Privat
Das Europäische Institut für öffentliche Verwaltung (EIPA) in Maastricht gilt als führendes europäisches Aus- und Weiterbildungszentrum für den öffentlichen Dienst. Generaldirektorin ist dort seit dem 1. November 2007 Professor Dr. Marga Pröhl.
Marga Pröhl ist ausgewiesene Fachfrau für Verwaltungsreformen und hat umfassende Erfahrungen in Verwaltungsmodernisierung, EU-Partnerschaftsprojekten, strategischem Management und Entbürokratisierung. Das Magazin für Beamtinnen und Beamte hat sie interviewt.
Welche Schwerpunkte werden Sie in den kommenden Jahren in den Bereichen Weiterbildung und Forschung setzen?
Das Europäische Verwaltungsinstitut EIPA hat seit 26 Jahren sehr erfolgreich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter europäischer Verwaltungen aller Ebenen sowie der EU-Kommission durch Weiterbildungsmaßnahmen unterstützt. Die Inhalte werden der Entwicklung der jeweiligen politischen Schwerpunkte ständig angepasst. Für die kommenden Jahre sehe ich als vorherrschende Themenschwerpunkte Fragen der Klima- und Umweltpolitik, des Bürokratieabbaus, der Effizienzsteigerung, z. B. durch Shared Services, des demografischen Wandels und Fragen der Führung und des Personalmanagements im öffentlichen Sektor.
Als deutsche Generaldirektorin möchte ich dafür sorgen, dass künftig im deutschsprachigen Raum mehr Verwaltungen mit EIPA zusammenarbeiten. EIPA wird daher in Zukunft verstärkt Seminare in deutscher Sprache anbieten und aktiv die besonderen Belange der deutschsprachigen Verwaltungen aufgreifen. Seit Jahren kommen z. B. unsere regelmäßig durchgeführten „Länderseminare“ sehr gut an und die Teilnehmer sind sehr zufrieden. Darauf wollen wir weiter aufbauen.
Die Bundesregierung will die Europa-Kompetenzen der Beschäftigten der Bundesverwaltung stärken. Auch im öffentlichen Dienst der jungen EU-Mitgliedstaaten werden diese Kompetenzen künftig verstärkt benötigt werden. Welchen Beitrag leistet das EIPA, um diesem erhöhten Fortbildungsbedarf gerecht zu werden?
In allen Bundesministerien, aber auch auf der Ebene der Landesverwaltungen und zunehmend auch auf Ebene der Kommunen ist die ständige Auseinandersetzung mit den Entwicklungen innerhalb der EU längst ein Faktum geworden. Daher ist nicht nur die sprachliche Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern vor allem auch ihr Verständnis über die Arbeitsweise der EU-Institutionen, über Entscheidungsvorgänge und Möglichkeiten der nationalen Einflussnahme innerhalb der EU eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiches Agieren auf europäischem Parkett.
EIPA bietet eine Vielfalt von Weiterbildungsmaßnahmen an, die maßgeschneidert auf die Bedürfnisse der Verwaltungsmitarbeiter der verschiedenen EU-Staaten eingehen: interaktiv, mit fachkundigen Referenten, auf der Grundlage der bestehenden Vorkenntnisse und Erfahrungen, und immer mit einem Fokus auf die Anwendbarkeit der bearbeiteten Inhalte und den Nutzen des Gelernten für das Individuum. Ein Blick in den aktuellen Weiterbildungskalender lohnt sich.
In Deutschland wächst die Skepsis gegenüber der Privatisierung als Instrument der Verwaltungsmodernisierung. Hat die Privatisierungswelle in Europa ihren Höhepunkt überschritten?
Der Begriff der Privatisierung hat seinen Zauber verloren. In der Vergangenheit wurde damit oft unreflektiert Effizienzsteigerung und höhere Effektivität verbunden. Heute zeichnet sich ein größerer Pragmatismus ab. Vor allem auf der kommunalen Ebene ist deutlich geworden, dass Privatisierung sehr gute Regelungen und klare Definitionen von Standards und Qualitäten benötigt, um langfristig erfolgreich zu wirken. Nicht in jedem Fall sind Privatisierungen in der Vergangenheit erfolgreich verlaufen, sowohl zum Schaden der Verwaltungen als auch zum Schaden der Bürgerinnen und Bürger. In der Zukunft wird vermehrt auf der Grundlage von klarem Kalkül wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit entschieden werden, ob eine Aufgabe weiterhin von einer öffentlichen Einrichtung oder von einem privaten Dienstleister erbracht werden sollte.
Die gleichzeitige Realisierung von Qualität und Effizienz wird innerhalb der Verwaltungen aufgrund von anhaltenden Engpässen in den öffentlichen Kassen auch zukünftig von besonderem Interesse sein. Erwähnenswert ist in dieser Hinsicht das Modell der Verwaltungsgemeinschaften (Shared Services), bei denen Verwaltungen Leistungen von einem gemeinsamen Dienstleister erbringen lassen. Dieses Modell wird auch zunehmend in der Wirtschaft angewendet. Ein gutes Anschauungsbeispiel ist das Bundesverwaltungsamt in Köln, das für verschiedene Bundesbehörden z. B. das „Travelmanagement“ betreut und dabei mit seinen Leistungen einerseits für hohe Qualität sorgt und gleichzeitig enorme Kosteneinsparungen erreicht.
Die Beschäftigten und ihre Interessenvertretungen werden in Deutschland sehr unterschiedlich am Prozess der Verwaltungsmodernisierung beteiligt. Wie sieht nach Ihrem Eindruck die Teilhabepraxis in anderen EU-Ländern aus?
Eine aktuelle Studie von EIPA (Dezentralisierung und Verantwortlichkeit als Schwerpunkte der Modernisierung der öffentlichen Verwaltung: Herausforderungen und Folgen für das Personal-Management; C. Demmke, G. Hammerschmid und R. Meyer, 2007) zeigt, dass in den letzten beiden Jahrzehnten in vielen EU-Staaten die Dezentralisierung von Verantwortlichkeiten innerhalb von Behörden stark vorangetrieben wurde. Damit einher gingen eine zunehmende Führungsautonomie sowie eine Anpassung des öffentlichen Dienstes an lokale Erfordernisse. Eine generalisierende Aussage zu den Beteiligungspraktiken der EU-Staaten ist angesichts dieser Vielfalt der Entwicklungen nicht möglich.
Eine sehr interessante und jüngst erschienene Studie des Bundesarbeitsministeriums belegt empirisch die Auswirkungen einer kooperativen Unternehmenskultur in deutschen Unternehmen. Die Studie zeigt, dass eine mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur Engagement, Zufriedenheit und Unternehmenserfolg fördert. Allerdings werde das vorhandene Potenzial in den meisten Unternehmen in Deutschland nicht ausreichend genutzt. Diese Diagnose trifft wohl auch (noch) auf die meisten Behörden zu.