Seit Mai 2018 läuft die Debatte um die EU-Finanzen für die nächsten sieben Jahre. Welche Punkte dabei für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besonders wichtig sind, hat der DGB in einer umfassenden Stellungnahme erarbeitet.
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Mit dem Verordnungsvorschlag „Zur Festlegung des Mehrjährigen Finanzrahmens 2021 bis 2027“ und dem Entwurf für einen „Beschluss des Rates über das Eigenmittelsystem der EU“ Anfang Mai 2018 wurde die Debatte über die EU-Budgetplanung der nächsten sieben Jahre eröffnet. Die Abstimmung über den Mehrjährigen Finanzrahmen wird die Weichen stellen für die zukünftigen politischen Prioritäten der Europäischen Union.
In den Wochen darauf folgte eine Reihe von Kommissionsvorschlägen für sektorspezifische Rechtsakte, in denen die Förderbedingungen und die Kriterien für die Mittelzuweisung für Maßnahmen in einzelnen Politikbereichen aufgeteilt wurden. Der DGB hat dazu eine umfassende Stellungnahme erarbeitet, in der die für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer relevante Punkte kommentiert werden.
Die Haushaltsverhandlungen stehen wegen des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union vor besonderen Herausforderungen. Mit dem Brexit verliert die EU einen wichtigen Nettozahler und es ist bislang nicht klar, wie diese Lücke geschlossen werden soll.
Die Europäische Kommission schlägt ein EU-Budget in Höhe von rd. 1,13 Billionen Euro vor. Dies entspricht in etwa 1,11 Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU-27. Auf den ersten Blick würde damit das bisherige Finanzvolumen weitestgehend erhalten bleiben – trotz der wegfallenden Mittel, die sich durch den Austritt Großbritanniens ergeben. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der der Europäische Entwicklungsfonds (30,5 Mrd. EUR), der vorher außerhalb des Mehrjährigen Finanzrahmens angesiedelt war, in Zukunft integriert wird.
Zudem ist vollkommen offen, ob der Kommissionsvorschlag sich durchsetzt, denn einige Mitgliedstaaten wie Österreich, die Niederlande und Ungarn haben bereits signalisiert, dass sie damit nicht einverstanden sind und sich für stärkere Kürzungen einsetzen wollen. Die Erfahrung zeigt, dass sich die Mitgliedstaaten meist auf ein niedrigeres Finanzvolumen einigen als von der Kommission vorgeschlagen
Der Mehrjährige Finanzrahmen 2021-2027 muss entsprechend des EU-Parlamentsvorschlags mindestens mit Mitteln in Höhe von 1,3 Prozent des EU-Bruttonationaleinkommens ausgestattet werden, um die Finanzierung dringender Bedarfe im Bereich der Strukturpolitik sowie der Agrarpolitik bei gleichzeitiger Übernahme neuer Aufgaben (wie Verteidigung, Sicherung der Außengrenzen, Migration…) zu gewährleisten.
Mehrjährige Finanzrahmen (MFR) des Europäischen Parlaments | |||
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MFR 2014-2020 | Anteil in % | MFR 2021-2027 | Anteil in % |
1. Intelligentes und inklusives Wachstum | 47,2 % | 1. Binnenmarkt, Innovation und Digitales | 14,7 % |
1a. Wettbewerbsfähigkeit für Wachstum und Beschäftigung | 13 % | 2. Zusammenhalt und Werte | 34,5 % |
1b. Ökonomische, soziale und territoriale Kohäsion | 34,2 % | 3. Natürliche Ressourcen und Umwelt | 29,7 % |
2. Nachhaltiges Wachstum: Natürliche Ressourcen | 38,6 % | 4. Migration und Grenzschutz | 2,7 % |
3. Sicherheit und Staatsbürgerschaft | 1,6 % | 5. Sicherheit und Verteidigung | 2,1 % |
4. Globales Europa | 6,1 % | 6. Nachbarschaft und Welt | 9,6 % |
5. Europäische öffentliche Verwaltung | 6,4 % | 7. Europäische Öffentliche Verwaltung | 6,7 % |
Quelle: Europäisches Parlament |
Die deutsche Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag festgelegt, einen höheren Beitrag zum EU-Haushalt zu leisten. Eine Erhöhung des EU-Budgets auf 1,3 Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU liegt im deutschen Interesse. Anstatt die geplante Erhöhung des Verteidigungsetats durchzuführen, um das 2-Prozent-Ziel der Nato zu erreichen, sollten die Gelder in den EU-Haushalt fließen und einem auf soziale Sicherheit und vertrauensvolle Zusammenarbeit ausgerichteten Europa zugutekommen. Angesichts der Milliarden-Überschüsse über mehrere Jahre, ist es Deutschland möglich seiner finanzielle Verantwortung gegenüber der EU gerecht zu werden. Auch für das Jahr 2018 rechnet das Bundesfinanzministerium mit gesamtstaatlichen Überschüssen von rund 48 Mrd. EUR. Eine Erhöhung des EU-Budgets auf 1,3 Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU liegt auch im deutschen Interesse. Fällt die Quote unter 1,1 Prozent, besteht die Gefahr, dass die sogenannten stärker entwickelten Regionen (also alle westdeutschen Regionen außer Lüneburg und Trier) von der Förderung durch die Investitions- uns Strukturfonds ausgeschlossen wären.
Deshalb müssen auch die Eigenmittelquellen der EU gestärkt werden. In diesem Zusammenhang schlägt der DGB unter anderem vor, die Finanztransaktionssteuer als weitere Eigenmittelquelle heranzuziehen.
Mit den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds) fördert die Europäische Union das wirtschaftliche Wachstum und die Beschäftigung in den Mitgliedstaaten. Eine starke Struktur-und Kohäsionspolitik ist für den sozialen, wirtschaftlichen und territorialen Zusammenhalt in Europa von enormer Bedeutung.
Europäische Kommission
Die anstehenden Herausforderungen durch den Strukturwandel sowohl durch die Digitalisierung, die Globalisierung als auch durch grundlegende Transformationen im Bereich der Industrie (etwa E-Mobilität im Bereich der Automobilindustrie) betreffen die sogenannten Übergangsregionen (überwiegend in Ostdeutschland) ebenso wie die stärker entwickelten Regionen im Umbruch (wie z.B. das Ruhrgebiet). Insbesondere zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen (Digitalisierung, Dekarbonisierung, Globalisierung, etc.) bedarf es zusätzlicher Spielräume im EU-Haushalt sowie entsprechender Finanzierungsinstrumente (z.B. Transformationsfonds), um auf kommende Strukturbrüche reagieren zu können. Hier kann die Strukturpolitik durch Qualifizierungsmaßnahmen mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) und öffentliche Investitionen aus den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass neue Arbeitsplätze in betroffenen Regionen geschaffen werden und die Qualifikationen der Beschäftigten angepasst werden.
Es geht hierbei darum, den Wandel in der Arbeitswelt aktiv zu unterstützen, um gemeinsam mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern existenzsichernde und qualitativ hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen oder zu erhalten. Strukturförderung wirkt gezielt in allen Regionen und macht Europa für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort erfahrbar. Sie stärkt den Zusammenhalt in der EU und vor Ort. Kohäsionspolitik ist damit ein wichtiges Instrument gegen die vielerorts steigende Europaskepsis von Bürgerinnen und Bürgern. Die Strukturpolitik ist ein wichtiges Zeichen der Solidarität innerhalb der EU und soll auch künftig entsprechend ihrem vertraglichen Auftrag dazu beitragen, die größten Unterschiede im Entwicklungsstand der Regionen und den Rückstand der am stärksten benachteiligten Gebiete zu verringern.
Der DGB kritisiert daher massiv die vorgesehenen Mittelkürzungen bei den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds sowie die geplante Herabsetzung der Kofinanzierungssätze. Für Deutschland ist eine Mittelkürzung bei den Strukturfonds von 20,7 Prozent vorgesehen (in 2018er Preisen). Diese Mittelkürzung ist für den DGB nicht akzeptabel. Die von der Europäischen Kommission vorgesehene stärkere Verknüpfung zwischen dem Europäischen Semester und den Europäischen Investitions- und Strukturfonds (ESI-Fonds) lehnt der DGB ab. Die ESI-Fonds dürfen nicht als Druckmittel eingesetzt werden, um die Umsetzung von Strukturreformen zu erzwingen. Aus diesem Grund setzt sich der DGB für die Abschaffung der makroökonomischen Konditionalitäten ein, wie sie in der Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen für die ESI-Fonds vorgesehen sind.
Der DGB begrüßt, dass nach Plänen der Kommission weiterhin alle Regionen durch die Europäischen Struktur- und Investitionsfonds unterstützt werden sollen. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass sich der Strukturwandel auch in den weiter entwickelten Regionen fortsetzt und neue Herausforderungen, wie die Integration von Geflüchteten, der demografische Wandel und die Energiewende, gemeistert werden müssen. Die Qualität der Arbeitsplätze muss bei der Förderpolitik eine größere Rolle spielen, als dies bisher der Fall ist. Kriterien Guter Arbeit sollten auf nationaler Ebene nach den entsprechenden Gepflogenheiten und unter Einbeziehung der Sozialpartner definiert werden.
Der DGB begrüßt grundsätzlich auch die Fortführung und Vereinfachung des Europäischen Fonds für strategische Investitionen in Form eines neuen Investitionsfonds namens InvestEU. Es muss aber ausgeschlossen sein, dass mithilfe öffentlicher Finanzierungshilfen, private Investitionen in öffentliche Investitionsbereiche fließen. InvestEU darf nicht zu einem Förderinstrument für Public-Private-Partnerships werden. Der Investitionsfonds sollte nicht auf die öffentliche Daseinsvorsorge, sondern ausschließlich auf Investitionen in der Privatwirtschaft ausgerichtet sein. Darüber hinaus kritisiert der DGB, dass die Möglichkeit geschaffen wird, Gelder aus den ESI-Fonds auf InvestEU umzuwidmen, um Zugang zu EU-Haushaltsgarantien zu bekommen. Eine zunehmende Umstellung von Zuschüssen auf Darlehen bei der europäischen Struktur- und Kohäsionspolitik sieht der DGB höchst kritisch, weil damit die politische Gestaltungskraft aufgegeben und die Förderentscheidung Banken und Privatkonzernen überlassen wird.
In der Europäischen Union werden derzeit die Grundzüge des Budgets für 2021 - 2027 verhandelt. Es sind weitreichende Neuerungen im Bereich der Kohäsionspolitik sowie neue Instrumente zur Stabilisierung der Währungsunion geplant. Der DGB kritisiert, dass nach den Plänen der Kommission Gelder für den sozialen Zusammenhalt gekürzt und falsche Prioritäten stattdessen gefördert werden.