Deutscher Gewerkschaftsbund

26.11.2012
Interview

Gustav Horn: „Wir brauchen eine Vermögenssteuer“

Ganz ohne Wachstum geht es nicht, sagte Gustav Horn beim inzwischen vierten Termin der Ringvorlesung „Wohlstand ohne Wachstum?“ von DGB und Technischer Universität Berlin. Wir fragten den  Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung in der Hans-Böckler-Stiftung, wie sich Wachstum und Wohlstand vereinen lassen.

Prof. Dr. Gustav Horn bei einer Veranstaltung des DGB

Professor Dr. Gustav Horn im September 2012 bei einer Tagung des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Gustav Horn ist seit 2005 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung in der Hans-Böckler-Stiftung (IMK). DGB/Steinle

Professor Horn, wie wichtig ist ein neuer Wachstumsbegriff?

Gustav Horn: Das ist eher ein Nebenkriegsschauplatz. Man muss aber unterscheiden zwischen einer neuen Definition von Wachstum und einer neuen Definition von Wohlstand. Und das halte ich schon für sehr wichtig. Unser konventionelles Wachstumsmaß, also das Bruttoinlandsprodukt, gibt uns Auskunft darüber, wie viele Werte in einem bestimmten Zeitraum in unserer Gesellschaft produziert werden. Das ist eine Information, die wir auf jeden Fall brauchen. Ob wir dann das, was wir produzieren, und die Art, wie wir es produzieren, für richtig halten – das ist eine andere Frage. Und über diese Frage können uns Wohlstandsindikatoren Aufschluss geben. Dafür brauchen wir dann tatsächlich mehr, als einen konventionellen und rein ökonomischen Wachstumsbegriff.

Welche Möglichkeiten gäbe es denn, damit die Wirtschaft auch soziale und nachhaltige Aspekte in ihre Wachstumsstrategien einbezieht? Kann sich Nachhaltigkeit für Unternehmen lohnen?

Ja. Wenn man bestimmte nachhaltige Produktionsweisen fördern will, die beispielsweise immissionsärmer sind, dann muss man das über wirtschaftliche Anreize tun – zum Beispiel steuerliche Anreize. Wir haben mit der Ökosteuer oder der EEG-Umlage ja bereits Instrumente, die in diese Richtung gehen. Solche Maßnahmen haben zum Ziel, dass es auch im Sinne eines konventionellen Wachstumsbegriffs ökonomisch lohnend ist, immissionsärmer zu produzieren. Das Eigeninteresse der Unternehmen wird in diesen Fällen in Verbindung gebracht mit dem gesamtwirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Interesse. Ich denke, das wird der Weg sein, auf dem wir Erfolg haben können. Wir brauchen die Verbindung von konventionellem wirtschaftlichem Erfolg auf der einen Seite und gesellschaftlichen Wohlstandszielen sowie nachhaltigem Wirtschaften auf der anderen Seite.

Die Ökosteuer ist ein politisches Instrument aus dem Bereich Ökologie. Lassen sich ähnliche Ansätze auch im sozialen Bereich verwirklichen?

Ja, beispielsweise bei der Verteilungsfrage. Auch hier gibt es bereits Ansätze, die dafür sorgen sollen, dass die Ungleichheit in der Gesellschaft nicht zu groß wird – zum Beispiel eine progressive Einkommenssteuer. Aber in den vergangenen zehn bis 15 Jahren hat sich die Ungleichheit in Deutschland massiv ausgeweitet. Es hat sich gezeigt, dass das, was wir bislang tun, nicht ausreicht. Wir brauchen jetzt zum Beispiel eine Vermögenssteuer. Wir haben eine unglaubliche Ungleichheit der Vermögen, die sich immer weiter entwickelt. Soziale Nachhaltigkeit würde bedeuten, dass wir auch in diesem Bereich stärker tätig werden als bisher.

Wie groß sind die Chancen, dass sich neue Wohlstandsmodelle nicht nur in Deutschland durchsetzen, sondern auch auf europäischer oder sogar internationaler Ebene?

Es gibt die Chance. Aber das wird sich nicht auf dem konventionellen Weg über Verhandlungen zwischen Regierungen machen lassen. Das wird nicht passieren – jedenfalls nicht in absehbarer Zeit. Bewegung wird es nur geben, wenn einzelne Länder wie Deutschland voranschreiten. Und das wird nur passieren, wenn es sowohl bei uns als auch in anderen Ländern genug sozialen Druck gibt. Das ist eine politische Frage und eine Frage der sozialen Auseinandersetzung.


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Dieser Artikel gehört zum Dossier:

Vorlesungsreihe: "Wohlstand ohne Wachstum?"

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