Deutscher Gewerkschaftsbund

14.09.2012
klartext 9/2012

Karlsruher Urteil: Entscheidung gefallen, Krise ungelöst

Die Überraschung ist ausgeblieben: Das Bundesverfassungsgericht hat den Fiskalpakt genehmigt und damit den Weg für einen dauerhaften Rettungsschirm in der Eurozone freigemacht. Damit steht das Spardiktat nun über allen anderen gesellschaftspolitischen Zielen des Staates. Doch auch nach dem Karlsruher Urteil ist die Krise nicht gelöst. 

Endlich ist die Anspannung vorbei! Merkel, Rösler, die Opposition und sogar das Ausland sind erleichtert, weil alles so kam wie erwartet. Keine großen Überraschungen bei der Entscheidung des obersten deutschen Gerichtshofs zum Fiskalpakt und Rettungsschirm ESM. Auf deutsche Gerichte ist Verlass: Der Fiskalpakt ging geräuschlos durch. Der ESM jedoch mit Vorbehalt. Beides hat aber Folgen:

Mit dem Fiskalpakt steht das Sparen nun – höchstrichterlich abgesegnet – über allen anderen gesellschaftspolitischen Zielen des Staates. Rezession hin, Staatsanleihenkrise her, gespart werden muss immer. Dies ist das Schicksal vieler Krisenländer. Die Folgen sind bekannt: Der Staat zieht sich von öffentlichen Aufgaben zurück: Investitionen werden zurückgefahren, öffentliche Beschäftigung wird abgebaut, das Tafelsilber der öffentlichen Hand wird privatisiert, Sozialleistungen und Renten werden gekürzt. Mit dem Fiskalpakt wird der Staat aus seinen Kernaufgaben zurückgedrängt - zulasten aller, die auf öffentliche Dienstleistungen und Daseinsvorsorge angewiesen sind. Der Fiskalpakt führt in der Rezession zur staatlich legitimierten Armut.

Grafik: Staatlicher Refinanzierungsbedarf Italiens und Spaniens bis 2014

Grafik; DGB/Daten: Handelsblatt vom 14. Juni 2012

Bundesverfassungsgericht begrenzt Haftung

Doch mit der Rezession verschlechtert sich auf lange Sicht die Finanzkraft vieler Krisenländer. Anleger fürchten um die Rückzahlung ihrer Forderungen und verweigern den Kauf von Staatsanleihen. Spekulanten befeuern dies zusätzlich mit ihren Wettgeschäften. In dieser prekären Lage befinden sich immer mehr Länder. Der ESM soll ihnen dabei helfen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem grundsätzlichen „Ja“ zum ESM den Weg für einen dauerhaften Rettungsschirm für solche Länder freigemacht, auch wenn es die Haftung Deutschlands auf 190 Milliarden Euro und damit die Finanzmittel des Rettungsschirms faktisch auf höchstens 700 Milliarden Euro beschränkt hat. Doch damit nicht genug: Dem Urteil zufolge darf sich der ESM bei der EZB nicht refinanzieren. Grund: dies sei ein Verstoß gegen das Verbot der Staatsfinanzierung durch die EZB.

Wetten auf den Zerfall des Euro

Nun bleibt die Frage zu beantworten: Wie soll der ESM größeren Krisenländern in der Zukunft unter die Arme greifen, wenn Märkte und Anleger wieder den Geldhahn für die Euroländer zudrehen? Bis 2014 haben Italien und Spanien zusammen einen Refinanzierungsbedarf von über 855 Milliarden Euro (siehe Abbildung). Das überfordert den ESM. Er kann diese Mammutaufgabe nicht allein lösen. Die Situation wird immer verfahrener. Was kann überhaupt noch getan werden, wenn die Spekulanten das Urteil in diesem Sinne interpretieren und noch höhere Wetten auf den Zerfall des Euro abschließen? Weil es keine Banklizenz für den ESM geben soll, bleibt für ihn nur noch ein einziger gangbarer Weg: er verkauft die direkt erworbenen Staatsanleihen der Krisenländer über den Markt an die EZB weiter und besorgt sich damit frische Finanzmittel für sein nächstes Ankaufprogramm. Dies ist aber Wasser auf die Mühlen der Euroskeptiker. So lässt die Lösung der Krise auch nach dem Karlsruher Urteil weiterhin auf sich warten. Und das wissen auch die Finanzjongleure.


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