Deutscher Gewerkschaftsbund

12.07.2018
2. Makroökonomische Konferenz

"Europa nach der Euro-Krise: Wohin steuert die Wirtschafts- und Währungsunion?"

Wohin steuert die Wirtschafts- und Währungsunion? Diese und weitere Fragen diskutierten rund 350 Akteure aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft bei der 2. Makroökonomischen Konferenz des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und dem Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) am 12. Juni 2018 in Berlin.

Podium bei der 2. Makronokonomischen Konferenz von DGB, FES und IMK

FES/M2 Atelier für Fotografie/Mark Bollhorst

Während einige die konjunkturelle Erholung Europas und der Eurozone als Beweis dafür sehen, dass Sparpolitik und Strukturreformen die richtigen Mittel zur Lösung der Wirtschafts- und Finanzkrise waren, wurden bei der Konferenz alternative Krisenanalysen aufgezeigt und zur Diskussion gestellt.

Spar- und Kürzungskurs verschärft Ungleichheiten

Gerade die oft kritisierte Niedrigzinspolitik und die Aufweichung der neoliberalen Krisenpolitik haben zu wirtschaftlicher Erholung geführt – so eine auf der Konferenz vorherrschende Meinung. Durch den vorangegangenen Spar- und Kürzungskurs hätten sich die sozioökonomischen Ungleichheiten allerdings verschärft, wodurch der Europäische Integrationsprozess zunehmend durch nationale Egoismen bestimmt werde. Der Preis für die Überwindung der ökonomischen Krise sei also eine politische Krise.

Kein Grund, sich zurückzulehnen

Es herrschte weitgehend Konsens darüber, dass die nun wieder positive wirtschaftliche Entwicklung kein Grund ist, sich zurückzulehnen. Die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) hat schwerwiegende Konstruktionsfehler, das hat die Krise deutlich gezeigt. Um den Diskurs über die Vertiefung der WWU konstruktiv zu führen ist es notwendig, die ursächlichen Probleme der Architektur der WWU zu analysieren. Nur so können die Instrumente zur Bewältigung der Krise bewertet und sinnvolle Vorschläge zur Korrektur der Struktur und Funktionsweise der WWU erarbeitet werden.

Es bräuchte zumindest eine Aufweichung der restriktiven Haushaltsregeln. Eine Erweiterung des fiskalpolitischen Spielraums muss keine grundsätzliche Abkehr vom Ziel der Haushaltskonsolidierung bedeuten, sondern lediglich eine handlungsfähige Wirtschaftspolitik ermöglichen, die auf konjunkturelle Schwankungen reagieren könnte.

Finanzmarktspekulationen stoppen

Die diskutierten Forderungen gingen allerdings wesentlich weiter. Um die WWU langfristig krisenfester zu gestalten sei es notwendig, dafür zu sorgen, dass an den Finanzmärkten nicht mehr gegen hoch verschuldete Mitgliedsstaaten spekuliert werden kann. Dafür bräuchte es unter anderem eine europäische Bankenunion, mehrgemeinsame Haftung und eine stärkere Fiskalunion.

Dass eine Wirtschafts- und Währungsunion Ausgleichsmechanismen benötige, damit die Entfesselung der Märkte nicht zu einer negativen Konvergenzspirale führe, wurde schon bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Eurozone kritisiert. Wenn man einen gemeinsamen Binnenmarkt durch die einseitige Beseitigung von Marktschranken gestaltet statt durch die Schaffung gemeinsamer Rahmenbedingungen, rückt der Standortwettbewerb zwischen den Mitgliedsstaaten in den Mittelpunkt. Weil die Mitgliedsstaaten in Konkurrenz zueinander stehen, habe der disziplinierende Charakter der Märkte den Integrationsprozess bestimmt und zu einem Lohnunterbietungs- und Deregulierungswettbewerb geführt.

Einführung von DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell:

Körzell: Wirtschaftspolitischer Kurswechsel nötig

Vor diesem Hintergrund ist die Forderung nach einem wirtschaftspolitischen Kurswechsel von DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell folgerichtig, denn nur so lässtsich „verloren gegangenes Vertrauen in die EU zurückgewinnen“. Die soziale Dimension der EU muss gestärkt werden. Die Balance zwischen wirtschaftlichen Freiheiten und Sozialstandards ist nur zu verwirklichen, in dem man von einseitiger Liberalisierung und Deregulierung hin zu gemeinsamen Sozial- und Arbeitsstandards mit dem Ziel der Aufwärtskonvergenz kommt. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Gerade deshalb ist es notwendig, progressive Akzente in der Debatte zu setzen und schrittweise Verbesserungen zu erkämpfen - jedoch immer mit dem Blick auf die grundsätzlichen Probleme Europas.

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