Deutscher Gewerkschaftsbund

21.04.2016
Whistleblowing

Freibrief für Geheimniskrämerei

einblick 07/2016

Die Unternehmen können künftig selbst definieren, was ein Geschäftsgeheimnis ist. Für den entsprechenden EU-Richtlinienentwurf stimmte Mitte April die Mehrheit des Europäischen Parlaments.

Ordner mit Vorhängeschloss

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DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach hatte im Vorfeld der Abstimmung über die EU-Richtlinie an die Europaabgeordneten appelliert, an die Konsequenzen einer solchen rechtlichen Vorgabe zu denken: „Wollen Sie Unternehmen wirklich die ausschließliche Deutungshoheit über deren Geheimhaltungsrecht einräumen?“ Das wäre nicht nur ein Rückschritt für die Rechtssicherheit in Deutschland und Europa, auch die Transparenz des Wirtschaftslebens würde weiter eingeschränkt, warnte sie. Genau dies lässt der Richtlinienentwurf nun zu. Dabei ist es unstrittig, dass Unternehmen ein berechtigtes Interesse haben, die Entwicklung beispielsweise neuer Produkte zu schützen. Aus Sicht des DGB wird es aber dann problematisch, wenn es den Unternehmen überlassen wird, schützenswerte Geheimnisse zu definieren. Die Richtlinie ist jetzt schlicht ein Freibrief für sie, alles unter Verschluss zu halten, was sie wollen, stellt DGB-Rechtsexpertin Marta Böning fest.

Weite Definition eines Geschäftsgeheimnisses

In dem Entwurf ist die Definition eines Geschäftsgeheimnisses sehr weit und wenig präzise gefasst, kritisiert Nadine Absenger, Arbeitsrechtsexpertin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI). Sie kommt wie Marta Böning zu dem Ergebnis, dass der Arbeitgeber willkürlich jede Angelegenheit zum Geschäftsgeheimnis erklären kann. Für Deutschland bedeutet die Richtlinie sogar einen Rückschritt. Denn für deutsche Gerichte gilt bislang als Geschäftsgeheimnis nur, wenn ein objektives, berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht und eine Offenlegung die Wettbewerbsfähigkeit der Konkurrenz steigern könnte. Zudem darf es kein öffentliches Ermittlungsinteresse der Strafverfolgungs- und Ordnungsbehörden geben.

Schützenswerte Geheimnisse

Aus der weit gefassten EU-Definition folgt nun aber, dass ArbeitnehmerInnen, die zur Geheimhaltung verpflichtet sind, überhaupt nicht mehr einschätzen können, was sie von ihrer Arbeit erzählen dürfen. Für sie besteht die Gefahr unwissentlich das Geschäftsgeheimnis zu verletzen, denn so Böning, „die Abgrenzung, wann ein spezielles, beim alten Arbeitgeber erworbenes Fachwissen bereits ein schützenswertes Geheimnis darstellt, das dem neuen Arbeitgeber gar nicht zur Verfügung gestellt werden darf, wird mit dieser Richtlinie äußerst schwierig“.

Problematisch ist die Richtlinie auch für alle, die über Missstände in Unternehmen berichten wollen. Zwar wurde eine leichte Verbesserung für die sogenannten Whistleblower erreicht. Hier können Gerichte eine Klage ablehnen, wenn die Absicht darin bestand, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Allerdings liegt die Beweislast bei den Mutigen, die Fehlverhalten oder illegales Handeln öffentlich machen wollen.

Mehr Infos vom DGB zum Thema gibt es hier und hier

Erschienen in: einblick 7/2016 vom 25. April 2016


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