86 Prozent der Deutschen plädieren für die sofortige Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. Eine Einigung auf eine einheitliche gesetzliche Untergrenze ohne Differenzierung nach Branchen und Regionen ist aber in den Koalitionsverhandlungen nicht in Sicht. Das Mindestlohnmodell der Friseure, bei dem im Osten 8,50 Euro pro Stunde erst 2015 eingeführt werden, taugt nicht als Vorlage. Die Beschäftigten hüben wie drüben brauchen die 8,50 Euro pro Stunde sofort.
„Unternehmen, deren Existenz lediglich davon abhängt, ihren Beschäftigten weniger als einen zum Leben ausreichenden Lohn zu zahlen, sollen in diesem Land kein Recht mehr haben, ihre Geschäfte zu betreiben.“ Das klingt revolutionär? Marktschädigend? Nun, es ist das Zitat eines gänzlich Unverdächtigen: Geäußert von niemand Geringerem als Präsident Roosevelt. Und zwar bereits 1938, als er in den USA den gesetzlichen Mindestlohn einführte.
Quelle: WSI- Mindestlohndatenbank, Stand: Oktober 2013
In Deutschland haben wir auch 2013 noch keinen gesetzlichen, einheitlichen Mindestlohn. Noch immer dürfen Unternehmen ihren Mitarbeiter/-innen Hungerlöhne zahlen und sie zum Aufstocken auf‘s Amt schicken. Der Staat, also die Gemeinschaft, zahlt ja! Das ist eine wettbewerbsverzerrende Subvention von Billigheimern zu Lasten der Beschäftigten, der Steuerzahler und der Firmen, die ihre Leute anständig entlohnen.
Leider deutet sich in der Debatte, wie sie derzeit in den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD darüber geführt wird, kein (gutes) Ende an. Das Mindestlohnmodell der Friseure, bei dem im Osten die 8,50 Euro pro Stunde erst 2015 eingeführt werden, darf jedenfalls keine Blaupause sein. Die Beschäftigten hüben wie drüben benötigen die ohnehin nicht üppigen 8,50 Euro pro Stunde sofort. Schließlich wird etwa auch bei der Mehrwertsteuer nicht nach Kaufkraft zwischen Ost und West differenziert. Und dass Beschäftigte in Ostdeutschland 23 Jahre nach der Wiedervereinigung weniger produktiv wären, will wohl niemand ernsthaft behaupten.
Stattdessen sollte es auch im Interesse des Staates sein, die Binnennachfrage über Existenz sichernde Löhne zu stärken, die Kosten für Sozialleistungen für Aufstocker zu reduzieren. Zudem würde bei höheren Löhnen auch mehr Steuergeld in die öffentlichen Kassen fließen – Geld, das dringend für überfällige Investitionen in die Infrastruktur benötigt wird. Ohne eine einheitliche gesetzliche Untergrenze, ohne Differenzierung nach Regionen und Branchen geht es nicht.
Als es in Brandenburg kürzlich darum ging, den vergabespezifischen Mindestlohn anzupassen, haben die Gewerkschaften in der Kommission aus guten Gründen der mageren Anhebung von 8,00 Euro auf 8,50 Euro ab Januar 2014 nicht zugestimmt. Und nun sollen die Kollegen/-innen im Osten bis 2015 warten, bevor auch sie 8,50 Euro pro Stunde bekommen?
86 Prozent der Bevölkerung sehen das anders und plädieren für die sofortige Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. Die künftigen Koalitionäre sollten auf ihre Wähler/-innen hören. Der gesetzliche Mindestlohn ist nicht nur eine Frage der Würde, sondern auch der ökonomischen Vernunft. Roosevelt wusste das schon vor 75 Jahren. Und 21 von 28 unserer europäischen Nachbarn wissen das auch.