Deutscher Gewerkschaftsbund

07.03.2011

Arbeitskosten: Deutschland bleibt im europäischen Vergleich zurück

Die Arbeitskosten in Deutschland steigen langsamer als in vielen anderen europäischen Ländern. Das haben Forscher des Instituts für Makroökonomik (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung herausgefunden. Grund dafür sind vor allem geringe Lohnzuwächse, oftmals verbunden mit Leiharbeit oder befristeten Arbeitsverträgen. Das trifft Beschäftigte in Deutschland und schadet anderen Ländern der Eurozone.

Die Arbeitskosten in Deutschland sind 2009 um 2,3 Prozent gestiegen und damit langsamer als im Durchschnitt der Eurozone, wo der Zuwachs 2,9 Prozent betrug. Das hat das Institut für Makroökonomik und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung berechnet. Mit 29 Euro pro Stunde steht Deutschland damit im Mittelfeld der EU-Staaten, aber deutlich hinter wirtschaftlich vergleichbaren Ländern wie Frankreich, Schweden oder Belgien. Im Dienstleistungssektor lagen die Arbeitskosten 2009 mit 26,50 Euro sogar erstmals unter dem Euroraum-Durchschnitt (27,20 Euro). Die Arbeitskosten setzen sich hauptsächlich aus Löhnen Gehältern sowie aus den Lohnnebenkosten, wie etwa Sozialversicherungsbeiträgen, zusammen.

Noch klarer zeigt sich der unterdurchschnittliche Anstieg der Arbeitskosten hierzulande bei längerfristiger Betrachtung: Zwischen 2000 und 2009 stiegen die Arbeitskosten in Deutschland nur um 1,9 Prozent durchschnittlich pro Jahr – der geringste Anstieg im Euroraum. Durchschnittlich waren es dort 2,9 Prozent pro Jahr. Auch die Lohnstückkosten – die neben den Kosten der Arbeit auch die Arbeitsproduktivität mit einbeziehen – zeigen den gleichen Trend: Die größte Volkswirtschaft der EU hinkt hinter vielen anderen Mitgliedsländern her.     

Gut für den Export, schlecht für die Beschäftigten

Für die internationale Wettbewerbsfähigkeit und den Export Deutschlands ist die Entwicklung zwar positiv, doch IMK-Chef Gustav A. Horn mahnt: „Der vergleichsweise geringe Anstieg von Arbeits- und Lohnstückkosten reflektiert die verhaltene Lohnentwicklung der letzten Jahre.“ Die Zuwächse bei den Arbeitnehmerentgelten je Stunde blieben deutlich hinter denen der Vergleichsländer zurück, schreiben die Experten des IMK. Unter dem geringen Anstieg der Arbeitskosten leiden also vor allem die ArbeitnehmerInnen in Deutschland.

Sie müssen nicht nur mit weniger Einkommen leben, auch schlechtere Beschäftigungsverhältnisse werden immer mehr Alltag. „Die Arbeitswelt driftet auseinander“, sagt Joachim Möller, Direktor des Instituts für Arbeits- und Berufsforschung (IAB). Zwar sei das Normalarbeitsverhältnis – also eine ungeförderte, soziaversicherte und unbefristete Vollzeitbeschäftigung – noch „kein Auslaufmodell“, so Möller. Durchschnittlich haben heute jedoch nur noch 60 Prozent der Erwerbstätigen solch eine sichere Beschäftigung. Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten hat sich in den letzten Zahlen nach Angaben des IAB dagegen verdoppelt. Fast jeder zweite Arbeitsvertrag, der heute unterschrieben wird, ist unbefristet. Die Leiharbeit ist seit 1994 sogar auf das Fünffache gestiegen und überschreitet in diesem Jahr die Millionengrenze. – Eine Entwicklung, die der DGB mit Sorge beobachtet. Der Gewerkschaftsbund hat deswegen die Aktion „Arbeit sicher und fair“ ins Leben gerufen, die sich vor allem gegen eine Missbrauch der Leiharbeit richtet.

Privater Konsum stagniert

Die unterdurchschnittliche Entwicklung der Gehälter und Löhne schadet aber nicht nur den ArbeitnehmerInnen, sondern auch der gesamten Volkswirtschaft: „Der private Konsum hat aufgrund der geringen Lohnsteigerungen fast stagniert“, schreiben die Forscher des IMK. Für das gesamtwirtschaftliche Wachstum in Deutschland sei aber gerade die Binnennachfrage mitentscheidend. Der Export konnte den stagnierenden privaten Konsum nicht auffangen: Beim Wachstum des Bruttoinlandsprodukts liegt Deutschland mit Italien und Portugal auf den letzten Plätzen im Euroraum.

Für das laufende Jahr prognostiziert das IMK einen Anstieg der Arbeitskosten pro Stunde um zwei Prozent. „Jetzt sehen wir bei den Löhnen und beim Konsum zwar eine leichte Beschleunigung, aber das Fundament ist noch dünn“, sagt Horn. Wegen steigender Preise für Energie und Lebensmittel sowie etwas höhere Sozialabgaben wird aus Sicht des IMK auch 2011 weniger für eine positive Reallohnentwicklung und einen Zuwachs beim privaten Konsum übrigbleiben. 

Gefahr für Euroländer

Für andere Euroländer hat das Zurückbleiben der deutschen Arbeitskosten ebenfalls negative Auswirkungen. Während der deutsche Export wegen der niedrigen Arbeitskosten boomt, haben andere Staaten im Euroraum mit Defiziten zu kämpfen. Besonders Griechenland, Italien, Portugal, Spanien und Frankreich hätten höhere Importe als Ausfuhren, schreiben die IMK-Experten. „Deutschland ist nicht wirklich die Konjunkturlokomotive, sondern lässt sich teilweise vom Ausland ziehen.“

Die Forscher des IMK raten, dass zwar die Defizitländer dafür sorgen müssen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und so das Wachstum anzukurbeln. Länder wie Deutschland, das im Euroraum den höchsten Leistungsbilanzüberschuss aufweist, sollten zusätzlich aber die inländische Nachfrage stützen, damit mehr Güter aus den Defizitländern nachgefragt werden. Der Anstieg der Arbeitskosten um zwei Prozent, den das IMK für 2011 prognostiziert, reiche aber noch nicht aus, damit Deutschland „Zugpferd für die europäische Konjunktur“ werde.

Von höheren Löhnen und Gehältern – und damit steigenden Arbeitskosten – würden ArbeitnehmerInnen in Deutschland profitieren. Auch für die gesamte Wirtschaft in Deutschland und den Euroländern wäre dies ein Gewinn, weil die Binnennachfrage hierzulande und der Export der Defizitländer angekurbelt würde. Dafür müssten sich vor allem die Arbeitsverhältnisse in Deutschland wieder verbessern. Der IMK hält „politische Reformen für dringend geboten, die ein weiteres Wachstum des Niedriglohnsektors verhindern.“ Dafür steht auch der DGB, denn für anständige Arbeit muss es eine anständige Bezahlung geben.


Nach oben

Finde deine Gewerkschaft

Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter halten Fahnen hoch: Grafik
DGB
Rechtsschutz, tarifliche Leistungen wie mehr Urlaubstage und Weihnachtsgeld, Unterstützung bei Tarifkonflikten und Weiterbildung – dies sind 4 von 8 guten Gründen Mitglied in einer DGB-Gewerkschaft zu werden.
weiterlesen …

Der DGB-Tarifticker

Ge­werk­schaf­ten: Ak­tu­el­le Ta­rif­ver­hand­lun­gen und Streiks
Gewerkschafter*innen auf Demonstration für besseren Tarif
DGB/Hans-Christian Plambeck
Aktuelle Meldungen zu Tarifverhandlungen, Tariferfolgen und Streiks der acht Mitgliedsgewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).
weiterlesen …

RSS-Feeds

RSS-Feeds: Un­se­re In­hal­te – schnell und ak­tu­ell
RSS-Feed-Symbol im Hintergrund, im Vordergrund eine Frau, die auf ihr Handy schaut
DGB
Der DGB-Bundesvorstand bietet seine aktuellen Meldungen, Pressemitteilungen, Tarifmeldungen der DGB-Gewerkschaften sowie die Inhalte des DGB-Infoservices einblick auch als RSS-Feeds.
weiterlesen …

Direkt zu deiner Gewerkschaft

Zu den DGB-Gewerkschaften

DGB