Deutscher Gewerkschaftsbund

23.03.2017
Titel - Magazin für Beamtinnen und Beamte 3/2017

Work-Life-Balance im öffentlichen Dienst

Arbeitszeitreport Deutschland 2016

Kaum ein anderer Aspekt der Arbeit wirkt sich auf unser Privatleben aus, wie die Gestaltung der Arbeitszeit. Durch sie ist bestimmt, welche Zeit zur Erholung und für private Verpflichtungen zur Verfügung steht. Der Arbeitszeitreport Deutschland 2016 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) berichtet aktuelle Zahlen zur Verbreitung verschiedener Arbeitszeitformen und zeigt, wie diese in Zusammenhang mit der Work-Life-Balance von Beschäftigten stehen.

Worklifebalance

istockphoto.de/sorbetto

Von Anne M. Wöhrmann (BAuA, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin)

Der BAuA-Arbeitszeitreport 2016 berichtet Ergebnisse einer repräsentativen Befragung, in der 20.000 Erwerbstätige in Deutschland, die mindestens 10 Stunden in der Woche arbeiten, zu ihrer Arbeitszeitrealität befragt wurden. 28% der in der Studie befragten abhängig Beschäftigten arbeiten im öffentlichen Dienst. Ein gutes Fünftel (22%) hiervon sind Beamtinnen und Beamte, sieben von zehn sind Angestellte und 8% sind Arbeiter bzw. Arbeiterinnen. In diesem Beitrag werden auch über den Arbeitszeitreport hinausgehende Befunde für Beamtinnen und Beamte sowie Angestellte im öffentlichen Dienst berichtet.

Tatsächliche und gewünschte Arbeitszeit

28% der Beschäftigten im öffentlichen Dienst haben eine tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit zwischen 10 und 34 Stunden, was im Arbeitszeitreport als Teilzeitarbeit definiert wurde. Dabei ist diese Teilzeitarbeit unter den Beamtinnen und Beamten mit 21% deutlich weniger weit verbreitet als unter den Angestellten (31%). Überlange Arbeitszeiten von mindestens 48 Stunden in der Woche haben 13% der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Von den Angestellten betrifft dies knapp 11% während von den Beamtinnen und Beamten sogar mehr als ein Fünftel so lange arbeitet. Diese Zahlen bekommen besondere Relevanz vor dem Hintergrund, dass dem Arbeitszeitreport zufolge mit steigendem Umfang der Arbeitszeit der Anteil der Beschäftigten sinkt, die damit zufrieden sind, wie ihr Arbeits- und Privatleben zusammenpassen. Für den öffentlichen Dienst zeigt sich, dass nur sechs von zehn Beschäftigten mit überlangen Arbeitszeiten zufrieden mit ihrer Work-Life-Balance sind, während dies für mehr als acht von zehn Beschäftigten mit kürzeren Arbeitszeiten der Fall ist.

Abb. 1: Zufriedenheit mit der Work-Life-Balance nach Länge der Arbeitszeit und Geschlecht im öffentlichen Dienst (n = 4837)

BAuA/magazin für beamtinnen und beamte

Viele Beschäftigte würden daher gerne ihre Arbeitszeit reduzieren. Wenn sie den Umfang ihrer Arbeitszeit selbst wählen könnten – unter Berücksichtigung der entsprechenden Verdienstanpassung – würden die Beschäftigten im öffentlichen Dienst im Mittel am liebsten 36 Stunden in der Woche arbeiten (Median). Das sind 4 Stunden weniger als sie derzeit im Mittel tatsächlich arbeiten. Der Median der tatsächlichen Arbeitszeit liegt bei 40 Stunden. Ein genauerer Blick zeigt, dass über die Hälfte der Vollzeitbeschäftigten im öffentlichen Dienst ihre Arbeitszeit verkürzen möchte, während dies nur auf ein gutes Fünftel der Teilzeitbeschäftigten zutrifft. Fast ein Drittel der Teilzeitbeschäftigten möchte ihre Arbeitszeit hingegen verlängern.

Atypische Arbeitszeiten

Nicht nur die Länge der Arbeitszeit bestimmt, wie zufrieden Beschäftigte mit ihrer Work-Life-Balance sind, sondern auch die Lage der Arbeitszeit. Insbesondere, wenn zu Zeiten gearbeitet wird, die aus sozialer Hinsicht besonders wertvoll sind – wie z. B. abends und am Wochenende – hat dies Auswirkungen auf die Work-Life-Balance. Wie viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst zu diesen untypischen Arbeitszeiten arbeiten, zeigen die folgenden Zahlen. Zwar arbeiten 83% der Beschäftigten im öffentlichen Dienst normalerweise innerhalb des Zeitrahmens von 7 bis 19 Uhr. Jedoch haben 6% versetzte Arbeitszeiten, wie z. B. feste Früh- oder Spätschichten, 3% haben wechselnde Schichten ohne Nachtanteile und 8% arbeiten in Wechselschicht mit Nachtarbeit oder in Dauernachtschichten. Arbeitszeiten zu atypischen Lagen sind bei der Untergruppe der Beamtinnen und Beamten dabei insgesamt etwas seltener als bei den Angestellten: Neun von zehn Beamtinnen und Beamten arbeiten normalerweise tagsüber.

Darüber hinaus arbeiten mehr als zwei von fünf der im öffentlichen Dienst Beschäftigten mindestens einmal im Monat am Wochenende (42%). Bei etwa einem Drittel der Beschäftigten schließt dies auch Sonntags- bzw. Feiertagsarbeit mit ein. Unter den Beamtinnen und Beamten ist Wochenendarbeit etwas weiter verbreitet. Fast die Hälfte der Beamtinnen und Beamten arbeitet am Wochenende, wobei dies in den meisten Fällen – und damit im öffentlichen Dienst auch deutlich häufiger als in anderen Wirtschaftsbereichen – Sonntagsarbeit mit einschließt.

Abb. 2: Wochenendarbeit im öffentlichen Dienst (n = 4580)

BAuA/magazin für beamtinnen und beamte

Auch bei den Beschäftigten im öffentlichen Dienst ist ein deutlicher Zusammenhang zwischen atypischer Lage der Arbeitszeit und der Zufriedenheit mit der Work-Life-Balance zu beobachten. Dabei sind Wochenendarbeit – vor allem, wenn sie den Sonntag mit einschließt – und Arbeit in wechselnden Schichten als besonders negativ für die Work-Life-Balance zu bewerten. Nur gut die Hälfte der Beschäftigten, die in Wechselschicht mit Nachtanteilen bzw. in Dauernachtschichten arbeitet, ist damit zufrieden, wie ihre Arbeit und ihr Privatleben zusammenpassen.

Vor dem Hintergrund verschiedener Tätigkeitsanforderungen werden an viele Beschäftigte auch zeitliche Flexibilitätsanforderungen gestellt. Fast jeder zehnte im öffentlichen Dienst Beschäftigte hat mindestens einmal im Monat Bereitschaftsdienst. Das Gleiche gilt für Rufbereitschaft. Unter Beamtinnen und Beamten ist Bereitschaftsdienst (11%) etwas weiter verbreitet als Rufbereitschaft (8%). Sowohl Bereitschaftsdienst als auch Rufbereitschaft stehen mit einer schlechteren Work-Life-Balance von Beschäftigten in Zusammenhang. Bereitschaftsdienst scheint sich dabei stärker auszuwirken als Rufbereitschaft.

Planbarkeit von Arbeitszeit

Neben Länge und Lage der Arbeitszeit hat auch deren Planbarkeit bzw. Vorhersehbarkeit eine große Bedeutung für die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben. 15% der Beschäftigten im öffentlichen Dienst berichten, dass sich ihre Arbeitszeiten häufig betriebsbedingt ändern. Dabei wird fast die Hälfte der Betroffenen erst am selben Tag oder am Vortag über die Arbeitszeitänderung informiert. Beschäftigte im öffentlichen Dienst mit häufigen Änderungen der Arbeitszeiten sind deutlich seltener mit ihrer Work-Life- Balance zufrieden (58 %) als Beschäftigte, die davon nicht betroffen sind (83 % zufrieden).

Abb. 3: Ständige Erreichbarkeit im öffentlichen Dienst (n = 4880)

BAuA/magazin für beamtinnen und beamte

Für eine gelungene Work-Life-Balance spielt der eigene Einfluss auf die Arbeitszeit eine wichtige Rolle. Bei 62% der Beschäftigten im öffentlichen Dienst wird die tägliche Arbeitszeit auf einem Arbeitszeitkonto verbucht. Das angesparte Zeitguthaben wird bei 13% dieser Beschäftigten überwiegend aus betrieblichen Gründen genutzt. Zwei Drittel der Beschäftigten können überwiegend selbst darüber verfügen – von den Beamtinnen und Beamten sogar drei Viertel.

In Bezug auf Arbeitszeitsouveränität zeigt sich weiterhin, dass etwa vier von zehn Beschäftigten im öffentlichen Dienst viel Einfluss darauf haben, wann sie sich mal ein paar Stunden frei nehmen und wann sie mit der Arbeit beginnen und sie beenden. Etwa die Hälfte der Beschäftigten hat auch viel Einfluss darauf, wann sie Pausen macht und wann sie Urlaub bzw. ein paar Tage frei nimmt. Die Beamtinnen und Beamten scheinen dabei insgesamt weniger zeitliche Handlungsspielräume zu haben als die Angestellten im öffentlichen Dienst.

Darüber hinaus spielt auch im öffentlichen Dienst das Thema ständige Erreichbarkeit eine Rolle. Knapp ein Viertel der im öffentlichen Dienst Beschäftigten gibt an, dass von ihnen erwartet wird, im Privatleben für arbeitsbezogene Belange erreichbar zu sein. Jeder Siebte wird tatsächlich häufig und jeder Vierte manchmal kontaktiert. Während die Beamtinnen und Beamten etwas häufiger angeben, dass Erreichbarkeit von ihnen erwartet wird, unterscheiden sie sich nicht von den Angestellten in Bezug auf die Häufigkeit der tatsächlichen Kontaktierung. Sowohl die häufige Kontaktierung als auch die Erwartung im Arbeitsumfeld erreichbar zu sein gehen mit einer verschlechterten Work-Life-Balance einher.

Die Arbeitszeitgestaltung spielt eine wichtige Rolle für die Work-Life-Balance der Beschäftigten. Neben der Länge und Lage der Arbeitszeit kommt insbesondere auch der Vorhersehbarkeit und Planbarkeit von Arbeitszeit eine besondere Bedeutung dafür zu, wie zufrieden Beschäftigte mit der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben sind.

Der Arbeitszeitreport Deutschland 2016 ist abrufbar unter:
www.baua.de -  Publikationen - baua: Bericht

Erschienen im Magazin für Beamtinnen und Beamte 3/2017


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