Deutscher Gewerkschaftsbund

13.12.2010

ZDH-Forderung nach Pflichtfach Wirtschaft weist wissenschaftliche Schwächen auf

Die Forderung der Wirtschaftsverbände nach einem Schulfach Wirtschaft ist nicht neu. Gerade starteten die Verbände der gewerblichen Wirtschaft im ZDH einen neuen Versuch, untermauert mit einem Gutachten zu Bildungsstandards und Lehrerausbildung. Der DGB hat das Gutachten massiv kritisiert.

Wie weit die Forderung der Wirtschaft an einer guten ökonomischen Bildung vorbeigeht, hat die „Initiative für eine bessere ökonomische Bildung“ (iböb) der Universität Bielefeld in einer wissenschaftlichen Expertise untersucht und bestätigt. Das Ergebnis: Fixierung ökonomischer Bildung auf die Volkswirtschaftslehre, Nichtbehandlung der großen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme sowie eine interessenpolitisch einseitige Tendenz.

Expertise: Für eine bessere ökonomische Bildung! (PDF, 142 kB)

Kurzexpertise der "Initiative für eine bessere ökonomische Bildung" zum Gutachten: „Ökonomische Bildung an allgemeinbildenden Schulen Bildungsstandards und Standards für die Lehrerbildung im Auftrag des Gemeinschaftsausschusses der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft“ vom November 2010.


IG Metall Hintergrundinformation

Download: Wirtschaft in der Schule (PDF)
Die Auseinandersetzung um ökonomische Bildung in den allgemeinbildenden Schulen.


Der Gemeinschaftsausschuss der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft (GA)

Der Ausschuss ist ein Koordinierungsgremium von 17 Spitzenverbänden der gewerblich orientierten Wirtschaft. Ihr Ziel ist der Austausch über bildungs-, sozial- und wirtschaftspolitischer Fragen. Vorsitzender Otto Kentzler, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH).

Weitere Informationen zum GA und seinen Mitgliedern finden siehe Gabler-Wirtschaftslexikon.

„Für den DGB hingegen muss im öffentlichen Lernort Schule die kritische Urteilsbildung im Mittelpunkt stehen und alle Facetten von Wirtschaft und Arbeitswelt beleuchtet werden“, betont DGB-Bildungsexperte Matthias Anbuhl. Mehr dazu in unseren fünf Fragen an den Leiter der Abteilung Bildungspolitik und Bildungsarbeit im DGB-Bundesvorstand:

Herr Anbuhl, Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände fordern erneut ein Unterrichtsfach „Wirtschaft“. Was ist davon zu halten?

Matthias Anbuhl: Die Anforderungen an Schülerinnen und Schüler sind heute schon immens. Diejenigen, die ein Unterrichtsfach „Wirtschaft“ fordern, müssen sich fragen lassen, auf welche Kosten die zusätzlichen Stunden gehen sollen. Soll es weniger Physik- oder Sportstunden geben? Es ist wichtig, dass ökonomische Bildung im Unterricht der allgemeinbildenden Schule verankert ist – ob als Unterrichtsfach oder fächerübergreifend. Dieser Anspruch kann jedoch auch auf andere Unterrichtsfächer wie Gesundheit, Kultur oder Philosophie projiziert werden.

Die Unternehmen beklagen, dass Schülerinnen und Schüler nicht ausreichend auf die Arbeitswelt vorbereitet werden. Ist es da nicht legitim, dass sie mehr Aufklärung über die Arbeitswelt fordern?

Bei den Vorstößen der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden muss genau geschaut werden, welche Absichten sie verfolgen. Wollen sie Jugendliche über die Zusammenhänge von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft aufklären oder wollen sie ihr Wirtschaftsdenken unter dem Deckmantel der „ökonomische Bildung“ verankern? Es liegt nahe, dass sich die Wirtschaft mit der Forderung nach einem bundesweit einheitlichen Unterrichtsfach exklusiven Zugang zu Schulen und damit auch eine Legitimation eines deregulierten neoliberalen Wirtschaftssystems sichern möchte.

Ist es falsch, dass sich die Wirtschaft am Lernort Schule beteiligen möchte?

Der Zugang der Wirtschaft in die Schulen hat stark zugenommen. Sei es durch Kampagnen, Sponsoring oder Partnerschaften. Diese Brisanz wird verstärkt durch die Überflutung des Bildungsmarktes mit ungefilterten wirtschaftsnahen Unterrichtsmaterialien. Die staatliche Unterfinanzierung des Bildungswesens macht Unternehmen oder wirtschaftsnahe Stiftungen immer mehr zu Gegenfinanziers. Diese schleichende Privatisierung hat natürlich auch eine inhaltliche Einflussnahme zur Folge. Gern wird dann das Unternehmertum hochgehalten und Gewerkschaften oder Betriebsräte als Störer beschimpft. Diese einseitige Interpretation von Arbeitswelt darf so nicht in die Schulen kommen.

Was wünschen Sie sich stattdessen?

Unterrichtsmaterialien sollten nicht zur Selbstdarstellung oder zum Transport von politischen Meinungen dienen. Solche Unterrichtsangebote widersprechen dem Überwältigungsverbot der politischen Bildung. Am Ende einer Unterrichtseinheit müssen mehrere Lösungen für ein soziales, politisches oder ökonomisches Problem stehen. Eine zeitgemäße ökonomische Bildung behandelt ökonomische, soziale, politische, ethische, rechtliche, ökologische und technische Zusammenhänge von Arbeit und Wirtschaft. Der Anspruch des DGB ist eine sozioökonomische Bildung.

Was bedeutet das für die Anforderungen an Schule?

Sozioökonomische Bildung beschränkt sich nicht auf affirmatives Vermitteln von Inhalten, sondern fördert die Entwicklung der kritisch-reflexiven Handlungskompetenz, die in der Didaktik der politischen Bildung zu Recht gefordert wird. Schülerinnen und Schüler müssen befähigt werden, in einer von Interessengegensätzen geleiteten Gesellschaft eigene Standpunkte zu finden und zu vertreten. Sozioökonomische Bildung trägt auch dazu bei, dass die Schülerinnen und Schüler ihren beruflichen und privaten Lebensweg aktiv und eigenverantwortlich gestalten können.

Sozioökonomische Bildung vermittelt Schülerinnen und Schüler außerdem Kenntnisse und Fähigkeiten, die für einen erfolgreichen Übergang von der Schule in den Beruf notwendig sind und zur Entwicklung der Fähigkeit und Bereitschaft zum lebenslangen Lernen beitragen.

Diese Bildungsziele müssen die leitenden Kriterien für Unterrichtsinhalte und Unterrichtsmethoden sein. Dahinter haben andere Bezugsdisziplinen zurückzustehen.

Weitere Informationen zum Download

Hintergrundinformation: Wirtschaft in der Schule (PDF, 624 kB)

Die Auseinandersetzung um ökonomische Bildung in den allgemeinbildenden Schulen. Broschüre der IG Metall.


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