Deutscher Gewerkschaftsbund

08.05.2013
klartext 18/2013

Textilproduktion: Wenn Arbeit tödlich endet

Weltweit wächst der Druck, immer billiger zu produzieren. Südasiatische TextilarbeiterInnen schuften zu kargen Löhnen - ohne Arbeits- und Gesundheitsschutz für die Gewinnmaximierung westlicher Unternehmen. Jetzt kosteten die billigen T-Shirts für unsere Modeläden mehr als 1.100 ArbeiterInnen in Bangladesch das Leben. Der klartext.

Der eine kann sich als Beschäftigter im Niedriglohnsektor, Hartz-IV-Bezieher oder armer Rentner teure hochwertige Produkte nicht leisten. Der andere hält sich nicht für blöd und will hochwertige Produkte nur zu Niedrigstpreisen. Billig herrscht über alles: T-Shirts für je 3 Euro, 1 kg Hackfleisch für 2,50 Euro, Bettgestell für 30 Euro, eine Waschmaschine für 165 Euro, ein großer Kühl-Gefrierschrank ab 170 Euro, ein elektrisches Rasiergerät für 10 Euro. Alles inklusive Mehrwertsteuer. Die Europäische Kommission sieht in den billigen Konsumgütern die Vorteile des freien Handels und der Staat rechtfertigt damit niedrige Hartz-IV-Sätze und schützt die öffentlichen Haushalte vor höheren Transferzahlungen. Doch das hat Folgen: Wegwerfgesellschaft und Ramschökonomie verdrängen nachhaltiges und innovatives Wirtschaften. Weltweit wächst der Druck, immer billiger zu produzieren.

Druck wird in den Wertschöpfungsketten weitergegeben

Der Druck wird in den Wertschöpfungsketten, die aus einer Vielzahl von schwer durchschaubaren Subunternehmen bestehen, weitergegeben. Es fängt mit 450-Euro-Jobs im deutschen Einzelhandel an, erfasst unwürdige Arbeitsbedingungen in den niedersächsischen Schlachtereien und geht dann eben auch bis nach Bangladesch. Doch in Bangladesch endet die Arbeit manchmal tödlich. Die jüngste Tragödie beim Einsturz eines neunstöckigen Gebäudes in Bangladesch, in dem Textilien für die westlichen Märkte genäht wurden, folgte einer Serie von tödlichen Unfällen, die man hätte vermeiden können. Die Letztere kostete das Leben von mehr als 700 Beschäftigten, dazu über 1.500 Verletzte. Trotz rissiger Gebäudewände mussten die Fabrik-Arbeiterinnen für kärgliche Löhne schuften. Stundenlöhne von unter 40 US-Cent sind in Bangladesch Standard.

Grafik Arbeitskosten in der Textilbranche in ausgewählten Ländern 2009

Grafik Arbeitskosten in der Textilbranche in ausgewählten Ländern 2009 Quelle: USAID

Spirale aus Niedriglöhnen, Dumpingpreisen und tödlichen Arbeitsbedingungen beenden

Gnadenlose Ausbeutung der Beschäftigten und Zerstörung der Umwelt gehören zum Geschäftsmodell in der südasiatischen Textilindustrie. Dazu kommen noch Brände, fehlende Notausgänge, Fabrikeinsturz, fehlender Arbeits- und Gesundheitsschutz etc. Wo viele leiden, machen wenige satte Gewinne: In Bangladesch einige wenige Fabrikbesitzer. In den Industriestaaten viele Mode- und Handelsketten mit riesigen Gewinnmargen. Auch die Verbraucher freuen sich über niedrige Preise. Doch diese Spirale aus Niedriglöhnen, Dumpingpreisen und tödlichen Arbeitsbedingungen muss beendet werden!

Als Erstes müssen die westlichen Mode- und Handelsketten unverzüglich Soforthilfe und Entschädigungszahlungen für Hinterbliebene, schwer verletzte Beschäftigte und deren Familien leisten. Es müssen aber auch alle westlichen Modeketten das unter Einbeziehung der Gewerkschaften in Bangladesch erarbeitete Abkommen für Brandschutz und Gebäudesicherheit endlich unterzeichnen und sich für bessere und sichere Arbeitsbedingungen einsetzen, die durch unabhängige und notfalls westliche Inspektionen geprüft werden. Firmenbetreiber, die dies ignorieren, müssen geächtet werden.

Geiz ist nicht clever

Die westlichen Unternehmen sind in der Pflicht, ihre gesamte Wertschöpfungskette zu kontrollieren. Das verlangen die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und die OECD-Leitsätze. Und schließlich brauchen wir bei uns höhere Löhne, Renten und Transferzahlungen und eine nachhaltige Konsumkultur. Denn Geiz ist nicht clever, sondern gefährdet Menschenleben.


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