"Mitbestimmung stärkt die Beschäftigten und nutzt den Unternehmen", sagte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann am 4. November bei einem Besuch des Outokumpu-Werks im hessischen Dillenburg. "Denn da, wo Mitbestimmung gelebt wird, sind die Beschäftigten motivierter und produktiver." Hoffmann besuchte das Werk im Rahmen der "Offensive Mitbestimmung" von DGB und Gewerkschaften.
Motivierte Beschäftigte "tragen zur Innovationskraft und somit zur Zukunftsfähigkeit von Unternehmen bei", so Hoffmann weiter. Der Besuch im Werk Dillenburg der Outokumpu Nirosta GmbH war ein weiterer Termin der Vor-Ort-Aktionen "Böckler vor Ort", bei denen der DGB-Vorsitzende im Rahmen der Offensive Mitbestimmung in Kooperation mit der Hans-Böckler-Stiftung Unternehmen besucht, bei denen Arbeitnehmer-Mitbestimmung in Betriebsräten oder Aufsichtsräten eine beispielhafte Rolle spielt.
DGB
zusammengestellt von der Hans-Böckler-Stiftung
Im Kaltwalzwerk für Edelstahl der finnischen Outokumpu Nirosta arbeiten rund 700 Menschen. Zählt man ihre Familien und unmittelbare Dienstleister fürs Unternehmen hinzu, so leben mindestens rund 5.000 Menschen in der Region von Arbeit und Einkommen bei der Nirosta. Das Edelstahl-Kaltwalzwerk hat schon viele Besitzer erlebt. Zuletzt ging es Anfang 2013 als Tochterunternehmen der ThyssenKrupp AG mit der gesamten Edelstahlsparte an die finnische Outokumpu über. Vereinbart wurde seinerzeit zwischen dem neuen Eigner und der IG Metall, dass es im Zuge des Übergangs zu keinen betriebsbedingten Kündigungen kommt und Standorte wie Dillenburg erhalten bleiben. Das ist nicht zuletzt das große Verdienst einer geschlossen gewerkschaftlich organisierten hoch motivierten und qualifizierten Belegschaft.
Was immer der Betriebsrat unternehmen muss, um die Balance zwischen den wirtschaftlichen Anforderungen in einem transnationalen Konzern mit schwierigen Absatzbedingungen und den sozialen Interessen seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu halten: „Die Belegschaft steht hinter dem Betriebsrat wie eine Eins“, heißt es in Dillenburg.
Stahlproduktion läuft heute 24 Stunden rund um die Uhr zwischen Montag und Sonntag. Aber sie ist immer wieder großen Schwankungen ausgesetzt. Deshalb gibt es für die Stahlindustrie schon seit langer Zeit Tarifverträge mit sehr flexiblen Regelungen zur Gestaltung der Arbeitszeit. Daran knüpft ein noch weiter gehender örtlicher Haustarifvertrag mit der IG Metall an, der Schwankungen in der Produktion etwa über flexible Arbeitszeitkonten lokal passgenau auffangen kann, ohne soziale Einbußen oder gar Entlassungen, wenn es mal für längere Zeit nicht so gut läuft. Das sichert nicht nur Einkommen und Arbeitsplatz für den und die Einzelne/n. Das hält auch die Motivation hoch, für diesen Arbeitgeber tätig zu sein - ein guter Deal für beide Seiten.
Die Nirosta in Dillenburg ist eine Instanz in der Region, wenn es um gute und perspektivenreiche Ausbildung geht. Zehn Auszubildende nimmt das Unternehmen pro Jahr mindestens an Bord. Das ist dem Betriebsrat zugesagt. Darüber hinaus wird auch für die gesamte Region ausgebildet. Sich bei der Nirosta ausbilden zu lassen, das genießt einen guten Ruf unter Jugendlichen. Auch wenn der Betriebsrat zusammen mit dem Unternehmen einiges tun muss, um das generell eher schlechte Image eines Stahlarbeiterberufs gleich schon an den Schulbänken zu verbessern. Im Übrigen ist berufliche Ausbildung ein alltägliches und ständiges Thema für die betriebliche Mitbestimmung in gemeinsamer sozialer Verantwortung für gute Unternehmens- und Personalführung. Zu Beginn waren die finnischen Manager skeptisch. Zuhause übernimmt im Wesentlichen der Staat die Vorbereitung auf den Beruf. Warum muss im Dualen System der Berufsausbildung in Deutschland das Unternehmen selbst so viel eigenen – auch finanziellen – Aufwand dafür betreiben? Den Vorteil hat die neue Führung aber schon nach kurzer Zeit erkannt: Hochqualifizierte und –motivierte Arbeitskräfte, die direkt in der Praxis und für die Praxis ausgebildet werden. Nebenbei lässt eine gelebte demokratische Beteiligungskultur wie bei der Nirosta in Dillenburg die jungen Menschen während ihrer Ausbildungszeit auch zu selbstbewussten Bürgerinnen und Bürgern heranwachsen – eine nicht zu unterschätzende positive Nebenwirkung von gelebter Mitbestimmung in stürmischen gesellschaftlichen Umbruchzeiten wie heute.
Der Betriebsrat unterstützt das Unternehmen tatkräftig, gesunde und sichere Arbeitsplätze zum festen Bestandteil von Managemententscheidungen zu machen. Im Outokumpu-Konzern ist diese systemische Verknüpfung von sozialen und wirtschaftlichen Aspekten in dieser Form einzigartig. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können länger ihrer Beschäftigung nachgehen. Sie müssen Konsequenzen aus ihrer Alterung nicht so sehr fürchten, weil immer wieder Arbeitsplätze altersgerecht angeboten oder angepasst werden. Dank betrieblicher Mitbestimmung tut das Unternehmen etwas für seine Beschäftigten: Im eigenen Interesse, denn Krankheit und eingeschränkte Arbeitskraft ist immer auch kostspielig; aber auch für die Allgemeinheit, denn die Motivation und geistige und körperliche Fitness, trotz steigender Anforderungen möglichst lange im Arbeitsprozess zu bleiben, entlastet Sozialkassen und drückt Respekt vor der Arbeitsleistung des und der Einzelnen aus.