Deutscher Gewerkschaftsbund

14.11.2016

Digitalisierung: Der Mensch muss im Mittelpunkte stehen

Digitale Technologien verändern die Arbeitswelt rasant. Welche Folgen hat das für die Gesellschaft? Wo liegen die Risiken, wo die Chancen der Digitalisierung? Im Sommer 2017 will die Expertenkommission der Hans-Böckler-Stiftung ihre Empfehlungen zur „Arbeit der Zukunft“ abgeben. Mitglieder der Kommission haben im Rahmen eines Werkstattgesprächs nun erste Aspekte ihrer Arbeit vorgestellt.

Industrieroboter

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Silicon Valley im Wandel: Vor gut zehn Jahren waren Unternehmen wie Facebook oder Youtube (gehört heute zu Google) zwar hippe, aber noch sehr junge Start-up-Unternehmen, deren Produkte vor allem für Jugendliche und Studierende von Interesse waren. Heute sind diese Konzerne milliardenschwer und treiben den digitalen Wandel voran – auch in der Industrie. Der Google-Konzern Alphabet etwa investiert sein Geld in Zukunftsprojekte, wie selbstfahrende Autos oder medizinische Forschung.

Sprung auf die industrielle Wertschöpfung

Vor einigen Jahren hätten sich deutsche Konzerne noch nicht vorstellen können, dass diese US-Unternehmen zu ernsten Konkurrenten etwa im Automobilmarkt werden können, erläuterte Dr. Andreas Boes vom Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V. in München bei einem Werkstattgespräch der Hans-Böckler-Stiftung Mitte November in Berlin. Der Industriesoziologe untersucht die digitalen Trends und Strategien im Silicon Valley. „Diese Unternehmen nutzen ihre Erfahrungen aus dem Web 2.0 und nutzen diese nun zum Sprung auf die industrielle Wertschöpfung.“

GesprächsteilnehmerInnen

Berichten über ihre Arbeit in der Kommission "Arbeit der Zukunft": Christiane Benner, Andreas Boes, Christoph Bornschein, Günther Schuh mit Moderatorin Elisabeth Niejahr (v.l.) Hans-Böckler-Stiftung/Anna Weise

Qualifikationsvorsprung der Ingenieure

Trotz dieser Situation blickt Prof. Dr. Günther Schuh von der RWTH Aachen optimistisch in die Zukunft. Er sieht großes Potenzial für deutsche Unternehmen. Als Beispiel nennt er das Innovationspotenzial im Fahrzeugmarkt. Heute gebe es rund 20 Fahrzeugkategorien,

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DGB/einblick

in einigen Jahren werden es mehr als 50 sein. Besonders der Qualifikationsvorsprung im Bereich der Ingenieurswissenschaft mache dies möglich, ist sich Schuh sicher.

Clickworker: Zwischen Freiheit und sozialer Unsicherheit

Die Digitalisierung führt an anderen Stellen zu neuen Formen von Erwerbsarbeit – etwa im Bereich der Plattform-Ökonomie. Auf diesen Onlineportalen bieten Clickworker ihre Arbeitskraft an. Eine Mehrheit schätze zwar die Flexibilität dieser Beschäftigungsform, erläuterte die Zweite Vorsitzende der IG Metall Christiane Benner, allerdings seien viele von ihnen nur unzureichend sozial abgesichert. Insgesamt fehle es an einem „Zielbild“ für die Digitalisierung. Vor allem kleinere Unternehmen hätten noch kein Verhältnis zum digitalen Wandel, so Benner. Auch beim Thema Weiterbildung gebe es Defizite. „Die Arbeitgeber müssen die Beschäftigten mit ins digitale Zeitalter nehmen“, forderte sie.

Mehr Mut zu Diversität

Generell müsse es ein Umdenken in der Bildung geben, erklärte Christoph Bornschein, der mit seiner Agentur Unternehmen auf ihrem Weg in die digitale Zukunft berät. Beispiel Skandinavien: In Schweden befassen sich SchülerInnen neuerdings im Unterricht mit digitalen Trends und den daraus resultierenden Geschäftsideen. Bornschein forderte auch mehr Diversität und Vielfalt in deutschen Unternehmen. In Konzernspitzen sei zu häufig ein ähnlicher Typ von Manager vertreten. Er forderte, Diversität „breiter zu verstehen“ und sowohl mehr Frauen als auch mehr Menschen mit „anderen“ Erwerbsbiografien in Unternehmen zu fördern. Insgesamt sieht er in Deutschland ein Defizit an Softwarekompetenzen. US-Unternehmen seien längst dabei, Wachstum mit digitalen Plattformen abzugreifen.

„Der Mensch im Mittelpunkt des digitalen Wandels“

„Wir haben vor der Digitalisierung keine Angst“, betonte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann, der gemeinsam mit der Soziologin Kerstin Jürgens die Kommission leitet. Trotz einiger Studien, die den Verlust ganzer Berufsbilder prognostizieren, „sind wir selbstbewusst genug, den Wandel zu gestalten“. Schon heute seien Betriebsräte „digitale Innovatoren“ in den Unternehmen, das hätten einmal mehr die PreisträgerInnen des diesjährigen Betriebsräte-Preises gezeigt. Die Kommission wolle keine gewerkschaftlichen Beschlussfassungen kopieren, sondern neue Entwicklungspfade herausarbeiten. Das Credo der Kommission sei, dass der Mensch im Mittelpunkt des digitalen Wandels stehe.

DGB-Vorsitzende

"Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen", betont der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann in seinem Statement. Hans-Böckler-Stiftung/Anna Weise

Wissenschaftliche Empfehlung umsetzen

Die Vorsitzende der Kommission Prof. Dr. Kerstin Jürgens betonte, wie wichtig ihr persönlich die Arbeit der Kommission ist. Anders als in den 1980er Jahren gelte es für die Politik, die Hinweise auf Wandel und Veränderungen frühzeitig ernst zu nehmen und Empfehlungen aus der Wissenschaft umzusetzen. Sie verwies auf die Themenkomplexe Demografie und Klimawandel, bei denen dies jahrzehntelang nichts geschehen sei. „Wir sind schon wieder um Verzug“, warnte sie. Schwerpunkte der für Sommer 2017 geplanten Kommissionsempfehlung seien unter anderem die Themen Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Arbeitszeit im digitalen Zeitalter.

Kommission „Arbeit der Zukunft“

Die Hans-Böckler-Stiftung hat angesichts des rasanten Wandels, beschleunigter Innovationen und neuer Geschäftsmodelle 33 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Ministerien, Unternehmen und Gewerkschaften in eine Kommission berufen. Diese soll die zentralen Herausforderungen beschreiben und Empfehlungen für eine zukunftsfähige Arbeitswelt formulieren. Die Kommission wird von dem DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann und der Soziologin Prof. Dr. Kerstin Jürgens geleitet. Ihr Bericht wird im Sommer 2017 erscheinen.


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