Deutscher Gewerkschaftsbund

15.02.2012
Standpunkte zur Hochschule der Zukunft

Leitbild "Demokratische Hochschule" - Witthaut: "Wissenschaftsori­entierung und Persönlichkeitsbildung nicht ersetzen"

Das Leitbild "Demokratische und Soziale Hochschule“ in der Diskussion

Deregulierung, hierarchisches Denken und Unternehmensorientierung dürfen Wissenschaftsori­entierung und Persönlichkeitsbildung nicht ersetzen. Die Gewerkschaft der Polizei unterstützt daher die Entwicklung eines hochschulpolitischen Programms des DGB.

Von Bernhard Witthaut, Vorsitzender der GdP

Seit dem Jahre 1999 haben sich in Europa, und auch in Deutschland, die Bildungs- und Hochschulprinzipien grundlegend geändert. Zentrale Ursache ist der Bologna-Beschluss vom 19. Juni 1999. Dort haben die Bildungsminister von 29 europäischen Staaten in der italienischen Stadt Bologna eine gemeinsame Erklärung unterschrieben, mittels der ein einheit­licher europäischer Hochschulraum sowie eine Harmonisierung der jeweiligen Hochschul­systeme bis zum Jahre 2010 realisiert werden sollten.

Die Gefahr ist groß, dass die Bologna-Idee degeneriert zu einer Legende, die reinem Wirtschaftskalkül untergeordnet wird: Nach möglichst kurzer Studienzeit "beschäftigungsfähige" Arbeitnehmer zur Verfügung zu haben.

In diesem Sinne sollten bisherige über entsprechende nationale Systeme erreichbare Graduierungen ebenfalls vereinheitlicht werden. Für alle an der Erklärung beteiligten Staaten sollte spätestens im Jahr 2010 die Umstellung auf Bachelor- und Master-Abschlüsse realisiert sein.

Mit diesem Reformschritt verfolgten die Bildungsminister bzw. beteiligten Staaten im wesentlichen die folgenden Ziele:

  • Vermittlung von Beschäftigungsfähigkeit (employability);
  • Vorbereitung auf aktive Teilnahme als Bürger einer demokratischen Gesellschaft (democratic citizenship);
  • Leisten eines Beitrags zur persönlichen Entwicklung (personal development);
  • Entwicklung und Bewahrung eines breiten und fortgeschrittenen Wissensfundus (know­ledge base).

Einfacher gesagt: Die Bologna-Erklärung, der zwischenzeitlich insgesamt über 40 europäische Staaten beigetreten sind, will einen einheitlichen und wettbewerbsfähigen europäischen Hochschulraum schaffen. Die Bachelor- und Master-Studiengänge sind sehr viel stärker be­rufsfeldorientiert als herkömmliche Studiengänge, und auf die Ausprägung von Fähigkeiten und Kompetenzen ausgerichtet.

Diese wesentlichen Ziele kennzeichnen nicht nur die Bologna-Idee, sie verdeutlichen zugleich die hierin liegenden Chancen und Risiken. Wie soll etwa in einem begrenzten Zeitraum des Studierens mit entsprechendem Lern- und Leistungsdruck die persönliche Entwicklung der Studierenden ausreichend möglich sein. Wie soll der Idee von Wissenschaft und Lehre ausreichend Rechnung getragen werden können, wenn auch die Hochschulen sich immer mehr Effizienzkriterien und betriebswirtschaftlichen Prinzipien stellen müssen. Und wie soll nach möglichst kurzen Studienzeiten eine tatsächliche Beschäftigungsfähigkeit entwickelt sein. Die Gefahr ist groß, dass die Bologna-Idee degeneriert zu einer Legende, die reinem Wirtschaftskalkül untergeordnet wird: Nach möglichst kurzer Studienzeit „beschäftigungsfähige“ Arbeitnehmer zur Verfügung zu haben.

"Deregulierung, hierarchisches Denken und Unternehmensorientierung dürfen nicht an die Stelle von Wissenschaftsori­entierung und Persönlichkeitsbildung treten."

Wir alle sind aufgerufen, dafür einzutreten, dass die  Bologna-Ideen ihren Stellenwert als Grundlagen eines über nationalstaatliche Grenzen hinausgehenden Bildungsideals behalten.

Wir in der Polizei haben uns zwischenzeitlich ebenfalls auf „den Weg nach Bologna“ gemacht. Seit einigen Jahren ist die frühere Polizeiführungsakademie in Münster Hiltrup zur Deutschen Hochschule der Polizei fortentwickelt. Die Aus- und Fortbildung aller Beamtinnen und Beamten des höheren Polizeidienstes bundesweit findet an dieser Hochschule statt. Mit Unterstützung der Gewerkschaft der Polizei konnten im Entwicklungsprozess Zweifel und Kritik überwunden werden. Im November 1998 fasste die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren als Konsequenz einer die Polizeiführungsakademie Münster-Hiltrup (PFA) betreffende Organisationsuntersuchung den Beschluss, eben diese PFA zu einer „Hochschule Polizei“ fortzuentwickeln. Einem im nordrhein-westfälischen Landtag verab­schiedeten Gesetz zur Einrichtung der „Deutschen Hochschule der Polizei“ folgten entspre­chende Ratifizierungsentscheidungen in den einzelnen Bundesländern. Das Ziel, nach Ab­schluss der Gründungsphase die Ausbildung zum höheren Dienst der Polizei an der PFA offiziell als akkreditierter Master-Studiengang „Public Administration – Police Management“ ablaufen zu lassen, ist mittlerweile bereits mehrfach realisiert worden. Es gilt nun, die weitere Hürde der institutionellen Akkreditierung zu nehmen.

Wir von der GdP werden die Entwicklung eines Hochschulpolitischen Programms  des DGB engagiert unterstützen. Deregulierung, hierarchisches Denken und Unternehmensorientierung dürfen bei Studium bzw. an den Hochschulen nicht an die Stelle von Wissenschaftsori­entierung und Persönlichkeitsbildung treten. Dies gilt für die Hochschulen im allgemeinen, und natürlich für die eigene Hochschule der Polizei im besonderen.


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