Deutscher Gewerkschaftsbund

04.11.2014

Pflege: Beschäftigte brauchen tariflichen Schutz und gute Bezahlung

Der DGB hat am 29. Oktober 2014 gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus Politik, Sozialversicherungen, Wissenschaft und Verbänden unter dem Motto "Wie weiter in der Pflege? Eine Standortbestimmung zur geplanten Reform der Pflegeversicherung" die geplante Pflegereform der Bundesregierung diskutiert. "Die Beschäftigten in der Pflege brauchen Arbeitsbedingungen, die nicht krank machen, sie brauchen tariflichen Schutz und eine leistungsgerechte Bezahlung", sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach mit Blick auf den Fachkräftemangel in der Branche.

DGB-Vorstand Annelie Buntenbach

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach DGB/Simone M. Neumann

Die Regierungskoalition von CDU/CSU und SPD hat vor Kurzem den ersten Teil der lang angekündigten Pflegereform beschlossen ("Pflegestärkungsgesetz"). Sie beinhaltet verschiedene Leistungserweiterungen und -flexibilisierungen.

Der Beitragssatz soll um 0,3 Prozentpunkte angehoben werden.

Aus Sicht des DGB verschiebt die Reform aber die dringend notwendige Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs weiter in die Zukunft. Auf der pflegepolitischen Fachtagung diskutierten die Expertinnen und Experten die Regierungspläne kritisch aus unterschiedlichen Perspektiven.

Buntenbach: Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte verbessern

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach wies unter anderem darauf hin, dass der Fachkräftemangel in der Pflegebranche eindeutige Gründe habe: "Er ist vor allem auf die unzureichende Personalbemessung, die bescheidene Entlohnung und die extrem belastenden Arbeitsbedingungen zurückzuführen. Die Beschäftigten in der Pflege brauchen Arbeitsbedingungen, die nicht krank machen, sie brauchen tariflichen Schutz und eine leistungsgerechte Bezahlung." Das Pflegestärkungsgesetz solle dafür sorgen, dass eine Pflegekraft künftig weniger Pflegebedürftige betreuen müsse. Das sei "ohne Zweifel eine Verbesserung für die pflegebedürftigen Menschen – und eine Entlastung für die Pflege- und Betreuungskräfte. Aber zur Minderung des Fachkräftemangels in der Pflege trägt das nicht bei. Die Arbeits- und Lohnsituation der in der Pflege Beschäftigten muss entscheidend verbessert werden."


 


Tariflohn in der Pflege nachweisen

Deshalb sei die Koalitionsvereinbarung gut, so Buntebach weiter, dass künftig bei Vergütungsverhandlungen zwischen Pflegekassen und Pflegeeinrichtung die Tarifbindung nicht mehr als unwirtschaftliches Handeln gilt, sondern bei den Pflegesatzverhandlungen berücksichtigt wird – und Pflege-Einrichtungen die tarifliche Entlohnung dann sogar nachweisen müssen.

Stärker in Ausbildung investieren, Ausbildungsumlage für die Pflege

Zur Ausbildungssituation in der Pflege sagte Buntenbach: "Pflegebetriebe und Bundesländer müssen stärker in die Erstausbildung investieren. Die Ausbildung muss in allen Bundesländern kostenfrei werden. Und wir brauchen eine Ausbildungsumlage unter allen Arbeitgebern in der Pflege, damit die Ausbildungsbetriebe keine Kostennachteile haben."

Positiv bewertete Buntenbach die Flexibilisierung der Pflege-Leistungen und die dafür notwendige Erhöhung des Beitragssatzes zur Pflege. Kritisch äußerte sie sich über den geplanten Vorsorgefonds, dessen Geld "besser heut als morgen" in die Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes investiert werden sollte, um eine Reform "aus einem Guss" zu bekommen und unter anderem die Infrastruktur in der Pflege zu verbessern. "Nach dem Rohrkrepierer Pflege-Bahr wird jetzt auch noch ein rein symbolischer und sinnloser Vorsorgefonds geschaffen", so Buntenbach. "Es ist eine wirklich ärgerliche Fehlentscheidung des Pflegestärkungsgesetzes, hier Geld in einen unnützen, rein symbolischen Vorsorgefonds zu stecken. Geld, das dringend nötig ist, für Leistungsverbesserungen und für die Umsetzung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes."

Laumann: Neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff soll in dieser Legislatur umgesetzt werden

Karl-Josef Laumann, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten und Bevollmächtigter für Pflege, war sich mit Buntenbach darin einig, dass sowohl die Neudefinition des Pflegebedürftigkeitsbegriffes als auch die Erhöhung des Beitrages zur Pflegeversicherung wegweisende Schritte sind, um die Pflegeversicherung für die Zukunft zu rüsten. Er versprach, dass eine Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes noch in dieser Legislaturperiode weder an mangelnder Zeit noch an zu wenig Geld scheitern werde. Darüber hinaus stellte Laumann klar, dass weitere Anstrengungen notwendig seien, um den Fachkräftemangel zu beheben. Konkret nannte er die Einführung einer generalistischen Ausbildung, um das Ansehen des Berufsbildes in der Altenpflege zu stärken, sowie eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte.

Pflegereform: Akute Probleme teils nicht angegangen

Prof. Dr. Andreas Büscher bezeichnete die erste Phase der Pflegereform als insgesamt gelungen. Allerdings mahnte er an, dass einige akute Probleme nicht angegangen wurden. Aus seiner Sicht steht eine Attraktivitätssteigerung des Pflegeberufs ebenso aus wie eine bessere Information für Leistungsempfänger und die lokale Netzwerkbildung in der Pflege. Er zeigte sich jedoch zuversichtlich, dass die Bundesregierung Wort halten werde, und den Pflegebedürftigkeitsbegriff noch in dieser Legislaturperiode umsetzen wird.

Gernot Kiefer, Vorstandsmitglied des GKV-Spitzenverbandes, begrüßte ebenfalls die Neudefinition des Pflegebegriffs, wobei ihm eine solide, durch Feldstudien abgesicherte Umsetzung wichtig sei, um bei den Einstufungen zur Pflegebedürftigkeit ein Höchstmaß an Sicherheit zu gewährleisten und für die Kassen einen koordinierten Übergang ins neue System zu ermöglichen. Darüber hinaus forderte Kiefer eine bessere finanzielle Ausstattung der Kommunen, damit diese ihrer Aufgabe zur Bereitstellung der entsprechenden Infrastruktur besser nachkommen können.

Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes des GKV-Spitzenverbandes, unterstrich, dass die Neudefinition des Pflegebedürftigkeitsbegriffes das System der Pflege grundlegend ändern werde. Dass die Pflegebedürftigkeit künftig vom MDS nicht mehr nach "Pflegeminuten" bemessen wird, werde das System für alle Beteiligten gerechter und leichter nachvollziehbar machen. Bei der Neueinstufung von Pflegebedürftigen werde es in den überwiegenden Fällen zu einer für die Betroffenen besseren Einstufung kommen. Von der Politik erwartet Pick eine zügige und sorgfältige Umsetzung der Pflegereform.

Paritätischer Wohlfahrtsverband: Kommunen verbessern Pflege-Infrastruktur nicht ausreichend

Werner Hesse, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, kritisierte ausdrücklich die unzureichende Dynamisierung der Pflegeleistungen. Sie sei der Grund dafür, warum die Zahl der Sozialhilfeempfänger weiter ansteige, die mehrheitlich auch Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten. Hesse plädierte dafür, Gelder aus der Pflegeversicherung für die Verbesserung der Infrastruktur in der Pflege zu nutzen, weil die Kommunen ihrer Verantwortung in diesem Bereich nicht nachkommen könnten.

Herbert Weißbrod-Frey, Pflegeexperte beim Bundesvorstand der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, unterstrich die positiven Aspekte der neuen Pflegereform. Dazu gehören aus seiner Sicht die gesellschaftlich akzeptierte Beitragserhöhung sowie die Vorgabe, dass Tariftreue nicht mehr als wirtschaftliches Hindernis gesehen werden darf. Der geplante Vorsorgefonds sei hingegen unnütz, das Geld werde heute zur Investition in die Infrastruktur gebraucht.

Votrag von Prof. Andreas Büscher (PDF, 413 kB)

Votrag von Prof. Andreas Büscher: "Bestandsaufnahme. Pflegereform aus wissenschaftlichem Blickwinkel. Was fehlt noch?"

Vortrag von Werner Hesse (PDF, 209 kB)

Vortrag von Werner Hesse, Paritätischer Wohlfahrtsverband: "Perspektiven für eine gute pflegerische Versorgung"

Vortrag von Dr. Peter Pick (PDF, 378 kB)

Vortrag von Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes des GKV-Spitzenverbandes: "Wie läuft die Vorbereitung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs?"

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