
zur Webseite …