Deutscher Gewerkschaftsbund

17.01.2008
Das Interview

Erfolgreich agieren auf europäischem Parkett

Professorin Dr. Marga Pröhl im Magazin für Beamtinnen und Beamte 1/2008

Professor Marga Pröhl

Professor Dr. Marga Pröhl Privat

Das Europäische Institut für öffentliche Verwal­tung (EIPA) in Maastricht gilt als führendes euro­päisches Aus- und Weiterbildungszentrum für den öffentlichen Dienst.  Generaldirektorin ist dort seit dem 1. November 2007 Professor Dr. Marga Pröhl.

Marga Pröhl ist ausgewiesene Fachfrau für Verwal­tungsreformen und hat umfassende Erfahrungen in Verwaltungsmodernisierung, EU-Partnerschaftsprojekten, strategischem Management und Entbürokratisierung. Das Magazin für Beamtinnen und Beamte hat sie interviewt.

Welche Schwerpunkte werden Sie in den kommen­den Jahren in den Bereichen Weiterbildung und Forschung setzen?

Das Europäische Verwaltungsinstitut EIPA hat seit 26 Jahren sehr erfolgreich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter europäischer Verwaltungen aller Ebenen sowie der EU-Kommission durch Weiterbildungsmaßnahmen unterstützt. Die Inhalte werden der Entwicklung der jeweiligen politi­schen Schwerpunkte ständig angepasst.  Für die kommenden Jahre sehe ich als vorherrschende Themenschwerpunkte Fragen der Klima- und Umweltpo­litik, des Bürokratieabbaus, der Effizienzsteigerung, z. B. durch Shared Services, des demografischen Wandels und Fragen der Führung und des Personalmanagements im öffentlichen Sektor.

Als deutsche Generaldirektorin möchte ich dafür sor­gen, dass künftig im deutschsprachigen Raum mehr Ver­waltungen mit EIPA zusammenarbeiten. EIPA wird daher in Zukunft verstärkt Seminare in deutscher Sprache an­bieten und aktiv die besonderen Belange der deutsch­sprachigen Verwaltungen aufgreifen. Seit Jahren kommen z. B. unsere regelmäßig durchgeführten „Länderseminare“ sehr gut an und die Teilnehmer sind sehr zufrieden. Dar­auf wollen wir weiter aufbauen.

Die Bundesregierung will die Europa-Kompetenzen der Beschäftigten der Bundesverwaltung stärken. Auch im öffentlichen Dienst der jungen EU-Mitgliedstaaten werden diese Kompetenzen künftig verstärkt benötigt werden. Welchen Beitrag leis­tet das EIPA, um diesem erhöhten Fortbildungs­bedarf gerecht zu werden?

Zur Person

  • 1955 geboren
  • Studium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften
  • 1985 bis 1989 Betreuung überregionaler Projekte bei den Vereinten Nationen
  • 1989 bis 2004 Leiterin de Bereichs "Staat und Verwaltung" bei der Bertelsmann Stiftung
  • 2000 Ernennung zur Honorarprofessorin an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
  • 2004 bis 2007 Referatsleiterin in der Abteilung für Verwaltungsmodernisierung im BMI
  • seit 1. November 2007 Generaldirektorin des EIPA in Maastricht

In allen Bundesministerien, aber auch auf der Ebene der Landesverwaltungen und zunehmend auch auf Ebene der Kommunen ist die ständige Auseinandersetzung mit den Entwicklungen innerhalb der EU längst ein Faktum geworden. Daher ist nicht nur die sprachliche Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern vor allem auch ihr Verständnis über die Arbeitsweise der EU-Institutionen, über Entscheidungsvorgänge und Möglichkeiten der nationalen Einflussnahme innerhalb der EU eine wich­tige Voraussetzung für erfolgreiches Agieren auf europäi­schem Parkett.

EIPA bietet eine Vielfalt von Weiterbildungsmaßnahmen an, die maßgeschneidert auf die Bedürfnisse der Verwal­tungsmitarbeiter der verschiedenen EU-Staaten eingehen: interaktiv, mit fachkundigen Referenten, auf der Grund­lage der bestehenden Vorkenntnisse und Erfahrungen, und immer mit einem Fokus auf die Anwendbarkeit der bear­beiteten Inhalte und den Nutzen des Gelernten für das Individuum. Ein Blick in den aktuellen Weiterbildungska­lender lohnt sich.

In Deutschland wächst die Skepsis gegenüber der Privatisierung als Instrument der Verwaltungsmo­dernisierung. Hat die Privatisierungswelle in Euro­pa ihren Höhepunkt überschritten?

Der Begriff der Privatisierung hat seinen Zauber verlo­ren. In der Vergangenheit wurde damit oft unreflektiert Effizienzsteigerung und höhere Effektivität verbunden. Heute zeichnet sich ein größerer Pragmatismus ab. Vor allem auf der kommunalen Ebene ist deutlich geworden, dass Privatisierung sehr gute Regelungen und klare Defi­nitionen von Standards und Qualitäten benötigt, um langfristig erfolgreich zu wirken. Nicht in jedem Fall sind Privatisierungen in der Vergangenheit erfolgreich verlau­fen, sowohl zum Schaden der Verwaltungen als auch zum Schaden der Bürgerinnen und Bürger. In der Zukunft wird vermehrt auf der Grundlage von klarem Kalkül wirtschaft­licher Leistungsfähigkeit entschieden werden, ob eine Auf­gabe weiterhin von einer öffentlichen Einrichtung oder von einem privaten Dienstleister erbracht werden sollte.

Die gleichzeitige Realisierung von Qualität und Effizienz wird innerhalb der Verwaltungen aufgrund von anhalten­den Engpässen in den öffentlichen Kassen auch zukünf­tig von besonderem Interesse sein. Erwähnenswert ist in dieser Hinsicht das Modell der Verwaltungsgemeinschaf­ten (Shared Services), bei denen Verwaltungen Leistun­gen von einem gemeinsamen Dienstleister erbringen las­sen. Dieses Modell wird auch zunehmend in der Wirt­schaft angewendet. Ein gutes Anschauungsbeispiel ist das Bundesverwaltungsamt in Köln, das für verschiedene Bundesbehörden z. B. das „Travelmanagement“ betreut und dabei mit seinen Leistungen einerseits für hohe Qua­lität sorgt und gleichzeitig enorme Kosteneinsparungen erreicht.

Die Beschäftigten und ihre Interessenvertretun­gen werden in Deutschland sehr unterschiedlich am Prozess der Verwaltungsmodernisierung be­teiligt. Wie sieht nach Ihrem Eindruck die Teilha­bepraxis in anderen EU-Ländern aus?

Eine aktuelle Studie von EIPA (Dezentralisierung und Verantwortlichkeit als Schwerpunkte der Modernisierung der öffentlichen Verwaltung: Herausforderungen und Fol­gen für das Personal-Management; C. Demmke, G. Ham­merschmid und R. Meyer, 2007) zeigt, dass in den letzten beiden Jahrzehnten in vielen EU-Staaten die Dezentrali­sierung von Verantwortlichkeiten innerhalb von Behörden stark vorangetrieben wurde. Damit einher gingen eine zu­nehmende Führungsautonomie sowie eine Anpassung des öffentlichen Dienstes an lokale Erfordernisse. Eine gene­ralisierende Aussage zu den Beteiligungspraktiken der EU-Staaten ist angesichts dieser Vielfalt der Entwicklungen nicht möglich.

Eine sehr interessante und jüngst erschienene Studie des Bundesarbeitsministeriums belegt em­pirisch die Auswirkungen einer kooperativen Unterneh­menskultur in deutschen Unternehmen. Die Studie zeigt, dass eine mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur En­gagement, Zufriedenheit und Unternehmenserfolg fördert. Allerdings werde das vorhandene Potenzial in den meisten Unternehmen in Deutschland nicht ausreichend genutzt. Diese Diagnose trifft wohl auch (noch) auf die meisten Behörden zu.

www.beamten-magazin.de, Ausgabe 1/2008


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