DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell hat die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehenen Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestlohn kritisiert. Sie seien "willkürlich, diskriminierend und widersprechen dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes". Das würden auch verschiedene Gutachten belegen. "Der DGB lehnt jegliche Ausnahmen beim Mindestlohn kategorisch ab", erklärte Körzell.
Unter anderem soll der Mindestlohn erst für Beschäftigte ab 18 Jahren gelten. "Junge Menschen brauchen eine gute Ausbildung, um eine Perspektive für ihr berufliches Weiterkommen zu haben. Wir brauchen hier keine Ausnahmen sondern mehr Ausbildungsplätze – das belegt auch der gerade vorgestellte nationale Bildungsbericht", so Körzell. "Weil die Unternehmen immer weniger ausbilden, sind heute viele junge Leute gezwungen, einen Job anzunehmen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie dürfen nicht doppelt bestraft werden, indem sie einerseits keine Chance auf einen Ausbildungsplatz haben und zudem keinen Anspruch auf einen Existenz sichernden Lohn."
DGB/Simone M. Neumann
Auch Langzeitarbeitslose sollen laut Gesetzentwurf vom Mindestlohn ausgenommen sein. Dazu sagte Körzell: "Langzeitarbeitslose brauchen Förderung und Unterstützung sowie eine Chance auf einen fair entlohnten Arbeitsplatz. Sie für sechs Monate nach Aufnahme einer Beschäftigung vom Mindestlohn auszunehmen, ist stigmatisierend und bedeutet, dass sie künftig als Billiglohnreserve ausgenutzt werden. Die vorgesehene Ausnahmeregelung für Langzeitarbeitslose wird zu einem ‚Drehtüreffekt‘ führen, bei dem ein Langzeitarbeitsloser nach sechs Monaten durch den nächsten ersetzt wird. Die Arbeitgeber stehen in der Verantwortung: Wer die Fachkräfte für morgen sichern will, muss in die Menschen und ihre Potenziale investieren, statt sie mit Hungerlöhnen abzuspeisen."
"Wenn der Mindestlohn nicht ohne Wenn und Aber für alle sozialversicherten Beschäftigten in einem Arbeitsverhältnis gilt, verdient er seinen Namen nicht", so Körzell weiter. "Dann würde er seine Funktion als unmissverständliche Lohnuntergrenze verfehlen. Im Übrigen müssen die 8,50 Euro pro Stunde auch für die Beschäftigten gelten, die aus dem Ausland kommen, um in Deutschland zu arbeiten. 8,50 Euro pro Stunde sind die Anstandsgrenze nach unten für alle."
Zur aktuellen Debatte um den Mindestlohn für Praktikantinnen und Praktikanten erklärte Körzell: "Gegen Praktika haben wir prinzipiell nichts, wenn sie im Rahmen eines Lernverhältnisses stattfinden. Gerade Langzeitpraktikanten mit Hochschulabschluss werden oft als billige Arbeitskräfte ausgenutzt."