Deutscher Gewerkschaftsbund

13.12.2007
Kolumne Rechtsfrage

Schützt Krankheit vor Kündigung?

Ein Arbeitnehmer ist langfristig erkrankt. Wann und ob er seine Arbeit wieder aufnehmen kann ist unklar. Nun möchte ihm der Arbeitgeber kündigen. Ist dies zulässig?

Frage: Ich bin seit einem Jahr krank und weiß nicht, ob ich meine Arbeit wieder machen kann, wenn ich irgendwann wieder gesund werde. Nun will mein Arbeitgeber mir kündigen. Kann er das?

Antwort: Grundsätzlich gilt: Arbeitnehmer, die krank sind, haben Anspruch darauf, dass sie ohne finanzielle Verluste wieder gesund werden können. Sie dürfen deshalb nicht vom Arbeitgeber unter Druck gesetzt werden und haben Anspruch auf Lohnfortzahlung und Krankengeld. Der Arbeitnehmer hat seinerseits die Pflicht, die Arbeitsunfähigkeit und ihre Fortdauer unverzüglich beim Arbeitgeber zu melden, und außerdem alles zu unterlassen, was den Genesungsprozess behindern könnte.

Entgegen einer weit verbreiteten Meinung ist während der Krankheit aber die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nicht generell ausgeschlossen. Das bedeutet, dass auch ein erkrankter Arbeitnehmer gekündigt werden kann, wenn beispielsweise nicht mehr genug Aufträge vorhanden sind und Arbeitsplätze deshalb abgebaut werden.

Differenziert ist aber eine Kündigung wegen der Krankheit, um die es in der Frage ja geht, zu sehen. Eine solche Kündigung ist nur zulässig, wenn eine negative Prognose bezüglich weiterer oder andauernder Erkrankungen für die Zukunft gestellt werden kann. Aufgrund dieser schlechten Prognose muss sich daraus eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen ergeben, beispielsweise aufgrund erheblicher finanzieller Belastungen wegen zusätzlicher Bezahlung für Ersatzkräfte. Außerdem darf kein milderes Mittel (etwa eine Änderungskündigung in Hinblick auf eine andere Tätigkeit) zur Verfügung stehen.
Von einer negativen Zukunftsprognose ist auszugehen, wenn sich zum Zeitpunkt der Kündigung eine endgültige Genesung nach einer länger andauernden Krankheit nicht absehen lässt. Dabei ist selbstverständlich auch das Interesse des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit in die Abwägung einzubeziehen. Wer schon lange in einer Firma arbeitet und nur selten krank ist, kann nicht so leicht gekündigt werden wie ein neuer Kollege, der schon im ersten Jahr mehrere Monate fehlt.

Bestehen Zweifel an der Rechtfertigung der Kündigung, weil etwa mit einer baldigen Genesung zu rechnen ist, muss auch während der Krankheit die gesetzliche Frist für die Einreichung einer möglichen Kündigungsschutzklage von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eingehalten werden. Nur dann, wenn dem Arbeitnehmer objektiv (etwa wegen einer besonders schweren Erkrankung) die Einhaltung der Frist unmöglich war, kann eine Klage nachträglich zugelassen werden. Im Zweifel wird es aber dem Arbeitnehmer möglich sein, eine Vollmacht zu erteilen und jemanden, etwa einen Gewerkschaftsvertreter, einen Anwalt oder Familienangehörige, mit dem Einreichen der Klage zu beauftragen.

Martina Perreng, Deutscher Gewerkschaftsbund/Tagesspiegel KARRIERE


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